«Wir wollten eine mehrheitsfähige Lösung» – wie die FDP-Fraktionschefin Beatrix Frey den Kompromiss schmiedete, der dem Zürcher Energiegesetz zum Durchbruch verhalf

Der klare Volksentscheid für den Ausstieg aus den Öl- und Gasheizungen ist weniger ein Erfolg der Klima-Allianz als einer der Bereitschaft zum Kompromiss.

Stefan Hotz
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FDP-Fraktionspräsidentin Beatrix Frey-Eigenmann, als das Kantonsparlament noch im Rathaus tagte.

FDP-Fraktionspräsidentin Beatrix Frey-Eigenmann, als das Kantonsparlament noch im Rathaus tagte.

Dominic Steinmann / NZZ

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter und in der Politik zunehmend Mütter. Das ist auch beim deutlichen Ja zum revidierten Energiegesetz vom Sonntag so. Eine derart hohe Zustimmung mit mehr als 62 Prozent war wenige Monate nach dem schweizweiten Nein zum CO2-Gesetz kaum zu erwarten. Zwar hatte der Kanton Zürich die Vorlage des Bundes befürwortet, aber nicht so eindeutig.

Energiegesetz

62,6%
VolkJa
ja
Nein × 214 331
359 275 × Ja
0
30
40
50
60
70100
176/176 Zählkreise ausgezählt
letztes Update am 28.11.2021
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Adlikon
45,7% Ja
nein
Adliswil
60,5% Ja
ja
Aesch (ZH)
60,8% Ja
ja
Aeugst am Albis
63,5% Ja
ja
Affoltern am Albis
62,6% Ja
ja
Altikon
43,2% Ja
nein
Andelfingen
61,1% Ja
ja
Bachenbülach
60,4% Ja
ja
Bachs
50,9% Ja
ja
Bäretswil
46,4% Ja
nein
Bassersdorf
59,9% Ja
ja
Bauma
42,8% Ja
nein
Benken (ZH)
47,9% Ja
nein
Berg am Irchel
47,4% Ja
nein
Birmensdorf (ZH)
60,8% Ja
ja
Bonstetten
66,2% Ja
ja
Boppelsen
54,7% Ja
ja
Brütten
58,5% Ja
ja
Bubikon
54,9% Ja
ja
Buch am Irchel
49,4% Ja
nein
Buchs (ZH)
51,1% Ja
ja
Bülach
61,1% Ja
ja
Dachsen
60,1% Ja
ja
Dägerlen
59,1% Ja
ja
Dällikon
47,8% Ja
nein
Dänikon
55,7% Ja
ja
Dättlikon
64,0% Ja
ja
Dielsdorf
54,5% Ja
ja
Dietikon
60,0% Ja
ja
Dietlikon
58,7% Ja
ja
Dinhard
52,7% Ja
ja
Dorf
54,0% Ja
ja
Dübendorf
58,7% Ja
ja
Dürnten
50,6% Ja
ja
Egg
58,8% Ja
ja
Eglisau
64,4% Ja
ja
Elgg
56,1% Ja
ja
Ellikon an der Thur
57,5% Ja
ja
Elsau
55,2% Ja
ja
Embrach
55,5% Ja
ja
Erlenbach (ZH)
61,8% Ja
ja
Fällanden
59,7% Ja
ja
Fehraltorf
57,2% Ja
ja
Feuerthalen
56,2% Ja
ja
Fischenthal
37,0% Ja
nein
Flaach
51,9% Ja
ja
Flurlingen
62,6% Ja
ja
Freienstein-Teufen
56,2% Ja
ja
Geroldswil
49,3% Ja
nein
Glattfelden
51,0% Ja
ja
Gossau (ZH)
51,4% Ja
ja
Greifensee
67,8% Ja
ja
Grüningen
53,0% Ja
ja
Hagenbuch
39,5% Ja
nein
Hausen am Albis
61,6% Ja
ja
Hedingen
64,7% Ja
ja
Henggart
57,8% Ja
ja
Herrliberg
56,7% Ja
ja
Hettlingen
62,9% Ja
ja
Hinwil
49,8% Ja
nein
Hittnau
54,7% Ja
ja
Hochfelden
54,6% Ja
ja
Hombrechtikon
55,2% Ja
ja
Horgen
60,8% Ja
ja
Höri
45,9% Ja
nein
Humlikon
47,6% Ja
nein
