Machtwort aus den Bündner Bergen: Die Gemeinde Surses sagt Nein zum riesigen Solarpark des Stadtzürcher Elektrizitätswerks

Die Gemeindeversammlung hat über das Millionenprojekt im Val Nandro entschieden.

Giorgio Scherrer 3 min
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Visualisierung der Anlage: Aus dem Tal sollte sie laut EWZ allerdings nicht zu sehen sein.

Visualisierung der Anlage: Aus dem Tal sollte sie laut EWZ allerdings nicht zu sehen sein.

Visualisierung PD

Es kommt nicht alle Tage vor, dass an einer Gemeindeversammlung im Kanton Graubünden über die Energiezukunft der Stadt Zürich abgestimmt wird. Am Montagabend war allerdings genau das der Fall: In einer denkwürdigen Abstimmung entschied die Gemeinde Surses über ein gigantisches Solarprojekt des Zürcher Elektrizitätswerkes EWZ.

Und sie versenkte die Zürcher Solarträume wuchtig.

Beim Projekt ging es um eine alpine Solaranlage der Superlative: 660 000 Quadratmeter gross, so viel wie 93 Fussballfelder. Mit 93 000 Modulen, die zusammen Strom für rund 20 000 Haushalte liefern sollten.

Ein idealer Kompromiss oder ein fauler?

Im Eiltempo hatte das EWZ das Projekt aus dem Boden gestampft. Es sollte mit Fördergeldern aus dem Solarexpress realisiert werden, den das nationale Parlament vergangenes Jahr beschlossen hat. Um die Subventionen zu erhalten, muss ein Projekt bis 2025 zu mindestens zehn Prozent leistungsfähig sein. Deshalb war von Anfang an klar: Lehnt die Gemeindeversammlung den Solarpark ab, ist das Projekt gestorben.

Der Widerstand im Vorfeld war gross. Das schnelle Tempo, Befürchtungen über die Folgen für Tourismus und Natur sowie die eine oder andere Anti-Zürich-Polemik sorgten für Skepsis, besonders unter Tourismusunternehmern und Naturschützern. Demgegenüber führten die Befürworter – unter ihnen der Gemeindevorstand – die Vorteile für das Klima und die Energiesicherheit der Schweiz ins Feld. Dazu kam eine finanzielle Vergütung von über einer halben Million Franken pro Jahr.

Für das EWZ war das Projekt deshalb attraktiv, weil es in die städtische Netto-Null-Agenda passt und weil alpine Solaranlagen vor allem im Winter produktiv sind – dann, wenn der Strom wegen drohender Lücken zu einem hohen Preis verkauft werden kann. Die Anlage sei vom Tal aus nicht zu sehen, nicht in einer Schutzzone gelegen und befinde sich doch an einem bereits mit Skianlagen bebauten Berghang – all das machte das Projekt gemäss den Befürwortern zu einem idealen Kompromiss.

«Emotions-, äh, emissionsfreie Produktion»

An der Gemeindeversammlung – der bestbesuchten in der Geschichte der Gemeinde – wurde kontrovers diskutiert. Gemeindepräsident Daniel Wasescha (Die Mitte) sprach von einem «Generationenprojekt» und appellierte an die Weitsichtigkeit seiner Mitbürger. Die Chancen des Projekts überwögen die Risiken klar.

Als «riesig und riskant» bezeichnete dagegen ein Wirt aus dem betroffenen Bergtal das Projekt. Eine Votantin befürchtete wegen des Projekts eine «Strahlenseuche» und eine Zerstörung von «Lebenenergie-Tankstellen». Andere zweifelten die Wirtschaftlichkeit und den ökologischen Nutzen von Solarstrom an.

Lauter Applaus brandete ihnen entgegen. Ebenso beklatscht wurde allerdings das überraschende Schlussvotum von Philippe Heinzer, Leiter Energie beim EWZ: Er bat um Entschuldigung für die «Zerreissprobe», vor die das Projekt die Gemeinde gestellt hatte. Es wirkte schon fast wie das Eingeständnis seiner bevorstehenden Niederlage.

Am Ende war das Resultat deutlich: 378 von 553 Anwesenden stimmten gegen das Projekt. Damit ist es vom Tisch. Der EWZ-Projektleiter, der in einer geradezu Freudschen Wendung von einer «emotions-, äh, emissionsfreien Produktion» geschwärmt hatte, wird seine wie auch die Solarträume der Stadt Zürich damit voraussichtlich nicht in die Realität umsetzen können. Zumindest nicht in diesem Bergtal.

Einigkeit dürfte damit in die Gemeinde Surses allerdings nicht eingekehrt sein. Denn schon in den nächsten Jahren bahnt sich eine neue Energiediskussion an, wieder mit dem EWZ in der Hauptrolle. Surses hat sich nämlich erst vor gut einer Woche entschieden, die Wasserkonzession mit dem Zürcher Energieriesen nicht automatisch zu verlängern, sondern neu zu verhandeln.