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Historischer Fund: Bauarbeiten fördern unterirdische Überraschung zutage

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Gute 3,50 Meter ist sie breit: Stadtarchivar Heribert Gött begutachtet die historische rote Steinstraße, die bei den Bauarbeiten in Langen zutage trat. Ihr Ursprung ist nicht ganz gewiss.
Gute 3,50 Meter ist sie breit: Stadtarchivar Heribert Gött begutachtet die historische rote Steinstraße, die bei den Bauarbeiten in Langen zutage trat. Ihr Ursprung ist nicht ganz gewiss. © Werner

Im Norden von Langen wird derzeit ein Neubaugebiet erschlossen. Dabei wurde eine gepflasterte Straße zutage gefördert, die wahrscheinlich vor mehr als 100 Jahren gebaut wurde.

Langen – Das Neubaugebiet Liebigstraße im Norden von Langen, das derzeit von der Entwicklungsgesellschaft Bonava erschlossen wird, hat den Langener Heimatkundigen Reinhold Werner und den ehrenamtlichen Stadtarchivar Heribert Gött bereits im Jahr 2018 auf den Plan gerufen. Nun haben sie etwas Interessantes unter der Erde entdeckt. Die Heimatkundigen führten – in Absprache mit der Baugesellschaft und der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises – Forschungen nach einer dort vermuteten Römerstraße durch. Ein befreundeter Sondengänger mit Nachforschungsgenehmigung vom Landesamt für Denkmalpflege half ihnen dabei.

Bei einer ersten großräumigen Begehung konnte die Gruppe nur verschiedene „Kleinfunde“ bergen, die aber auf eine Jahrhunderte währende Nutzung des Geländes hinwiesen. Mit dem Bauträger vereinbarten Werner und Gött, dass sie das Gelände erneut mit dem lizensierten Sondengänger untersuchen dürfen, wenn die asphaltierte Straße abgetragen wird, die das frühere Gartengelände durchschneidet. Diese Straße ist der alte Schnainweg, der nach Norden in die Kirchschneise übergeht und zum früheren Forsthaus Mitteldick führt, dem heutigen Zeppelinheim. Von dort verläuft der Weg bis nach Kelsterbach.

Der Heimatforscher und Bodendenkmalpfleger Karl Nahrgang vermutete unter dieser Straße eine ehemalige Römerstraße, die er in seinem „Atlas für Siedlungskunde“ aus dem Jahr 1954 auch verzeichnete. Römische Grabungsfunde, die im Langener Stadtmuseum im Alten Rathaus aufbewahrt werden, bestätigen seine Vermutungen über römische Siedlungsspuren im Langener Stadtgebiet.

Kürzlich begann der Bauträger dann damit, den Asphaltbelag zu entfernen. Und siehe da: Zur großen Überraschung aller Beteiligten fand sich darunter eine gepflasterte Straße. Die Bauarbeiten wurden sofort eingestellt und die Langener Heimatkundigen, die Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises Offenbach und das Landesamt für Denkmalpflege in Darmstadt benachrichtigt. Übereinstimmend kamen alle nach mehreren Ortsbegehungen und Untersuchungen jedoch zu der Ansicht, dass es sich keinesfalls um die erhoffte römische Straße handeln könne.

Langen: Gefertigt aus „Langener Rotliegendem“

Die Straße, die schnurgerade durch das Gelände führt, wird heute durch die Nordumgehung unterbrochen und führt auf der anderen Seite dann zum Bahnübergang Neurott. „Interessanterweise zeigt sich die Straße als ein sehr gut angelegtes Stück handwerklicher Arbeit“, betont Reinhold Werner. Sie ist aus „Langener Rotliegendem“ gefertigt, etwa 3,50 Meter breit und von solide behauenen, zirka 15 Zentimeter langen Randsteinen begrenzt. Für die Vermutung, dass die Straße zur NS-Zeit angelegt wurde, da Nahrgang in seinem Atlas mindestens zwei Flakscheinwerferstellungen verzeichnete, lassen sich laut den Langener Heimatkundigen keine Belege finden.

Sie haben eine andere Vermutung: Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe Johannes Hillerich, der seit 1899 Oberförster im Forsthaus Mitteldick war, diesen Straßenausbau veranlasst. Hillerich war auch seit 1900 im Vorstand des Verkehrs- und Verschönerungsvereins und ein sehr rühriger Zeitgenosse, der später in Langen das Forsthaus in der Koberstadt bezog. Er ließ 1910 den Weg vom Forsthaus in Richtung Langen „chaussieren“, dafür finden sich Belege im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt und im Langener Wochenblatt von 1910. Auch der Münzfund eines Reichspfennigs aus dem Prägejahr 1876 verstärkt diese Vermutung.

Die Maßangaben für den Straßenbau vor Ort sind mit den vorhandenen Plänen und Ausführungen identisch. Die Kirchschneise, die im Norden an den Schnainweg angrenzt, wurde jedoch mit Basalt gepflastert, die Weiterführung im Schnainweg mit dem in Langen reichlich vorhandenen Rotliegenden.

Denkmalschutzbehörde hat wissenschaftliche Dokumentation über Fund aus Langen erstellt

Gesine Weber und ihre Kollegin Nunzia Macchiarella von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises haben über diesen Fund eine wissenschaftliche Dokumentation erstellt und bei ihren Forschungen, die aufmerksam von den Langener Heimatkundigen begleitet wurden, die Straße näher untersucht. Sie kartierten sie und legten Querschnitte an. Dabei stellte sich heraus, dass ein Unterbau nicht vorhanden war, aber deutliche Wagenspuren unter dem Steinpflaster zu erkennen sind. Das lässt darauf schließen, dass der Weg schon seit früher Zeit als Fuhr- und Wanderweg genutzt wurde. Weber schreibt in ihrem Bericht: „Obwohl keine konkreten Belege einer tatsächlichen Römerstraße vorhanden sind, ist es nicht auszuschließen, dass sich an dieser Stelle eine solche befunden hat.“ Römerstraßen seien in dieser Umgebung nur in seltenen Fällen gepflastert, ergänzt sie: „Die Regel waren wohl einfache Kiesstraßen.“

Eine Karte aus dem Jahr 1912 zeigt den Verlauf des alten Schnainwegs (siehe Pfeil), der Richtung Nordwesten zum Forsthaus Mitteldick führte. Heute liegt dort Zeppelinheim.
Eine Karte aus dem Jahr 1912 zeigt den Verlauf des alten Schnainwegs (siehe Pfeil), der Richtung Nordwesten zum Forsthaus Mitteldick führte. Heute liegt dort Zeppelinheim. © -

Wenn auch die Römerstraße nicht gefunden wurde, hoffen Reinhold Werner und Heribert Gött, beim weiteren Ausbau des Geländes auf zusätzliche Funde zu stoßen – zumal die Denkmalpflege in diesem Gebiet auch eine steinzeitliche Siedlung vermutet. Sowohl die Bezeichnung „Römerquartier“ für das Baugebiet als auch die Namensgebung „Alte Römerstraße“ für die Erschließungsstraße im Quartier halten Werner und Gött für „eine wertvolle Bereicherung“. Die beiden Heimatkundigen betonen: „Sie erinnert an das kulturelle Erbe und mahnt uns immer wieder, behutsam damit umzugehen.“ (msc)

Langen: Weitere historische Funde in der Stadt

Bereits im Februar 2020 wurden bei Bauarbeiten in Langen historische Funde aus dem 17./18. Jahrhundert gemacht. Bei Kanalarbeiten wurden mehrere Scherben an der Ecke der Wassergasse/Vierhäusergasse entdeckt.

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