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Die evangelische Gemeinde Hochstadt muss das Gebäude schließen

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Von „Cafair“ über Juz bis Posaunenchor: Für alle im Hochstädter Gemeindehaus beheimateten Gruppen muss ein neues Zuhause gefunden werden. Die Gemeinde will das Gebäude Ende des Jahres schließen.
Von „Cafair“ über Juz bis Posaunenchor: Für alle im Hochstädter Gemeindehaus beheimateten Gruppen muss ein neues Zuhause gefunden werden. Die Gemeinde will das Gebäude Ende des Jahres schließen. © BETTINA MERKELBACH

Es ist eine Entwicklung, mit der Kirchen landauf landab kämpfen: Sie müssen bei steigenden Kosten und sinkenden Mitgliederzahlen ihre Gebäude erhalten. Die evangelische Kirchengemeinde in Hochstadt kann sich ihr Gemeindehaus nicht länger leisten und sucht nun eine neue Heimat für die vielen dort beheimateten Gruppen.

Maintal – Dass diese für die Gemeinde einschneidende Information so und zu diesem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit dringt, war nicht geplant: In einem Brief, der auf Facebook die Runde macht, teilt der Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde Hochstadt den Kindern, Jugendlichen und ihren Familien, die das Kinder- und Jugendzentrum Hochstadt regelmäßig besuchen, mit, dass die Kirche das Gemeindehaus verkaufen muss. Dieser, wie der Vorstand sagt, schweren Entscheidung war ein langer Prozess vorausgegangen, in dem die Gemeinde verschiedene Zukunftszenarien mit allen Nutzergruppen geprüft hatte (wir hatten berichtet).

Bei einer öffentlichen Gemeindeversammlung im Juni 2023 konnten die verschiedenen Gruppen ihre Ideen für die Zukunft des in die Jahre gekommenen Gebäudes am Wallgraben einbringen. Und das sind einige: Krabbel-, Turn- und Konfigruppe, Posaunenchor, Juz, musikalische Früherziehung, Nabu, Gemeindebüro, „Cafair“, Seniorengymnastik, Trauercafé, Ferienspiele und Kabarett. Für viele ist das Gemeindehaus Begegnungsort, Heimat und Teil der eigenen Geschichte. Obwohl man viele Impulse aus der Gemeindeversammlung und Gesprächen mitgenommen und „sorgsam“ mit Blick auf alle, die das Haus nutzen, geprüft habe, muss die Gemeinde das Gebäude zum 31. Dezember schließen und verkaufen.

700 000 Euro wären zur Sanierung des Gemeindehauses nötig

Denn letztlich kann sich die Gemeinde den Unterhalt und die Sanierung des großen, alten Gebäudes nicht leisten. 700 000 Euro wären Jahren nötig, um das Gebäude zu erhalten und zu sanieren. Die laufenden Mieteinnahmen, die Zuweisungen der Landeskirche und die Förderung des Landes als Familienzentrum reichten aber nicht aus, um das 885 Quadratmeter große Haus zu bewirtschaften, hatte der Kirchenvorstand bei der Gemeindeversammlung erklärt – ein Problem, mit dem die Hochstädter Gemeinde nicht alleine dasteht.

Kirchen landauf landab stehen vor der Herausforderung, steigende Gebäudekosten trotz sinkender Mitgliederzahlen aufzubringen. „Seit dem Bau des Gemeindehauses 1973 hat sich die Mitgliederzahl halbiert“, erklärte der Kirchenvorstand. Der Trend setze sich fort. Daher, prognostizierte die Gemeinde, würden die Zuweisungen der Landeskirche von fast 80 000 Euro 2022 bis 2027 auf 67 000 Euro schrumpfen. „Wir können dieses Haus nicht mehr finanzieren“, resümierte Pfarrerin Annegret Zander.

