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„Rohrbrüche, Riesenverluste, Risikosysteme“: So schlimm steht es um Ramerbergs Wasser-Versorgung

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Die Wasserversorgung in Ramerberg ist ein großes Problem. Wie groß der Sanierungsstau ist, wurde bei einer Infoveranstaltung deutlich.
Die Wasserversorgung in Ramerberg ist ein großes Problem. Wie groß der Sanierungsstau ist, wurde bei einer Infoveranstaltung deutlich. © Huber/dpa/picturealliance

Trinkwasser in Ramerberg: Das Thema ist unpopulär. Die Lösung kostspielig. Wie groß die Probleme sind, das zeigt nun eine Risikoanalyse. Warum die Wasserversorgung schlechte Noten bekommt und sich der Experte gezwungen sah, Ramerberg die Leviten zu lesen.

Ramerberg – Das Ramerberger Trinkwasser: Ein unpopuläres Thema für die Gemeinde, dessen Lösung, wie es scheint, immer nur noch komplexer und kostspieliger wird. Diesen Eindruck konnten die Gäste zumindest bei der jüngsten Informationsveranstaltung im Gasthaus Bichler gewinnen.

Dass die Trinkwasserversorgung in Ramerberg problematisch ist, dürfte bekannt sein. 2020 musste hier für Monate gechlort werden, nachdem über 200 coliforme Keime im Wasser entdeckt wurden. Wie viele Keime es genau waren, ist nicht mehr nachvollziehbar, denn es war auf dem Mikroskop nicht mehr zählbar. Zudem hat die Gemeinde seit Jahren mit massiven Wasserverlusten zu kämpfen. Über 40 Prozent des von Edling bezogenen Wassers gingen beispielsweise im Jahr 2020 verloren. Eine massive Zahl, zum Vergleich: Vom Gesetzgeber werden bis zu zehn Prozent Wasserverlust akzeptiert.

Der Sanierungs-Stau wird noch Generationen beschäftigen

In den vergangenen Jahren habe sich jedoch viel getan, wie Bürgermeister Manfred Reithmeier den 75 Teilnehmern der Info-Veranstaltung am Freitag (12. April) im Gasthaus Bichler erklärte: Der Großteil der Totleitungen sei vom Netz genommen worden, lediglich drei seien noch übrig. Die Schieber an den Hausanschlüssen seien überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht worden. Die Leitungen, insbesondere die in Zellerreit-Unterfeld, wo der Wasserverlust stets am größten gewesen sei, seien erneuert worden. Und dennoch: Es ist nicht genug. Den Sanierungsstau, der sich bei der Ramerberger Trinkwasserversorgung angesammelt hat, werden wohl noch Generationen abarbeiten. Das wurde durch die Ausführungen von Burkhard Bittner, Ingenieur für Trinkwasserversorgung beim Büro PfK Ansbach, mehr als deutlich.

Bittner war von der Gemeinde für eine Risikoanalyse der Trinkwasserversorgung beauftragt worden. Diese muss nach neuen gesetzlichen Regelungen jede Gemeinde bis 2029 durchführen lassen. „Wir sind die ersten im Landkreis Rosenheim, die das jetzt getan haben“, erklärte Reithmeier mit Stolz. Die Ergebnisse allerdings: Alles andere als erfreulich, denn es hakt an allen Ecken und Enden. „Ich sage es mal so: Ramerberg hat ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt“, erklärte Bittner.

Die Probleme: praktisch überall

Die Probleme: praktisch überall. Angefangen bei der Personaldecke, die unzureichend sei, beim Stellenplan für den Arbeitsbereich Wasserversorgung, der fehle, beim Betriebsarzt, der nicht genannt sei, bei der technischen Ausstattung, die teils nicht vorhanden sei, über fehlendes Risikomanagement, nicht vorhandene Bedarfsberechnung und Qualitätsüberwachung, bis hin zum Wasserdruck, der in weiten Teilen der Gemeinde zu niedrig oder zu hoch sei. Ramerberg habe massive Probleme.

„Normalerweise sollte das Wasser mit drei bis vier Bar in Ihren Häusern ankommen, wir haben Stellen gemessen, wo er bei elf Bar lag“, erklärte Bittner. Das belaste die Leitungen natürlich massiv, sorge auch für die vielen Rohrbrüche, die es in der Gemeinde gebe. Das müsse sich dringend ändern. „An die 50 Prozent Wasserverlust sind nicht akzeptabel“, erklärte der Experte. Schließlich sei Wasser eine endliche Ressource. „Und wenn ich ehrlich bin, den Statistiken aus den Jahren vor 2020 glaube ich nicht.“ Wahrscheinlich, so die Meinung von Bittner, habe es auch damals schon weitaus höhere Verluste gegeben.

