1. Startseite
  2. Sport
  3. Kickers Offenbach

OFC-Boss Wagner: „Ein völlig legitimes Investitionsmittel“

KommentareDrucken

Rote Karte als Symbol der Einigkeit: Die OFC-Mitglieder stützen mit eindeutigem Votum den Weg des alten und neuen Präsidiums.
Rote Karte als Symbol der Einigkeit: Die OFC-Mitglieder stützen mit eindeutigem Votum den Weg des alten und neuen Präsidiums. © Hübner

Fananleihe, „Titankarte“ und „Schloss der Verbundenheit“: Kickers Offenbachs Präsident Joachim Wagner äußert sich zu den neuen Finanzierungsideen

Offenbach – Am Tag nach seiner Wiederwahl war Joachim Wagner noch immer beeindruckt vom gewaltigen Votum der Mitglieder des Fußball-Regionalligisten Kickers Offenbach. „Das gibt viel Energie“, sagte er mit Blick auf den Wahlausgang, der ihm zum dritten Mal in seiner Amtszeit keine einzige Gegenstimme einbrachte. Das Signal der Mitglieder schätzt Wagner hoch ein: „Wir sind eine geschlossene Einheit im Verein. Wenn man gerade in nicht so erfolgreichen Zeiten so geschlossen agiert, ist das ein gutes Zeichen.“

An Tag eins seiner dritten Amtsperiode blickte der Präsident gleich auf die nächsten Vorhaben und Aufgaben. Eine der drängendsten bleibt die Beschaffung von Geldern, die den Profifußballstandort Offenbach stärken. Als ambitionierter Regionalligist, als der sich der OFC weiterhin versteht, müsse es jedes Jahr aufs Neue gelingen, 1,5 Millionen Euro aufzutreiben, um das durch die Einnahmestruktur entstehende Defizit auszugleichen.

Wie das in den vergangenen beiden Jahre gelang, zeigte Sebastian Möller, Geschäftsführer Organisation und Finanzen, auf. Das Minus von 1,205 Millionen Euro in der Saison 2022/23 wurde durch die sogenannte disquotale Kapitalrücklage, aus der 545 000 Euro der Profi GmbH zuflossen, sowie 742 000 Euro über eine Stille Gesellschaft ausgeglichen.

Das Problem an diesem Konstrukt ist: Wie gelingt es, die Investoren Jahr für Jahr dazu zu bewegen, diese Gelder zur Verfügung zu stellen? Und welche Alternativen gibt es? Wagner skizzierte bei der Mitgliederversammlung erstmals eine neue Finanzierungsidee, die ab Sommer für spürbare Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum sorgen soll. Wagner arbeitet derzeit mit einem externen Partner an der Ausgestaltung einer Fananleihe. Ein Instrument, das bei vielen Profivereinen, vor allem solchen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, gang und gäbe ist, soll auch dem OFC wirtschaftlich helfen. „Das ist ein vollkommen legitimes Investitionsmittel“, betont Wagner. Er kündigte an, die Anleihe „ganz seriös aufzustellen“. Noch vor Ostern sollen die Gremien, also Aufsichtsrat, Verwaltungsrat und Gesellschafterversammlung des OFC, detailliert informiert werden und eine Abstimmung über die Einführung erfolgen, die für die Sommerpause geplant ist.

Dann wird auch feststehen, welche Zinsen über welchen Zeitraum zu welchen Konditionen in diesem Anleihepapier notiert sind. Wagner, selbst erfolgreicher Unternehmer und mit derlei Finanzinstrumenten bestens vertraut, zerstreut die Bedenken, die nach der Mitgliederversammlung aufkamen. „Das ist etwas ganz anderes als damals das TV-Anteilsmodell“, sagt er mit Blick auf jene Zeiten beim OFC, in denen gewissermaßen als Wette auf mögliche künftige TV-Erlöse investiert werden konnte.

Eine Fananleihe, die beispielsweise auch Klubs wie der 1. FC Kaiserslautern, der FC Schalke 04 oder der Hamburger SV aufgelegt haben, sei für Fans, Investoren und Sympathisanten des OFC die Möglichkeit, sich einzubringen. Die Investitionen sollen so auf mehr Schultern als bisher verteilt werden. Und gleichzeitig für mehr Planbarkeit sorgen. „Wir müssen davon wegkommen, immer im Nebel zu fahren“, sagt Wagner mit Blick auf die aktuelle Etatplanung, die im Frühjahr des Jahres für die neue Saison ansteht und seither immer von der Ungewissheit möglicher Einnahmen und der daraus folgenden Gewissheit geprägt ist: Am Ende der Saison muss ein „Delta“ geschlossen werden. Bislang waren das stets um die 1,2 Millionen Euro. Neben der Anleihe will der OFC gemeinsam mit den Fans weitere innovative Pläne verwirklichen. Eine weitere Idee kam direkt von den Fans und soll schon bald öffentlich kommuniziert werden. Demnach sollen 200 Karten als sogenannte „Titankarten“ für einen längeren Zeitraum exklusiv im Voraus zu erwerben sein. Auch die Aktion „Schloss der Verbundenheit“ wurde in Fankreisen kreiert. Kern der nicht näher kommunizierten Initiative soll ein Schulterschluss zwischen Fans und Verein sein, der als Symbol ein Schloss und nicht näher bezifferte Gegenwerte für Fans beinhalten soll. Beide Aktionen sollen schon bald starten. All diese Vorhaben dienen einem Ziel, erklärt Wagner: „Wir wollen uns perspektivischer aufstellen. Wir müssen es breiter machen.“ Damit nicht immer die üblichen Verdächtigen ihre Geldbeutel öffnen müssen.

Von Jörg Moll

KOMMENTAR: Versuch, Zukunft zu erkaufen

Das Votum der Mitglieder am Dienstagabend hatte Dimensionen, die an totalitäre Regime denken lassen. Doch bei Kickers Offenbach wird gesichert aus freiem Willen demokratisch abgestimmt. Insofern ist die Wiederwahl des OFC-Präsidiums ohne Gegenstimme durchaus ein starkes Zeichen. Doch insgeheim dürfte bei den mit so feinen Antennen ausgestatteten Mitgliedern die Erkenntnis gereift sein: Es ist eine Herkulesaufgabe, einen solchen Tanker in derart untiefen Gewässern wie der Regionalliga zu steuern. Dass nun erstmals eine Fananleihe als Finanzierungsmöglichkeit ins Spiel kommt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Motivation der Investorengruppen nach vier Jahren an Grenzen stößt. Präsident Joachim Wagner nennt das „breiter aufstellen“. Er hat, wenn es gut aufgesetzt ist, vermutlich recht, wenn er sagt, dass eine Anleihe nicht mit der bei OFC-Fans auf ewig eingebrannten Methodik der Ära Dieter Müller/Thomas Kalt vergleichbar ist. Damals wurde Zukunft verkauft. Heute ist es der Versuch, Zukunft zu erkaufen. (Von Jörg Moll)

Auch interessant

Kommentare