Selber schuld? – Wie Menschen die Ausgrenzung anderer beurteilen

Menschen sehen soziale Ausgrenzung bei andern unterschiedlich – je nachdem wie sehr ihrer Meinung nach die ausgeschlossene Person selbst schuld daran ist. Welche Faktoren bei der Bewertung eine Rolle spielen, hat ein Team der Universität Basel untersucht.

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Hier darf einer nicht mitspielen. (Bild: ella via flickr.com / CC BY 2.0)

Hier darf einer nicht mitspielen. (Bild: ella via flickr.com / CC BY 2.0)

rtz./ots Jeder Mensch erlebt das irgendwann: In der Besprechung werden die Vorschläge einer Kollegin konsequent überhört, der eigenbrötlerische Nachbar wird nicht zum Apéro eingeladen wie die anderen, ein Kind am Spielplatz von den anderen ignoriert – soziale Ausgrenzungen wie diese treten tagtäglich auf, bei der Arbeit, im Freundeskreis oder in der Familie.

Wer beobachtet, wie jemand aus einer Gruppe ausgeschlossen wird, schlägt sich oft auf die Seite des Betroffenen. Das Verhalten der Gruppe werten wir dann schnell einmal als gemein oder unfair. Doch es gibt auch den umgekehrten Fall: Aussenstehende bewerten Ausgrenzungen unter Umständen auch als gerechtfertigt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die betroffene Person sich zuvor unangemessen verhalten hat.

Fehlende Informationen

Ein Forschungsteam der Universität Basel hat nun in fünf Studien erforscht, von welchen Hinweisen sich Menschen leiten lassen, wenn sie über die Ausgrenzung einer Person urteilen. Die Forscher vermuteten, dass dabei die Ähnlichkeit innerhalb der beobachteten Gruppe besonders wichtig ist. An den Studien beteiligten sich zwischen 30 und über 500 Probanden; die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift «Journal of Personality and Social Psychology» erschienen.

Tatsächlich weisen die Studienergebnisse darauf hin, dass Menschen eine Ausgrenzung dann eher als ungerecht bewerten, wenn sich der oder die Betroffene sichtbar von den anderen unterscheidet. Dann nehmen sie nämlich an, dass diese Person nur ausgegrenzt wird, weil sie anders ist. Unterscheidet sich dagegen die ausgeschlossene Person äusserlich nicht von der Gruppe, wird eher vermutet, dass sie sich den Ausschluss durch irgendein Fehlverhalten «selbst eingebrockt» hat. Hier zeigt sich die der Beurteilung zugrunde liegende Schwierigkeit: Dem Aussenstehenden fehlen Hintergrundinformationen, deswegen kann er oder sie die Lage nur bedingt einschätzen.

Für ihre Studie zeigten die Psychologen der Uni Basel den den Probanden verschiedene Ausgrenzungssituationen, etwa eine fiktive Chat-Diskussion, bei der drei Studierende eine Präsentation besprachen. Die etwas eigensinnigen Ideen und Vorschläge eines der Studierenden wurden dabei von den anderen beiden regelmässig ignoriert. Wenn nun die ausgegrenzte Person «anders» war als sie beiden Ausgrenzenden – zum Beispiel punkto Hautfarbe oder Heimatland –, bewerteten Beobachtende diesen Ausschluss von aussen als ungerecht. Sie waren ärgerlich auf die beiden Ausgrenzenden und bewerteten diese als schlechte Kooperationspartner.

Waren sich die Gruppenmitglieder jedoch einigermassen ähnlich – indem beispielsweise alle aus demselben Land stammten –, änderte sich das Urteil der Aussenstehenden: In diesem Fall bewerteten diese die ausgegrenzte Person als negativ und schrieben ihr die Schuld am Ausschluss zu.

Auch oberflächliche Hinweise zählen

Weiter fand das Forschungsteam, dass die Ähnlichkeit das soziale Urteil auch dann beeinflusst, wenn die Ähnlichkeit nur oberflächlich besteht, etwa weil die ausgegrenzte Person eine andere Frisur hat. Dies spricht dafür, dass Menschen die Ähnlichkeit der beobachteten Gruppe eher unbewusst in ihr moralisches Urteil mit einfliessen lassen.

«Die Untersuchungen sind wichtig für Themen wie Mobbing und Ausgrenzung in der Schule oder am Arbeitsplatz», sagt Studienleiterin Selma Rudert in einer Pressemitteilung der Universität. Denn wenn sich Menschen zu stark von oberflächlichen Hinweisen leiten und dabei tatsächliche Informationen ausser Acht lassen, könne es schnell zu Fehlurteilen mit gravierenden Konsequenzen kommen. Erhalten unschuldig Ausgegrenzte keine Unterstützung von anderen, verstärkt sich ihre Isolation weiter. «Im Idealfall sollte man daher immer versuchen», so Rudert, «die ganze Geschichte hinter einer Ausgrenzung zu verstehen, bevor man sich zu einem schnellen Urteil hinreissen lässt».