1. Startseite
  2. Region
  3. Dreieich

Von rotzfrech bis ganz hart an der Grenze

KommentareDrucken

Florian Schroeder (links) und Volkmar Staub lieferten einen Jahresrückblick aus ihrer Sicht ab.
Florian Schroeder (links) und Volkmar Staub lieferten einen Jahresrückblick aus ihrer Sicht ab. © op-online

Dreieich ‐ Es muss schon etwas mit der Affinität zu den eigenen Landsleuten zu tun haben, die Florian Schroeder und seinen Noch-Landesvater Günther Oettinger miteinander verbindet. Von Klaus Hellweg

Zumindest hat es der bisherige baden-württembergische Ministerpräsident – auf dem politischen Parkett eine eher farblose Figur – geschafft, sich in die Riege derer hoch zu arbeiten, die zu den bevorzugten Opfern des Lästermauls Schroeder gehören. Seitdem Edmund Stoiber mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden ist, gibt es ja kaum noch jemanden, an dessen sprachlichem Stakkato sich ein Kabarettist wie der 30-Jährige aus Lörrach abarbeiten kann – und zwar in einer Weise, die sehr viel mit Rotzigkeit zu tun hat, mit total überdrehtem Imitieren – und die doch wunderbar trifft, weil sie gnadenlos bloßstellt.

Im sechsten Jahr hintereinander touren Schroeder und sein 57-jähriger Kompagnon Volkmar Staub nach der Jahreswende durch Deutschlands kleinere, manchmal auch größere Hallen und bieten ihren kabarettistischen Jahresrückblick „Zugabe“. Nun eben auch im Sprendlinger Bürgerhaus, mit knapp 300 verkauften Karten gut gefüllt.

Zwischen Sprachwitz und doppeldeutigem Spiel

Aber Oettinger, der sich schon im voran gegangenen (damals dank seiner Rede bei der Bambi-Verleihung) als Sprachgenie verspotten lassen musste, diente nur als Vorlage für eine kleine, wenngleich ausgesprochen gut gelungene Sequenz im zweistündigen Programm.

Schroeders und Staubs Jahresrückblick ist fast durchweg ein kräftiges Abwatschen der bundesdeutschen Politikerfiguren, angesiedelt zwischen Satire und Parodie, zwischen manchmal schon genialem Sprachwitz und doppeldeutigem Spiel mit Worten.

Arbeitslosigkeit hilft Lohnsteuer zu senken

Sie sitzen auf Chefsesseln hinter Tischen im Retro-Look der 30er Jahre und lassen mal ihren Spott, dann wieder ihre tieferen Einsichten los. Sie ulken über die hausgemachte Schweinegrippe-Hysterie, erkennen in der Arbeitslosigkeit den einzig wahren Weg zur Senkung der Lohnsteuer – und sind dann schwuppdiwupp (Stichwort: „Mehr Netto vom Brutto“) bei der FDP. Und bei so manchem fiesen Ausspruch. Da wird aus dem neuen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle wegen seiner Atompolitik das „schnelle Brüterle“. Und Staub vergackeiert den Außenminister in einem auf Rock’n’Roll frisierten Song: „Ich will keinen Westerwelle, ich will lieber MA-O-AM“. Ob’s Trude Herr, die vor exakt 50 Jahren das Original lieferte („Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann“) gefallen hätte? Egal.

Hohn und Spott traf die Akteure der Tigerenten-Koalition en masse: Hier der „uncoole“ Verteidigungsminister zu Guttenberg, weil er unter seinem AC/DC-T-Shirt ein weißes Hemd trägt, da Roland Koch, der lieber in Wiesbaden bleibt statt nach Berlin zu wechseln – wegen der Nähe zu Mainz, falls es da wieder einen Chefredakteur abzusägen gibt.

Manche Doppeldeutigkeit kommt dann aber auch ein wenig grenzwertig daher: etwa der Hinweis auf den Papst, der bei seiner Israelreise die Juden missioniert hat „bis zur Vergasung“. Oder der Blick auf die letztjährigen Eskapaden von Italiens Ministerpräsident Berlusconi: Der sollte aufgehängt oder an die Wand gestellt werden – selbstverständlich als Bild.

Kanzlerin nur eine Randnotiz

Das Programm, das diesmal nur ganz wenige Untiefen hat, dafür aber umso mehr Kalauer (Beispiel: Islam muss richtig ,Iss Lamm’ ausgesprochen werden, weil die Muslime kein Schweinefleisch essen dürfen) lebt zwei Stunden lang von Schroeders unnachahmlichen Politiker-Parodien einerseits und Staubs Wortspielereien andererseits.

Klar, dass auch Frank-Walter Steinmeier als das Alter Ego von Gerhard Schröder, dass Münte und Andrea Nahles kräftig einen abbekommen, doch das lassen wir an dieser Stelle unberücksichtigt. Die SPD hat’s eh schon schwer genug.

Nur dass die „Perle der Uckermark“, Angie Merkel, bei Schroeder diesmal so wenig Beachtung fand, das ist schade. Dabei gibt es keinen anderen als ihn, der so genial die Mundwinkel herunter ziehen und gleichzeitig die Schultern heben kann wie Angie. Doch ansonsten war’s klasse.

Und da verzeiht man den beiden auch, dass sie wie Hausierer auf der Bühne Reklame machen für ihre CDs, Tassen und was sie nach der Vorstellung sonst alles verkaufen. Sind eben  doch – siehe oben – echte Schwaben.

Auch interessant

Kommentare