03.11.2015

APG|SGA

"Es ist keine unternehmerische Leistung, exorbitante Summen zu offerieren und damit Verträge zu kaufen"

Das war ein schwarzer Montag für die AGP/SGA. Mit den VBZ und der Stadt Luzern verliert der Schweizer Aussenwerbevermarkter gleich zwei grosse Konzessionen an Clear Channel. Die Offerten des Konkurrenten seien "betriebswirtschaftlich absolut nicht nachvollziehbar", sagt APG-Chef Markus Ehrle gegenüber persoenlich.com. Er ist überzeugt, dass die hohen Abgaben nur durch höhere Verkaufspreise für die Auftraggeber refinanziert werden können.
APG|SGA: "Es ist keine unternehmerische Leistung, exorbitante Summen zu offerieren und damit Verträge zu kaufen"

Herr Ehrle, mit den Zürcher Verkehrsbetrieben und der Stadt Luzern springen bei der APG/SGA gleich zwei Grossauftraggeber ab. Wie einschneidend ist der Verlust?
Wir verfügen mit über 7'500 Verträgen mit privaten Grundeigentümern und der öffentlichen Hand über ein breit abgestütztes Portfolio. Die beiden Konzessionen – respektive Teile davon - hätten gut in unser Portfolio gepasst. Aber wir können auch ohne diese in beiden Städten dem Werbemarkt weiterhin ein attraktives Angebot bieten.

Beide arbeiten künftig mit Clear Channel zusammen. Was macht der Konkurrent anders als Sie?
Clear Channel ist offensichtlich bereit, Abgaben zu zahlen, welche aufgrund unserer Erfahrungen und Einschätzungen betriebswirtschaftlich absolut nicht nachvollziehbar sind. Denn wenn es um Qualität der Konzepte, Innovationen und Referenzprojekte geht, so zeigt beispielsweise der Entscheid der Stadt Luzern, werden die Angebote der APG|SGA deutlich besser bewertet.

Weshalb kann Clear Channel finanziell attraktivere Angebote unterbreiten?
Es ist keine unternehmerische Leistung bei den monetären Vergabekritierien – aus unserer Sicht – exorbitante Abgabesummen zu offerieren und damit Verträge zu kaufen. Wir sind überzeugt und haben nachweislich bewiesen, dass unsere Marktbearbeitung und Verkaufsleistung dazu geführt hat, dass in den letzten Jahren die Aussenwerbung kontinuierlich Umsatzwachstum und Marktanteilsgewinne verzeichnen konnte - im Übrigen auch gegenüber Clear Channel. Dies insbesondere zugunsten unserer Konzessionspartner.
 
Die Mehreinnahmen, die Clear Channel den Unternehmen offeriert hat, sind enorm. Bei der Stadt Luzern sind es 700’000 Franken, die VBZ verdienen künftig satte 5,5 Millionen Franken mehr. Haben die Konzessionspartner im Rahmen der Verträge mit Ihnen zu viel bezahlt?
Ich bleibe bei meiner Aussage, wonach die von Clear Channel offerierten Mindestgarantien für uns nicht nachvollziehbar und nachhaltig sind. Im Vertrag VBZ beispielsweise bezahlt Clear Channel mit 11 Millionen Franken höhere Mindestabgaben an die VBZ, als wir in guten Jahren mit kompetitiven Angeboten und aktiver Marktbearbeitung insgesamt an Verkaufsumsätzen auf VBZ-Stellen erzielt haben.

Welche Auswirkungen hat die Veränderung in der Branche für die Mediaagenturen resp. die Auftraggeber?
Man muss davon ausgehen, dass diese hohen Abgaben – wenn überhaupt - nur dann refinanziert werden können, wenn die Verkaufspreise für die entsprechenden Plakatflächen erhöht werden. Das zeigen bereits die von Clear Channel kommunzierten Verkaufspreise für die geplanten digitalen Screens in Zürich. Auch dafür hatte Clear Channel ein Angebot eingereicht, welches massivst über den Angeboten drei weiterer Mitbewerber und auch den Erwartungen der Stadt Zürich lag.
 
Die Abgänge zu Clear Channel haben eine grosse Signalwirkung in der Branche. Mit welcher Strategie wollen Sie verhindern, dass weitere Konzessionspartner abspringen?
Die von der Konkurrenz eingeschlagene Strategie erachten wir nicht als nachhaltig. Wir werden aber selbstverständlich die Situation analysieren und geeignete Massnahmen umsetzen.
 
Gibt es weitere wichtige Auftraggeber, bei denen die Verträge mit der APG/SGA in nächster Zeit ausläuft?
Über bevorstehende oder laufende Ausschreibungen erteilen wir grundsätzlich keine Auskünfte.
 
Im Fall von der Stadt Luzern werden nun die Dossiers geprüft. Über mögliche rechtliche Schritte werde zu gegebener Zeit informiert, heisst es Ihrerseits. Was genau wird untersucht?
Wir möchten die Entscheidfindung nachvollziehen können und dabei alle relevanten Details und Prozesse nach ihrer Korrektheit überprüfen. Das ist ein übliches Vorgehen und beinhaltet im Zweifelsfalle die Option von Einleitung rechtlicher Schritte.
 
Mit dem Markteintritt von Clear Channel ist die APG/SGA, die bisher eine Monopolstellung in diesem Bereich hatte, unter Druck geraten. Hat Ihr Unternehmen es verschlafen, sich im Markt weiterzuentwickeln?
Grundsätzlich haben die Städte und Gemeinden – und nicht die APG|SGA - das Monopol auf öffentlichem Grund. Zudem hat Clear Channel heute schon einzelne Konzessionen in verschiedenen Kommunen. An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass der Konkurrent die Zuschläge ausschliesslich aus finanziellen Gründen erhalten hat. Bezüglich Weiterentwicklung und Innovationen im Out-of-Home-Markt Schweiz ist APG|SGA unbestritten im 'driving-seat' und prägt die Entwicklungen im Werbe- und auch Partnermarkt. Wir werden unsere Strategie der verantwortungsvollen und nachhaltigen Zusammenarbeit mit unseren Partnern fortsetzen.

Nebst Clear Channel; welches sind Ihre wichtigsten Konkurrenten im Markt?
In den verschiedenen Segmenten des Aussenwerbegeschäftes gibt es eine Reihe von Anbietern, welche sich an Submissionen und Ausschreibungen beteiligen. Beispielsweite Neo-Advertising, Goldbach, Live-Systems etc. Die grossen Konkurrenten sehen wir aber insbesondere auch ausserhalb von OOHM - gerade wenn es darum geht, im intermedialen Wettbewerb um die Werbegelder, Budgets für die Aussenwerbung zu gewinnen.
 
Die APG beschäftigt 650 Personen. Welche Auswirkungen hat die neue Konkurrenzsituation für sie? Ist es ein Thema Stellen zu streichen?
Der Impact auf das Gesamtvolumen ist vergleichsweise überschaubar und wird teilweise erst ab 2017 wirksam. Stellenstreichungen stehen zurzeit aufgrund dieser Vergabeentscheide nicht zu Diskussion. Straffes Kostenmanagement und laufende Prozessoptimierungen sind permanente Handlungsfelder in unserer Unternehmung.

Fragen: Michèle Widmer, Bild: zVg.


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