Polizeieinsatz um Martin Sellner: Aargauer Polizei begründet Vorgehen auch mit seinen «Verbindungen zu gewaltbereiten Rechtsterroristen»

Eine Einreisesperre gegen den prominenten Österreicher gab es nicht.

Tobias Marti 3 min
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War in der Schweiz und wurde von der Polizei abgeführt: Martin Sellner, rechtsextremer Aktivist aus Österreich.

War in der Schweiz und wurde von der Polizei abgeführt: Martin Sellner, rechtsextremer Aktivist aus Österreich.

Alex Halada / Imago

Der österreichische Rechtsextremist und Buchautor Martin Sellner hätte am Samstagabend im aargauischen Tegerfelden einen Vortrag über «ethnische Wahl und Remigration» halten wollen, wurde aber von der Polizei mitgenommen. Eingeladen hatte ihn die rechtsextreme Gruppierung Junge Tat.

Die Aargauer Polizei begründete am Sonntag die Massnahme polizeitaktisch. Sellner sei «zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Konfrontationen mit Personen der Gegenseite» angehalten und weggewiesen worden. Die Veranstaltung sei aufgelöst worden, nachdem die Organisatoren sie nicht selbst hätten beenden wollen. Gleichzeitig habe man eine Anreise politischer Gegner verhindern können, so die Polizei weiter.

Sellner und seine Kreise wittern hinter dem Einsatz politische Gründe, sie sehen gar die Rede- und Versammlungsfreiheit unterdrückt. Der Vorfall fand auch international einige Beachtung, weil der amerikanische Tech-Milliardär Elon Musk sich auf X mit der Frage einbrachte, ob der Einsatz überhaupt legal gewesen sei.

In den sozialen Netzwerken wurde zudem diskutiert, ob die Veranstaltung nicht vor politischen Gegnern hätte geschützt werden müssen. Corina Winkler, Sprecherin der Kantonspolizei Aargau, sagt am Montag zur NZZ, dies greife zu kurz, die Risikobeurteilung sei umfassender gewesen und habe Lageentwicklungen beinhaltet. «Man findet mittels Open-Source-Recherche durchaus eine Verbindung von dieser Person zu gewaltbereiten Rechtsterroristen.»

Man könne darum nicht sagen, dass im Umfeld der Veranstalter kein Gewaltbezug vorhanden gewesen sei, sagt die Sprecherin weiter. Zudem habe die Vermieterin des Lokals – das Weinmuseum Aargau – den Mietvertrag nach Vorliegen aller Informationen zurückgezogen.

Aufseiten des Bundes schweigt man am Montag dazu, ob gegen Sellner eine Einreisesperre vorgelegen hatte. Grundsätzlich kann die Bundespolizei Fedpol Einreisesperren zum Schutz der inneren oder äusseren Sicherheit verfügen. Das Fedpol teilt auf Anfrage mit, allein eine radikale oder extreme Gesinnung reiche nicht als Rechtfertigung präventiv-polizeilicher Massnahmen aus.

Zuvor hatte sich der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr in den Tamedia-Zeitungen geäussert: «Bedauerlicherweise hat der Bund darauf verzichtet, rechtzeitig eine Einreisesperre zu verhängen.» Die kantonalen Polizeikräfte hätten angesichts der steigenden Deliktzahlen Gescheiteres zu tun, als provokative Veranstaltungen von Rechtsextremen zu verhindern. Fehr: «Solche Veranstaltungen müssen vom Bund durch Einreisesperren im Keim erstickt werden.»

Corina Winkler von der Kantonspolizei Aargau bestätigt, dass man am Samstag im Rahmen der Personenkontrolle im Polizeifahndungssystem geprüft habe, ob eine Einreisesperre gegen Sellner vorliege. Dies war offensichtlich nicht der Fall.

Denn nachdem Sellner den Polizeiposten Baden wieder hatte verlassen dürfen, wurde er lediglich aus dem Kanton Aargau weggewiesen. Die Polizei eskortierte ihn bis in den Kanton Zürich. Hätte eine Einreisesperre vorgelegen, wäre Sellner an die Landes- und nicht nur an die Kantonsgrenze gebracht worden. Das nötige Personal wäre vorhanden gewesen, beim Einsatz in Tegerfelden war auch das Grenzwachtkorps vor Ort.

Hintergrund der Aufregung rund um Sellner ist die Veröffentlichung des Recherchenetzwerks Correctiv. Anfang Januar wurde bekannt, dass Sellner im November in Potsdam vor Unternehmern und Mitgliedern der AfD und der CDU über «Remigration» gesprochen hatte. Der Begriff steht für die Massenausschaffung von Ausländern – ein Konzept, über das der neurechte Aktivist bereits ausführlich publiziert hat.

Bern verhängte in der Vergangenheit immer wieder Einreisesperren. Die entscheidende Richtschnur dabei ist, ob von der betreffenden Person ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz ausgeht. So gab es Sperren gegen Personen, die einen islamistischen Hintergrund hatten.

Auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann ein Grund sein. Ein Beispiel dafür sind Personen, von denen man annimmt, dass sie an einer Veranstaltung randalieren.

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erklärte sich im Vorfeld für nicht zuständig. Personen, die sich ideologisch oder politisch radikalisierten, fielen erst dann in sein Aufgabengebiet, wenn ein konkreter Gewaltbezug feststellbar sei. Allein die Tatsache, dass jemand Neonazi oder Anarchist sei, genüge mithin nicht, damit der NDB mit Blick auf anstehende Ereignisse präventiv tätig werde.