Hüntwangen
55,2% Ja
ja
Hüttikon
49,6% Ja
nein
Illnau-Effretikon
58,6% Ja
ja
Kappel am Albis
57,7% Ja
ja
Kilchberg (ZH)
63,6% Ja
ja
Kleinandelfingen
49,4% Ja
nein
Kloten
57,2% Ja
ja
Knonau
63,4% Ja
ja
Küsnacht (ZH)
59,6% Ja
ja
Langnau am Albis
56,2% Ja
ja
Laufen-Uhwiesen
54,0% Ja
ja
Lindau
56,5% Ja
ja
Lufingen
53,5% Ja
ja
Männedorf
63,2% Ja
ja
Marthalen
50,3% Ja
ja
Maschwanden
54,9% Ja
ja
Maur
58,8% Ja
ja
Meilen
60,6% Ja
ja
Mettmenstetten
62,4% Ja
ja
Mönchaltorf
59,3% Ja
ja
Neerach
51,1% Ja
ja
Neftenbach
59,2% Ja
ja
Niederglatt
47,9% Ja
nein
Niederhasli
51,3% Ja
ja
Niederweningen
59,3% Ja
ja
Nürensdorf
53,0% Ja
ja
Oberembrach
44,9% Ja
nein
Oberengstringen
60,9% Ja
ja
Oberglatt
51,0% Ja
ja
Oberrieden
62,4% Ja
ja
Oberweningen
52,9% Ja
ja
Obfelden
58,9% Ja
ja
Oetwil am See
47,8% Ja
nein
Oetwil an der Limmat
49,9% Ja
nein
Opfikon
59,6% Ja
ja
Ossingen
56,2% Ja
ja
Otelfingen
57,3% Ja
ja
Ottenbach
61,1% Ja
ja
Pfäffikon
59,7% Ja
ja
Pfungen
54,3% Ja
ja
Rafz
59,1% Ja
ja
Regensberg
63,1% Ja
ja
Regensdorf
52,4% Ja
ja
Rheinau
56,7% Ja
ja
Richterswil
57,1% Ja
ja
Rickenbach (ZH)
56,4% Ja
ja
Rifferswil
67,0% Ja
ja
Rorbas
53,4% Ja
ja
Rümlang
51,9% Ja
ja
Rüschlikon
62,6% Ja
ja
Russikon
51,5% Ja
ja
Rüti (ZH)
52,3% Ja
ja
Schlatt
44,6% Ja
nein
Schleinikon
52,5% Ja
ja
Schlieren
61,1% Ja
ja
Schöfflisdorf
48,3% Ja
nein
Schwerzenbach
62,4% Ja
ja
Seegräben
58,8% Ja
ja
Seuzach
55,3% Ja
ja
Stadel
47,2% Ja
nein
Stäfa
62,2% Ja
ja
Stallikon
58,2% Ja
ja
Stammheim
57,1% Ja
ja
Steinmaur
55,5% Ja
ja
Thalheim an der Thur
50,9% Ja
ja
Thalwil
64,5% Ja
ja
Trüllikon
45,6% Ja
nein
Truttikon
47,3% Ja
nein
Turbenthal
50,8% Ja
ja
Uetikon am See
60,6% Ja
ja
Uitikon
62,9% Ja
ja
Unterengstringen
54,1% Ja
ja
Urdorf
59,0% Ja
ja
Uster
63,5% Ja
ja
Volken
49,4% Ja
nein
Volketswil
52,4% Ja
ja
Wädenswil
58,1% Ja
ja
Wald (ZH)
52,7% Ja
ja
Wallisellen
57,7% Ja
ja
Wangen-Brüttisellen
52,2% Ja
ja
Wasterkingen
52,3% Ja
ja
Weiach
47,3% Ja
nein
Weiningen (ZH)
54,7% Ja
ja
Weisslingen
53,4% Ja
ja
Wettswil am Albis
63,9% Ja
ja
Wetzikon (ZH)
55,6% Ja
ja
Wiesendangen
56,6% Ja
ja
Wil (ZH)
54,1% Ja
ja
Wila
49,9% Ja
nein
Wildberg
49,6% Ja
nein
Winkel
55,8% Ja
ja
Winterthur Altstadt
80,5% Ja
ja
Winterthur Mattenbach
71,2% Ja
ja
Winterthur Oberw.
67,0% Ja
ja
Winterthur Seen
64,8% Ja
ja
Winterthur Töss
65,2% Ja
ja
Winterthur Veltheim
75,5% Ja
ja
Winterthur Wülflingen
63,2% Ja
ja
Zell (ZH)
54,1% Ja
ja
Zollikon
62,2% Ja
ja
Zumikon
60,9% Ja
ja
Zürich Kreis 10
75,6% Ja
ja
Zürich Kreis 11
70,9% Ja
ja
Zürich Kreis 12
66,5% Ja
ja
Zürich Kreis 3
78,4% Ja
ja
Zürich Kreis 6
79,0% Ja
ja
Zürich Kreis 9
71,0% Ja
ja
Zürich Kreise 1 und 2
71,6% Ja
ja
Zürich Kreise 4 und 5
84,1% Ja
ja
Zürich Kreise 7 und 8
72,2% Ja
ja
Quelle:  BfS

