Freihung
23.01.2023 - 16:40 Uhr
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Freihung klagt wegen der jahrhundertelangen Belastung mit Blei

Über Jahrhunderte hinweg wurde im Gemeindegebiet von Freihung Bleierz gefördert. Die negativen Folgen davon spürt der Markt bis zum heutigen Tag. Jetzt wird die Angelegenheit ein Fall für das Verwaltungsgericht.

Wann genau der Abbau von Bleierz im Gemeindegebiet von Freihung begonnen hat, ist nicht zweifelsfrei überliefert. Möglicherweise geht aber die Existenz der erstmals 1427 urkundlich erwähnten Ortschaft auf diese Tatsache zurück. Über Jahrhunderte hinweg wurde gegraben, wurden Stollen angelegt und der wertvolle Rohstoff gewonnen. 1890 musste der industrielle Bergbau in der Grube Vesuv aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden, 1891 brannten die Grubengebäude ab. 1937 ordnete das Reichswirtschaftsministerium die erneute Erkundung der reichen Freihunger Lagerstätten an. Und so legten zwischen 1940 und 1945 die Bayerischen Berg-, Hütten und Salzwerke AG (BHS), eine 100-prozentige Tochter des Freistaates, vier Erkundungsstollen an. Das Kriegsende 1945 beendete allerdings diese Maßnahmen.

Was normalerweise heute allenfalls ein Fall für Historiker und Heimatforscher wäre, beschäftigt jetzt tatsächlich das Verwaltungsgericht. Dort klagt der Markt Freihung gegen den Freistaat Bayern wegen "Bergrechtlicher Zulassung". Beigeladen zur Verhandlung, die für Donnerstag in Regensburg angesetzt ist, ist die Evonik Operations GmbH mit Sitz in Essen. Bei der Klage geht es im Prinzip um den Abschlussbetriebsplan, den die Evonik Degussa als Rechtsnachfolger der BHS an dieser Stelle für deren Erkundungsbergwerk erstellt hat. Der damalige Bürgermeister Norbert Bücherl und mit ihm der Gemeinderat bemängelte, dass sich der Betriebsplan ausschließlich auf die Tätigkeiten zwischen 1940 und 1945 beschränkte und nicht das gesamte Bergwerksgelände umfasse, das sich bis heute entlang des Ortsteils Elbart erstreckt.

Bergamt ist zufrieden

Während der Gemeinderat seine Zustimmung folgerichtig verweigerte, erteilte das zuständige Bergamt Nord, das bei der Regierung von Oberfranken in Bayreuth angesiedelt ist, seine Zustimmung. "Für die endgültige Einstellung des Bleierz-Erkundungsbergwerks hat die Evonik Degussa GmbH entsprechend § 53 Bundesberggesetz einen sog. Abschlussbetriebsplan erstellt. Diesen hat die Regierung von Oberfranken - Bergamt Nordbayern - mit Bescheid vom 05.12.2018 zugelassen", teil die Regierung von Oberfranken auf Anfrage von Oberpfalz-Medien mit. "Der Abschlussbetriebsplan sieht vor, die im Rahmen der endgültigen Einstellung des Erkundungsbergwerks gehörenden Tagesöffnungen (Schächte, u.a.m.) dauerhaft zu sichern. Daneben sollen die Grubenwasserableitung saniert und diverse Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Gestaltung der vom Erkundungsbergwerk in Anspruch genommenen Fläche durchgeführt werden." Soweit das Bergamt.

Im Prinzip, so ergänzt die Pressesprecherin der Regierung von Oberfranken, Sabine Kerner, gehe es der Gemeinde Freihung in ihrer Klage um die Abgrenzung des Erkundungsbergwerks "Freihung" von dem im Jahre 1890 eingestellten Bergwerk "Vesuv" und den Uraltbergbau, der bis ins 15. Jahrhundert zurück reicht. Die vom Gericht zu klärende Frage sei, ob - und wenn ja, inwieweit - der Evonik Degussa GmbH ein Verursachungsbeitrag von Auswirkungen aus dem Alt- und Uraltbergbau zuzurechnen ist. Dazu gehöre unter anderem die Bleifracht im Ringelmühlbach, die letztlich aus dem Alt- und Uraltbergbau resultiere.

Evonik: Nicht mehr zuständig

Nachfrage bei der Evonik AG in Essen, einem Nachfolgeunternehmen der Ruhrkohle AG. "Unser Konzern ist aus einer Vielzahl von Vorgängerunternehmen entstanden. Zu diesen gehört unter anderem auch die BHS AG. Diese hatte bergbauliche Erkundungsarbeiten durchgeführt, die im Prozess thematisiert werden. Eigentümer der Grubenfelder ist der Freistaat Bayern." Soweit die Antwort von Konzernsprecher Jörg Wagner, der sich aber daran erinnert, dass die Evonik tatsächlich an das Freihunger Bergwerk gekommen ist, weil die Degussa AG, die in den 1990er-Jahren die SKW Trostberg AG, den Rechtsnachfolger der BHS, erworben hatte, 2003/06 selbst in den Ruhrkohlekonzern eingegliedert wurde. Doch für Evonik ist mit dem genehmigen Abschlussbericht die Sache erledigt.

