Der klare Volksentscheid für den Ausstieg aus den Öl- und Gasheizungen ist weniger ein Erfolg der Klima-Allianz als einer der Bereitschaft zum Kompromiss.
Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter und in der Politik zunehmend Mütter. Das ist auch beim deutlichen Ja zum revidierten Energiegesetz vom Sonntag so. Eine derart hohe Zustimmung mit mehr als 62 Prozent war wenige Monate nach dem schweizweiten Nein zum CO2-Gesetz kaum zu erwarten. Zwar hatte der Kanton Zürich die Vorlage des Bundes befürwortet, aber nicht so eindeutig.
Einen Erfolg bedeutet es für den grünen Baudirektor Martin Neukom, ging es doch um das erste Geschäft, das er in einer Volksabstimmung vertrat. Die Klima-Allianz kann den Sieg indes nicht allein für sich verbuchen. SP, GLP, Grüne, EVP und AL verfügen zwar seit 2019 über die Mehrheit im Kantonsparlament. Dass die ursprüngliche Version des Gesetzes vor den Stimmberechtigten bestanden hätte, bleibt aber Spekulation. Für den klaren Entscheid war ein breiter Kompromiss nötig, dem neben der Mitte vor allem auch die FDP zustimmte.
Das stand keineswegs von Anfang an fest, wie FDP-Fraktionspräsidentin Beatrix Frey-Eigenmann am Montagmorgen im Foyer des Kantonsrats erläutert. Klar sei gewesen, dass die FDP-Vertretung konstruktiv in die Beratungen der Kommission einsteigt. Ebenso klar war, dass die Freisinnigen eine andere Vorstellung vertraten. Sie wollten den Ersatz von Heizungen im Kanton über den Preis und nicht mit Verboten steuern.
Darauf gingen die logischen Partner SVP und Mitte jedoch nicht ein. Auch beim Versuch, die Grünliberalen auf ihre Seite zu ziehen, habe man auf Granit gebissen, sagt Frey. Die FDP habe aber anerkannt, dass der Gebäudebereich entscheidend ist für die Dekarbonisierung, da hier langfristige Entscheide fallen. «Wir wollten nicht schmollend sitzen bleiben und sagen, da machen wir nicht mit», sagt die freisinnige Fraktionschefin.
Die Energiekommission des Rats hatte schon um mehrere Punkte im Energiegesetz gerungen. Nachdem es im Rat bereits einmal durchberaten worden war, griffen die Fraktionspräsidien ein. Eisbrecher waren Grüne und FDP, wie Frey erzählt. Im letzten Moment gelang es, einige Punkte im Gesetz anzupassen. Etwa, dass die Gas-Infrastruktur erhalten bleibt für Biogas oder synthetische Produkte, oder eine flexible Handhabung der Härtefallklausel, die den Einbau einer fossilen Heizung erlaubt, wenn Eigentümern die Finanzierung der höheren Investitionskosten für eine Wärmepumpe nicht möglich ist.
Der grüne Fraktionspräsident Thomas Forrer erlebte Beatrix Frey als Kollegin, die sich sehr konstruktiv verhielt und in der Lage war, zwischen den Blöcken zu vermitteln. Die aber gleichzeitig, wie er sagt, ihre Positionen gut verkaufte und sich als harte Verhandlungspartnerin erwies. Geholfen habe, dass sie sich kennen und beide am rechten Seeufer wohnen. Forrer hält sogar fest, für ihn habe sich mit diesem Prozess seine Haltung gegenüber dem Freisinn verbessert.
Andere grosse Mitspieler sehen den Vorgang prosaischer. Er glaube nicht, dass sich im Verhältnis zur FDP etwas ändere, sagt SVP-Präsident Benjamin Fischer. Die freisinnige Haltung in der Klimapolitik sei bekannt gewesen. Er frage sich eher, ob der FDP die Kampagne für das Energiegesetz am Ende auf die Füsse falle. Viele ihrer Mitglieder gehörten dem Hauseigentümerverband an, der das Referendum ergriffen hatte.
SP-Fraktionspräsident Markus Späth will das Entgegenkommen der FDP nicht zu hoch hängen. Man habe sie ins Boot holen wollen, aber mit erträglichen Zugeständnissen. Das sei möglich gewesen ohne Abstriche am Konzept des Energiegesetzes, sagt er. So sei es gelungen, eine bürgerliche Einheitsablehnung zu verhindern.
Für Beatrix Frey stellte sich die Frage: Tragen wir zu einer Problemlösung bei? Oder halten wir an unseren Prinzipien fest? Zur Politik gehöre auch, dass man einmal eine «profilbildende Niederlage» in Kauf nehme, indem man sich abgrenze, sagt sie. Es gebe aber Themen, in denen sie eine solche Haltung nicht für opportun halte. Dazu gehöre die Klimaproblematik: «Dieses Thema ist zu wichtig, als dass man sich nicht für eine Lösung einsetzen soll.»
Eine Rolle spielt hier Freys berufliche Vergangenheit im Bundesamt für Energie. Sie sei in diesen Fragen sensibilisiert. «Wir wollten eine mehrheitsfähige Lösung. Das Referendum haben wir nicht gesucht, aber das Volk hat uns nun bestätigt.»
Spielte auch eine Rolle, dass vor allem FDP-Frauen mit dem Thema betraut waren? Das sei teilweise Zufall gewesen, antwortet Frey, aber wie hartnäckig verhandelt wurde, habe vielleicht auch damit zu tun. Jedenfalls gingen die Kantonsrätinnen Barbara Franzen, die der Energiekommission angehört, und Sonja Rueff-Frenkel am Tag nach dem Nein zum CO2-Gesetz sofort in die Offensive: Jetzt gelte es erst recht, für das Energiegesetz einzustehen. Die Unterländerin Franzen betonte am Montag, wichtig es sei, dass nicht nur die Städte den Kompromiss mittrügen, sondern auch die Landschaft.
Selbstverständlich war es nicht, dass die Zürcher FDP diesem Kurs treu blieb, als nach dem Aus für das CO2-Gesetz noch Petra Gössi, die Präsidentin der FDP Schweiz, ihren Rücktritt bekanntgab. Positiv überrascht habe sie Ende August das eindeutige Ja der FDP-Delegierten zum Energiegesetz, sagt Frey, die kürzlich in der Parteizeitung ihre Aufgabe innerhalb der FDP als Mischung aus «Arena-Moderatorin, Unterhändlerin, Blitzableiterin und Repräsentantin» beschrieb. Sie habe intern mehr kritische Stimmen erwartet, aber diese hätten sich nicht gemeldet. Der breite Kompromiss sei vor dem Nein zum CO2-Gesetz zustande gekommen.
Die FDP suche immer zuerst nach einer liberalen Lösung, erst dann je nach Situation einen sinnvollen Kompromiss, sagt Frey. Die SVP werde dagegen als generelle Verweigerin wahrgenommen. Die FDP wolle dagegen eine eigenständige Linie vertreten. «Wir werden kein Teil der Klima-Allianz», versichert Beatrix Frey. Die FDP bleibe im Gegenteil ein wichtiges Gegengewicht. Sie könne dem rot-grünen Lager den Spiegel vorhalten und darauf hinweisen, dass in der Klimapolitik auch die Interessen der Wirtschaft zu berücksichtigen seien.