Einen Erfolg bedeutet es für den grünen Baudirektor Martin Neukom, ging es doch um das erste Geschäft, das er in einer Volksabstimmung vertrat. Die Klima-Allianz kann den Sieg indes nicht allein für sich verbuchen. SP, GLP, Grüne, EVP und AL verfügen zwar seit 2019 über die Mehrheit im Kantonsparlament. Dass die ursprüngliche Version des Gesetzes vor den Stimmberechtigten bestanden hätte, bleibt aber Spekulation. Für den klaren Entscheid war ein breiter Kompromiss nötig, dem neben der Mitte vor allem auch die FDP zustimmte.

Absagen von bürgerlichen Partnern

Das stand keineswegs von Anfang an fest, wie FDP-Fraktionspräsidentin Beatrix Frey-Eigenmann am Montagmorgen im Foyer des Kantonsrats erläutert. Klar sei gewesen, dass die FDP-Vertretung konstruktiv in die Beratungen der Kommission einsteigt. Ebenso klar war, dass die Freisinnigen eine andere Vorstellung vertraten. Sie wollten den Ersatz von Heizungen im Kanton über den Preis und nicht mit Verboten steuern.

Darauf gingen die logischen Partner SVP und Mitte jedoch nicht ein. Auch beim Versuch, die Grünliberalen auf ihre Seite zu ziehen, habe man auf Granit gebissen, sagt Frey. Die FDP habe aber anerkannt, dass der Gebäudebereich entscheidend ist für die Dekarbonisierung, da hier langfristige Entscheide fallen. «Wir wollten nicht schmollend sitzen bleiben und sagen, da machen wir nicht mit», sagt die freisinnige Fraktionschefin.

Die Energiekommission des Rats hatte schon um mehrere Punkte im Energiegesetz gerungen. Nachdem es im Rat bereits einmal durchberaten worden war, griffen die Fraktionspräsidien ein. Eisbrecher waren Grüne und FDP, wie Frey erzählt. Im letzten Moment gelang es, einige Punkte im Gesetz anzupassen. Etwa, dass die Gas-Infrastruktur erhalten bleibt für Biogas oder synthetische Produkte, oder eine flexible Handhabung der Härtefallklausel, die den Einbau einer fossilen Heizung erlaubt, wenn Eigentümern die Finanzierung der höheren Investitionskosten für eine Wärmepumpe nicht möglich ist.

Der grüne Fraktionspräsident Thomas Forrer erlebte Beatrix Frey als Kollegin, die sich sehr konstruktiv verhielt und in der Lage war, zwischen den Blöcken zu vermitteln. Die aber gleichzeitig, wie er sagt, ihre Positionen gut verkaufte und sich als harte Verhandlungspartnerin erwies. Geholfen habe, dass sie sich kennen und beide am rechten Seeufer wohnen. Forrer hält sogar fest, für ihn habe sich mit diesem Prozess seine Haltung gegenüber dem Freisinn verbessert.