Während Bergamt und Evonik sich in juristischen Feinheiten bewegen, hat Freihungs Bürgermeister Uwe König sehr bodenständige Motive. Zwar hat König den Fall von seinem Amtsvorgänger Norbert Bücherl "geerbt". Doch die Beweggründe sind die gleichen geblieben: Die Gemeinde Freihung hat ein Problem mit Blei. Nicht überall, aber auch an den Stellen, an denen eine Erweiterung und Entwicklung möglich und gewünscht wäre. Konkret bedeutet das nach Aussage des Bürgermeisters, dass man hier - um beispielsweise Bauland zu gewinnen - die bleibelasteten Flächen abtragen und entsorgen müsste. "Das kostet uns aber locker mal 100 Euro pro Tonne." Günstiges Bauland ist laut König damit aber nicht zu schaffen.

"Leider null Toleranzgrenze"

Wie Freihungs Bürgermeister sagt, kommt auf diese Grundbelastung aber noch ein Tüpfelchen obendrauf. Aus einem der alten Stollen dringe auch heute noch bleibelastetes Wasser in den Ringelmühlbach und weiter in die Vils. Das ist zu viel für Uwe König und die Gemeinde. Zwar würden dabei die offiziellen Grenzwerte eingehalten. "Aber jede Belastung zusätzlich ist mir eine Belastung zu viel", erinnert König an die intensive Teichwirtschaft entlang des Ringelmühlbachs. "Ich will die Bevölkerung und die Natur schützen", sagt der Bürgermeister und fordert gleichzeitig, dass etwas gegen den Bleieintrag in den Bach getan wird. Und nach Einschätzung der Gemeinde ist das Aufgabe des Freistaats und der Evonik AG - oder einer ihrer Untergesellschaften. "Und ich habe da leider null Toleranzgrenze", macht Uwe König deutlich.

"Wir leben mit der Bleibelastung - und wir wissen das", macht König deutlich, dass sich die Freihunger ihrer Sondersituation durchaus bewusst sind. Trotzdem will die für den Ringelmühlbach zuständige Gemeinde nicht auch noch für die Kosten der Bleibeseitigung aufkommen müssen. Deshalb also die Klage vor dem Verwaltungsgericht. "Wenn das Verwaltungsgericht die Klage abweist, kann ich wenigstens meinen Bürgern sagen, dass ich alles versucht habe", sagt Bürgermeister Uwe König. Insgeheim hofft er aber natürlich, dass Freihung gewinnt. Mündliche Verhandlung ist am Donnerstag, 26. Januar, um 9 Uhr vor der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg unter Vorsitz von Herbert Straubmeier.

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Freihung27.01.2023
Hintergrund:

Von den Anfängen des Bleibergbaus zur Evonik AG

  • Die Anfänge des Freihunger Bleibergbau gehen wohl auf das 14. oder 15. Jahrhundert zurück
  • Bis 1890 beutet die Bavarian Lead Mining Ltd, eine Gesellschaft nach englischem Recht, die Grube Vesuv aus
  • Von 1940 bis 1945 untersucht die BHS AG, ein bayerisches Staatsunternehmen, in einem Erkundungsbergwerk ob die Freihunger Bleierzgruben erneut ausgebeutet werden können
  • Mit dem Kriegsende 1945 endet der Bergbau, die Grube säuft ab, weil die Wasserpumpen in Sulzbach-Rosenberg benötigt werden
  • In den 1950er Jahren gibt es einzelne Überlegungen, den Bergbau wieder zu starten. Letztlich rentiert sich das aber nicht
  • 1988 Beginn der Umstrukturierung der Bayerischen Berg-, Hütten- und Salzwerke AG (BHS)
  • 1992 verkauft der Freistaat seine Aktien für 122 Millionen DM an die SKW Trostberg AG
  • 2001 schließen sich die Degussa-Hüls AG und die SKW Trostberg AG zur „neuen“ Degussa AG in Düsseldorf zusammen
  • 2003 bis 2006 übernimmt der Essener Ruhrkohle AG-Konzern die Degussa AG
  • 2007 Auslagerung der Chemie-Bereiche der Ruhrkohle AG in die Evonik AG - das Erkundungsbergwerk Freihung kommt zu Evonik
  • 2018 genehmigt das Bergamt Nord den Abschlussbetriebsplan der Evonik Degussa GmbH für das Versuchsbergwerk
  • Daraufhin Klage der Gemeinde Freihung gegen diese Genehmigung
 
 

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