Ein Dorn im Auge war Bittner auch der Zustand der Ramerberger Rohre. „Um ein annehmbares Durchschnittsalter der Leitungen halten zu können, muss jedes Jahr etwa ein Anteil von zwei Prozent saniert werden“, so Bittner. In Ramerberg liege die Rate bei etwa 0,8 Prozent. Die Leitungen seien völlig überaltert. Es gebe weiterhin noch einige Totleitungen, sogar eine direkte Verbindung von Wasser zu Abwasser habe man gefunden. Der Hochbehälter in Eich, bei dem auch noch eine Druckerhöhungsanlage mit dran hänge, sei ein „Hochrisiko-System“, das „dringend wegmuss.“

Schlechte Noten für das System

Die gefundenen Risiken wurden von Bittner in ein Punktesystem mit Zahlen von null bis 25 eingetragen. Bei Risiken über zehn spreche man in der Fachwelt von „hohen Risiken“, die an das Gesundheitsamt gemeldet werden müssten. Ramerberg erreichte nach Angaben des Experten in keiner Bewertung unter zehn. Die personelle Situation bewerteten er und das Fachbüro mit 14,85, die qualitative und quantitative Versorgungssicherheit mit je 15,67 und 13,5 Punkten. Die technischen Vorgaben schnitten mit 10,45 noch am besten ab, das Verteilnetz wurde mit 15,03 Punkten bewerten. Das Management erhielt 20,5 und die Entstörungstellen 17,5 Punkte.

„Sie müssen akzeptieren, dass es Geld kostet“

Rigoros und ungeschönt zählte Bittner eine Problemstelle nach der anderen auf. Nicht allen im Publikum gefiel dies. „Das sind Vorgaben, die können wir doch niemals erfüllen“, regte sich ein Zuhörer auf. Bittner jedoch wollte solche Einwände nicht hören. Im Gegenteil, zwischenzeitlich ging der Experte sogar dazu über, den Ramerbergern die Leviten zu lesen. „Was ich hier in Ramerberg in den letzten Wochen erlebt habe, ist mir so noch nie untergekommen“, sagte Bittner. „Kommunalpolitische Grabenkämpfe“ würden auf dem Rücken der Wasserversorgung ausgetragen werden. „Dass die Wasserversorgung politisch so instrumentalisiert wird wie hier, habe ich noch nie erlebt“, sagte der Experte und verdeutlichte: „Das ist gefährlich.“ Wasser dürfe nicht zum Opfer politischer Auseinandersetzungen werden, die Gefahren seien zu hoch. „Sie müssen akzeptieren, dass Sie etwas für ihr Wassernetz tun müssen und dass es Geld kostet“, meinte Bittner. Ja, die Sanierung von Wassernetzen sei „unpopulär und wahnsinnig teuer“. Doch bei diesem Thema verstehe er „keinen Spaß.“ „Wasser ist unglaublich wichtig“, stellte der Experte fest. „Und sie müssen sich daran gewöhnen, dass der Wasserpreis steigt“, sagte Bittner. Preise von fünf bis 15 Euro pro Kubikmeter würden in Zukunft normal sein, nicht nur in Ramerberg.

Sanierung soll bis 2050 abgeschlossen sein

Doch wie den Sanierungsstau aufarbeiten? Die Gemeinde befinde sich seit vier Jahren auf einem „guten Weg“, doch die Aufarbeitung werde dauern, hieß es. Bittner sprach von einem 13-Punkte-Plan. Darunter: Druckregulierung, das weitere Verringern von Wasserverlusten, das Aufstellen einer Wasserbedarfsberechnung, den Abbau des Hochbehälters in Eich, eine vierteljährliche Beprobung des Wassers, eine Verbesserung der Ausstattung und: ein Beitritt zu einem Wasserzweckverband. Vor allem letzteres, so Bittner, würde das Gesundheitsamt sehr begrüßen. Bürgermeister Reithmeier erklärte, dass hierzu bereits Gespräche mit Pfaffing, Rott und Edling laufen würden. Bis 2050 soll der 13-Punkte-Plan abgearbeitet sein, so Bittner und Reithmeier.

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