Andere grosse Mitspieler sehen den Vorgang prosaischer. Er glaube nicht, dass sich im Verhältnis zur FDP etwas ändere, sagt SVP-Präsident Benjamin Fischer. Die freisinnige Haltung in der Klimapolitik sei bekannt gewesen. Er frage sich eher, ob der FDP die Kampagne für das Energiegesetz am Ende auf die Füsse falle. Viele ihrer Mitglieder gehörten dem Hauseigentümerverband an, der das Referendum ergriffen hatte.

SP-Fraktionspräsident Markus Späth will das Entgegenkommen der FDP nicht zu hoch hängen. Man habe sie ins Boot holen wollen, aber mit erträglichen Zugeständnissen. Das sei möglich gewesen ohne Abstriche am Konzept des Energiegesetzes, sagt er. So sei es gelungen, eine bürgerliche Einheitsablehnung zu verhindern.

Für Beatrix Frey stellte sich die Frage: Tragen wir zu einer Problemlösung bei? Oder halten wir an unseren Prinzipien fest? Zur Politik gehöre auch, dass man einmal eine «profilbildende Niederlage» in Kauf nehme, indem man sich abgrenze, sagt sie. Es gebe aber Themen, in denen sie eine solche Haltung nicht für opportun halte. Dazu gehöre die Klimaproblematik: «Dieses Thema ist zu wichtig, als dass man sich nicht für eine Lösung einsetzen soll.»

Eine Rolle spielt hier Freys berufliche Vergangenheit im Bundesamt für Energie. Sie sei in diesen Fragen sensibilisiert. «Wir wollten eine mehrheitsfähige Lösung. Das Referendum haben wir nicht gesucht, aber das Volk hat uns nun bestätigt.»

Nach dem Aus fürs CO2-Gesetz erst recht

Spielte auch eine Rolle, dass vor allem FDP-Frauen mit dem Thema betraut waren? Das sei teilweise Zufall gewesen, antwortet Frey, aber wie hartnäckig verhandelt wurde, habe vielleicht auch damit zu tun. Jedenfalls gingen die Kantonsrätinnen Barbara Franzen, die der Energiekommission angehört, und Sonja Rueff-Frenkel am Tag nach dem Nein zum CO2-Gesetz sofort in die Offensive: Jetzt gelte es erst recht, für das Energiegesetz einzustehen. Die Unterländerin Franzen betonte am Montag, wichtig es sei, dass nicht nur die Städte den Kompromiss mittrügen, sondern auch die Landschaft.

Selbstverständlich war es nicht, dass die Zürcher FDP diesem Kurs treu blieb, als nach dem Aus für das CO2-Gesetz noch Petra Gössi, die Präsidentin der FDP Schweiz, ihren Rücktritt bekanntgab. Positiv überrascht habe sie Ende August das eindeutige Ja der FDP-Delegierten zum Energiegesetz, sagt Frey, die kürzlich in der Parteizeitung ihre Aufgabe innerhalb der FDP als Mischung aus «Arena-Moderatorin, Unterhändlerin, Blitzableiterin und Repräsentantin» beschrieb. Sie habe intern mehr kritische Stimmen erwartet, aber diese hätten sich nicht gemeldet. Der breite Kompromiss sei vor dem Nein zum CO2-Gesetz zustande gekommen.

Die FDP suche immer zuerst nach einer liberalen Lösung, erst dann je nach Situation einen sinnvollen Kompromiss, sagt Frey. Die SVP werde dagegen als generelle Verweigerin wahrgenommen. Die FDP wolle dagegen eine eigenständige Linie vertreten. «Wir werden kein Teil der Klima-Allianz», versichert Beatrix Frey. Die FDP bleibe im Gegenteil ein wichtiges Gegengewicht. Sie könne dem rot-grünen Lager den Spiegel vorhalten und darauf hinweisen, dass in der Klimapolitik auch die Interessen der Wirtschaft zu berücksichtigen seien.