Sie sollen zu den Stammvätern der amerikanischen Mustangs gehören. Doch in ihrer Heimat gerieten sie in Vergessenheit. Erst 1920 wurde eine Sorraia-Herde wieder entdeckt. pferde.de hat hier sieben spannende Fakten zu den „wilden“ Portugiesen.
Sie gelten als die letzten Wildpferde Europas. Dabei ist es unter Forschern durchaus umstritten, ob sie wirklich je Wildpferde waren – oder „nur“ verwilderte Hauspferde. Fest steht dafür: Ein Sorraia ist ein robustes Kleinpferd mit ruhigem Charakter. Ihr Aalstrich und die Zebrastreifen sind ein deutliches Zeichen, dass sie von den „Urpferden“ abstammen.
Wenn Du Dich für die „wilden“ Portugiesen interessierst – hier kommt das etwas andere Rasseportrait.
1. Sorraia – eine Rasse mit historischen Fragezeichen
Über die Geschichte der Sorraias ist tatsächlich wenig bekannt. Lange Zeit hielt man die Sorraias für die legitimen Vorfahren aller iberischen Pferde, sozusagen für Ur-Andalusier. Diese These ist umstritten. Zwar gibt es genetische Untersuchungen, die sie belegen. Doch gleichzeitig gibt es andere Untersuchungen, die sie widerlegen. Sicher wurde nachgewiesen, dass es eine eigenständige Wildform ist, die genetisch mit dem Tarpan verwandt ist.
Dazu gelten die Sorraia als Stammväter der amerikanischen Mustangs. Christoph Kolumbus soll sie auf Schiffen nach Amerika mitgenommen haben. Sie wurden dort vor der Rückkehr nach Europa freigelassen.
2. Sorraia: 1920 wurden sie entdeckt
„Später, 1920, sah ich auf einer Jagdtour in der Gegend von Coruche, am unteren Sorraia, im Sesmaria-Gebiet, eine Herde von circa 30 Tieren. Mehr als die Hälfte davon waren helle Falben, manche waren Graufalben, viele mit übermäßiger Streifung. Sie waren generell in jeder Beziehung absolut wild oder primitiv, als ob sie eine Zebra-Spezies oder eine Halbesel-Spezies darstellten.“ So beschrieb der Ruy d’Andrade die Wildpferde, die er „entdeckte“ und nach ihrer Heimat, dem Fluss Sorraia, benannte. Im ersten Moment erkannte er nicht einmal, dass es Pferde waren. Er glaubte, dass es Zebras oder Esel vor sich hat…
Übrigens: In seiner Heimat Portugal gilt d’Andrade noch heute als einer der bekanntesten Zoologen und Pferdekenner sowie -züchter. – Und auch als Retter. Denn er entdeckte nicht nur die Sorraia. Er rettet auch die Rasse Altér Real, als in Portugal die Republik ausgerufen wurde und die königlichen Pferde niemanden mehr interessierten.
3. Eine Rasse mit Reinzucht
Die wilde Herde, die d’Andrade entdeckte, ließ ihn nicht mehr los. Er wusste: Es waren so wenige Tiere, dass sie in der kargen Gegend auf Dauer kaum Überlebenschancen haben würden. Doch genau die hatten sie verdient, fand er. Er kaufte die Herde von der Gegend um Sorraia, studierte sie und war sich sicher: Sie sind die iberischen Wildpferde. Damit sie nicht aussterben, begann d’Andrade 1937 eine Erhaltungszucht. Er fing drei Hengste und sieben Stuten ein. Dabei versuchte er, die Pferde so ursprünglich wie möglich zu halten. Nur wenig Fremdblut nutzte er. Zuletzt nutzte er 1948 einen grauen Criollo-Hengst.
Danach war es eine Reinzucht: Es wurden nur noch Pferde, die eine Abstammung zu den Sorraia oder den wilden Pferden ihrer Vorfahren nachweisen konnten, eingesetzt. Übrigens: Noch heute ist umstritten, ob die Sorraia Wild- oder Hauspferde sind. Einige Forscher nennen sie die iberischen Wildpferde. Andere sind überzeugt, dass es sich um verwilderte Hauspferde handelt. Da über ihre Geschichte kaum etwas bekannt ist, gibt es auch viele Irrtümer über Sorraia. So werden sie oft als Pony bezeichnet – es sind aber Pferde. Das liegt wohl auch an ihrem Entecker: d’Andrade gab ihre Größe mit 1,41 bis 1,43 Metern an. Doch tatsächlich sind sie größer. Einige Hengste sind sogar 1,50 Meter groß.
4. Halbwild – und Arbeitspferde
Auch wenn sie wild oder halbwild leben – die Sorraia sind mittlerweile auch als Freizeitpferde sehr beliebt. Der Grund: Sie haben einen sehr sanften Charakter, sind intelligent und umgänglich. Dazu sind sie sehr trittsicher. Das macht sie als Arbeitspferde bei den portugiesischen Hirten beliebt.
5. Sorraia: Vom Aussterben bedroht
In ihrer Heimat sind sie zwar durchaus bekannt. Trotzdem wurde lange Zeit wenig zur Erhaltung der Sorraia getan. Die Folge: Es gibt mittlerweile weltweit nur noch wenige Pferde dieser Rasse, sie gelten als vom Aussterben bedroht. In ihrer Heimat werden sie vom portugiesischen Pferdezuchtverband betreut. Viele Züchter halten sie in einer Robusthaltung, ein Züchter hält sie sogar halbwild.
Und ausgerechnet ein Deutscher sorgte für das einzige Reservat, in dem die Sorraia ursprünglich leben können. Hardy Oelke verliebte sich in die Rasse und wollte ihnen einen Lebensraum bieten, in dem sie wild leben können. Er fand ihn und 2004 wurde im Vale de Zebro eine Herde im „Refugio do Cavalo do Sorraia“ freigelassen. Dieses nutzte die Pferde sofort und blieben erst einmal einen Tag lang verschollen. Als Oelke sich am nächsten Abend näherte, ergriff die Herde sofort die Flucht…
6. Größte Zucht in Deutschland
Neben Oelker waren es auch zwei andere Deutsche, die dafür sorgten, dass die Sorraia bekannt wurden. Vor allem der Tierarzt Dr. Michael Schäfer trug auch zum Erhalt der Rasse bei. 1976 ließ er drei Stuten und drei Hengste nach Deutschland bringen und züchtete mit ihnen. Damit sorgte er dafür, dass die Rasse weiter bestehen konnte. So wurden später im Zuchtbuch 564 Sorraia Pferde gelistet. Damit hatte er weltweit den größten Bestand.
7. Naturschützer in der Döberitzer Heide
Seit Frühjahr 2019 gibt es noch mehr Hoffnung für die Sorraias. Seitdem lebt eine kleine Herde im Naturschutzgebiet „Ferbitzer Bruch“ auf ehemaligen Truppenübungsplatz Döberitzer Heide bei Berlin. Ihr Job: die Landschaftspflege. Das Besondere dabei: Die Herde lebt nicht nur halbwild – sie soll auch eine Erhaltungszucht sein. Mit ersten Erfolgen: Schon 2020 gab es drei Stutfohlen, seitdem folgen regelmäßig neue Fohlen.