Die Öffentlichkeit soll Anfang der kommenden Woche mit einer Sonderausgabe des Gemeindebriefs informiert werden, der dem HANAUER ANZEIGER vorliegt. Dass die Information bereits vorab über Facebook geteilt wurde, war vom Kirchenvorstand nicht gewollt. Denn der Prozess, der letztlich zur Entscheidung geführt habe, das Gemeindehaus schließen und verkaufen zu müssen, sei komplex gewesen und ließe sich nicht in einem kurzen Kommentar abhandeln. Zudem ist die Hochstädter Pfarrerin bis Ende der kommenden Woche im Urlaub und will mit Gespräche mit Beteiligten führen.

Kirchenvorstand hat alle Optionen geprüft

Hinter dem Kirchenvorstand liegt eine intensive Phase, in der jeder Impuls aus der Gemeindeversammlung und den Gesprächen mit den Aktiven auf seine Machbarkeit hin überprüft worden sei. In zahlreichen Sitzungen, Treffen mit Vertretern des Kreises, der Bürgermeisterin, Vertretern der Stadt und der Maintal Immobiliengesellschaft, der Stadtverordnetenversammlung und der katholischen Kirchengemeinde St. Edith Stein habe der Vorstand Zahlen und Prognosen gesichtet und sich ein „umfassendes Bild erarbeitet“.

Dass viele Akteure, auch aus dem Kirchenvorstand, selbst unmittelbar von der Schließung betroffen sind und persönlich lange, bewegte Geschichten mit dem Gebäude verbinden, habe die Entscheidung umso schwieriger gemacht. Daher hoffe man auf einen respektvollen Umgang und Unterstützung, wenn es zu unangemessenen Kommentaren auf Facebook komme. Die Reaktionen in den Maintaler Gruppen sind größtenteils von Bedauern und Unverständnis geprägt. Warum die Stadt der Gemeinde nicht unter Arme greife, wird gefragt. Aber auch scheinbar fehlendes Engagement der Beteiligten klagt man an.

Dass davon jedoch keine Rede sein kann, zeugt der Gemeindebrief, der mehrere Optionen und die Gründe, warum letztlich keine davon in Frage kommt, darlegt. So habe sich der Elternverein Bischofsheim, Träger der Montessori-Kita auf der Suche nach einem neuen Gebäude für die Räumlichkeiten interessiert. Auch eine Kombinationsnutzung als Tagespflegeeinrichtung sei geprüft worden. Aber die Kosten für den dafür notwendigen Umbau hätten die Einnahmen bei weitem übertroffen, schreibt der Kirchenvorstand. Deshalb habe man diese Ideen verworfen.

Gemeindebrief informiert über Zukunft der kirchlichen Angebote

Auch ein Teilverkauf und eine Vereinsgründung hätten im Raum gestanden. Aber beides löse nicht das grundsätzliche Problem. Die laufenden Kosten beliefen sich auf 50 000 Euro pro Jahr, größtenteils für Personal und Energie. Die Mieten und freiwilligen Beiträge der Vereine deckten ein Fünftel davon ab. Die Förderung als Familienzentrum durch das Land sei fraglich. Die Zuführungen der Landeskirche würden ab 2026 um 25 Prozent gekürzt.

„Wir können uns nicht mehr leisten, was über Jahrzehnte selbstverständlich war: Selbst wenn wir die kostenlose Gastfreundschaft im Gemeindehaus beenden und die Mieten stark erhöhen würden, sind wir nicht in der Lage, die laufenden Kosten zu decken und sind am Ende unserer Möglichkeiten“, schreibt der Kirchenvorstand. Wie in Dörnigheim und Bischofsheim einen Neubau durch den Verkauf zu finanzieren, sei auch nicht möglich, weil die Landeskirche das Nutzungsrecht für das Grundstück hat und der Erlös zum größten Teil dorthin fließt.

Immerhin gibt der Gemeindebrief einen Ausblick, wo die im Gemeindehaus ansässigen Gruppen zukünftig unterkommen: Die Gemeinde St. Edith Stein habe den Gemeinderaum St. Bonifatius angeboten. Auch in Wachenbuchen könne Raum für die Hochstädter geschaffen werden. Und für die Kinder- und Jugendarbeit gebe es Ideen. Dazu sei die Gemeinde im Austausch mit der Stadt.

Von Bettina Merkelbach

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