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Es wird wieder laut im Terminal

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Montagsdemo im Terminal 1: Ein Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen sagte, die Demonstranten wollten zumindest bis Jahresende protestieren. „Fernziel“ sei die nächste Landtagswahl, die wahrscheinlich Ende 2013 sein wird.
Montagsdemo im Terminal 1: Ein Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen sagte, die Demonstranten wollten zumindest bis Jahresende protestieren. „Fernziel“ sei die nächste Landtagswahl, die wahrscheinlich Ende 2013 sein wird. © Sauda

Frankfurt - Hasan Aggül verliert keine Zeit. Schon kurz bevor er den Ort der Demonstration erreicht, schlägt er kräftig die große Trommel, die er an zwei Gurten vor seinem Bauch trägt. Von Sebastian Faerber

Die wenigen Neuen sind kurz darauf enttarnt: Hastig beginnen einige, in ihren Hosen- und Handtaschen zu kramen. Eine junge Frau im lilafarbenen Top findet nach einigem Gewühl ein Päckchen Tempos. Das bloße Auffinden entspannt ihr zusammengekniffenes Gesicht. Schnell ist eines der weißen Tücher zerrissen, zusammengeknäult und verschwindet als Pfropfen im Ohr. Die alten Hasen haben dagegen längst ihr Ohropax eingelegt.

Es ist wieder laut im Terminal 1. Nach der Sommerpause sind die Fluglärmgegner mit ihren Montagsdemonstrationen zurück am Flughafen Frankfurt. Zum insgesamt 29. Mal seit der Eröffnung der neuen Landebahn im vergangenen Herbst. In Anbetracht anderer Proteste hätten der lange Zeitraum und die Pause die Bewegung aus diversen Bürgerinitiativen in ihrer Stärke durchaus schwächen können. Aber es sind nicht weniger geworden, rund 2 000 sind gekommen. Darunter auch Offenbachs Oberbürgermeister Horst Schneider.

Nach einer Ansprache und einer Rede ziehen die Demonstranten in einem kleinen Protestzug durch das Gebäude, halten Schilder mit Aufschriften wie „Leben ohne Lärmterror“ in die Luft, pfeifen und machen ihrem Unmut Luft. Vorbei an Schaltern mit wartenden Passagieren, denen angesichts des Lärms die Umsetzung des Werbespruchs „Boarding. Flying. Smiling“, der groß über einer Anzeigetafel steht, sichtlich schwerfällt: Mit den Fingern in den Ohren und verkniffenen Gesichtern beobachten sie, wie der Tross mit Trommler Hasan an der Spitze an ihnen vorüber zieht.

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So wenig, wie sich die Zahl der Demonstranten geändert hat, haben sich die Forderungen geändert: Für ein absolutes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und die Begrenzung der Flugbewegungen plädieren viele der hochgehaltenen Schilder. Momentan dürfen die Flieger nicht zwischen 23 und 5 Uhr starten und landen. Über die Beweggründe für ihre Forderung herrscht in den Reihen der Demonstranten weitgehend Einigkeit: Sie streiten für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit, und dass ihre Gesundheit nicht der „Profitgier von Konzernen“ zum Opfer fällt.

„So, wie uns der Fluglärm zuhause stört, so tragen wir ihn hierher zurück“, sagt eine Demonstrantin und schlägt mit einem Kochlöffel auf eine leere Waschmittel-Flasche. Und das im Terminal 1, auf Tuchfühlung mit Gegner Fraport. Sollte der den Flughafen als sein Wohnzimmer betrachten, dürfte er sich ähnlich belästigt fühlen, wie die Anwohner rund um das Luftfahrtskreuz.

Denn etwa Hasan Aggül aus Flörsheim scheint zwar ein sympathischer Kerl zu sein und ab und an muss er so viele Hände schütteln, dass er kaum noch zum Trommeln kommt. Aber den 52-Jährigen und sein Instrument, eine Davul von rund 80 Zentimetern Durchmesser, möchte man sicher nicht vorm heimischen Sofa haben. Zwei Fell-Bezüge seiner Trommel hat er bei den Montagsdemonstrationen bereits zum Reißen gebracht.

Fluglärm stört Unterricht

„Natürlich brauchen wir den Flughafen“, sagt Aggül. Aber die neue Landebahn sei seiner Meinung nach überflüssig. „Die macht bloß die Region kaputt.“ Vom sechsjährigen Sohn des Neffen wisse er, dass beispielsweise die Schüler unter dem Getöse der Flieger zu leiden haben. „Er hat mir erzählt, dass er die Lehrerin manchmal kaum verstehen kann“, sagt Hasan, schaut kurz etwas traurig auf den Boden und bewegt sich dann in die Mitte eines Kreises Demonstranten. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Ruhe klaut“, singen die Umstehenden zum Takt von Hasans Schlägen.

Eine der Umstehenden ist Barbara Bahlk. Sie hält ein Banner mit der Aufschrift „Fraport, der Klimakiller der Region“ hoch. „Ich habe mich schon darauf gefreut, dass es wieder losgeht, sagt die Sachsenhäuserin. Hat sie im Sommer Freunde zu Besuch in ihrem Garten, pflanzt Obst an oder möchte entspannen, erinnern sie nicht nur die Schatten der Flieger an die Nachbarschaft zum Flughafen. Durch den Lärm finde sie keine Ruhe. Dabei sei das doch der Grund, warum sie sich das Stück Grün einst zugelegt hatte. „In einer ohnehin lauten und hektischen Stadt wie Frankfurt ist so etwas sehr wichtig“, sagt die 55-Jährige. Inzwischen denke sie darüber nach, ihren Garten aufzugeben.

Fraport muss Montagsdemos dulden

Dass sie überhaupt im Terminal demonstrieren dürfen, haben die Fluglärmgegner Abschiebungsgegnerin Julia Kümmel zu verdanken, die neben anderen als Rednerin vor die Protestler tritt. Sie hatte jahrelang für ein Demonstrationsrecht im Frankfurter Flughafen prozessiert und 2011 vom Bundesverfassungsgericht recht bekommen. Damit muss Flughafenbetreiber Fraport auch die Montagsdemos in seinem Terminal dulden. Für ihre Hartnäckigkeit vor den Gerichten erntet sie anerkennenden Applaus der Umstehenden.

Immer lautstark unterstützt von Hasan Aggül und seiner Trommel. Und das soll auch bei den künftigen Montagsdemonstrationen so bleiben: Zwar hat er einige Felle seiner Trommel bereits durchgehauen, „ich hab mir jetzt aber sechs Stück auf Vorrat bestellt“, sagt er, grinst und haut kräftig zu.

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