Ein Fohlen zu bewerten ist nicht gerade einfach. Denn schon bei jungen Tieren läuft die Beurteilung ähnlich umfangreich ab wie bei ausgewachsenen Pferden. Influencerin Harriet Jensen hat mit dem Landstallmeister des Landgestüts Celle Dr. Axel Brockmann gesprochen. Für Dich fasst sie wertvolle Tipps des Experten zur Bewertung von Nachwuchspferden zusammen.
Ein gutes Fohlen zu erkennen, das ist eine Kunst für sich. Ein Geheimrezept oder eine Formel, die immer greift, gibt es in dem Sinne nicht. Wenn Du Dir ein Fohlen anschaffen möchtest, musst Du viele Fahrtstrecken in Kauf nehmen und Dir viele Fohlen ansehen. So kannst Du nach und nach durch die gewonnenen Eindrücke immer besser erkennen, wie viel sportliches Potential in einem einzelnen Fohlen steckt. Das Lernen der Pferdebeurteilung hört eigentlich auch niemals auf. Je mehr Tiere Du kennenlernst, desto besser kannst Du zukünftig auch beurteilen.
Es ist sehr wichtig auch immer wieder die Pferdebeurteilungen von Experten zu hinterfragen: Wenn Du ein Fohlen kaufst, solltest Du in erster Linie darauf achten, ob das Pedigree durchgezogen ist. Anhand des Pedigrees hast Du schon einmal einen guten Anhaltspunkt, ob das Pferd eher für den Dressur-, den Springsport oder eine ganz andere Sparte geeignet ist. Springfohlen werden übrigens anders bewertet als beispielsweise Dressurfohlen. Beim Springfohlen ist die gute Galoppade wichtig. Daneben fließt wie bei allen Bewertungen auch die Frage danach ein, ob das Pedigree durchgezogen ist. Auch am Stammbaum muss sich erkennen lassen, dass das Fohlen aller Voraussicht nach das herausragende Springtalent seiner Ahnen geerbt hat. Schließlich ist wissenschaftlich belegt, dass die Springveranlagung tatsächlich vererbt wird. Das wurde jedenfalls vor allem für die Springanlagen im Freispringen und im Parcoursspringen nachgewiesen.
Die Relevanz der Beurteilung der Stute, des Muttertieres
Oft sind mehr Informationen über den Vater des Fohlens bekannt. Das hängt damit zusammen, dass sich Hengste im Jahr logischer häufiger fortpflanzen können als Stuten. Aber gerade deswegen ist die Stute so wichtig. Denn sie trägt maßgeblich zum Wesen des Fohlens mit bei. Fragen, die Du Dir bei der Beurteilung des Muttertieres – unabhängig vom Exterieur – stellen solltest, sind:
- Hat sie selbst sportliche Erfolge?
- Hat sie bereits erfolgreiche Nachkommen?
- Hat ihre Mutter oder Großmutter sporterfolgreiche Nachkommen oder war selbst erfolgreich im Sport?
- Wie war die Zuchtstutenprüfung? Oder die der Vorfahren?
Das Fohlen anhand der Gangarten auf unterschiedlichen Gründen beurteilen
Ein Fohlen wird natürlich anders beurteilt als ein Springpferd. Zunächst wird es von der Seite und von vorne betrachtet, um schon einmal einen guten Überblick zu erhalten. Danach solltest Du Dir das Tier in allen drei Grundgangarten ansehen. Das kann natürlich Zeit fressen. Denn ein Fohlen befolgt nicht immer sofort jede Anweisung. Schließlich ist es jung und muss noch vieles lernen.
Um den Gang des Fohlens bewerten zu können, bringst Du das Tier am besten zunächst irgendwo hin, wo der Untergrund fest ist. Danach beobachtest Du das Fohlen in Ruhe auf einer Weide oder einem Paddock. Dort lässt Du das Fohlen zusammen mit der Mutter frei laufen. Grundsätzlich ist der Takt das Wichtigste. Beim Trab musst Du darauf achten, ob das Fohlen von hinten schiebt, sprich ob die Hinterhand hebelt. Außerdem gilt es die Selbsthaltung des Tieres zu beobachten: Gehen die Bewegungen ins Bergauf?
Wenn das Fohlen an der Hand geführt wird, kann die Gangart Galopp natürlich nicht beobachtet werden. Aber wenn die Pferde Zeit auf der Weide verbringen, fangen sie meistens von sich aus irgendwann an zu galoppieren. In solchen Momenten kannst Du das Augenmerk auf das natürliche Gleichgewicht legen, beispielsweise das Umspringen vom Links- in den Rechtsgalopp, möglichst ohne Kreuzgalopp dazwischen. Auch dabei ist die Bergauftendenz wieder wichtig! Wenn das Fohlen sich irgendwann ausgetobt hat und wieder zurück in den Stall geführt wird, kannst Du den Schritt begutachten, ohne, dass dabei aufgeregte, feste Tritte dabei sind. Wenn Du diese Reihenfolge einhältst, kannst Du alle drei Grundgangarten auf unterschiedlichen Untergründen gut beurteilen.
Die Tücke Fohlenschauen
Auf vielen Fohlenschauen ist es heute Mode, dass viel geraschelt und geschüttelt wird, damit die Fohlen beim Laufen möglichst große Tritte zeigen. Personen, die jedoch ein Fohlen kaufen wollen, möchten so etwas natürlich eigentlich nicht sehen. Den Kaufinteressierte möchten das losgelassene Fohlen und seine echten Gangarten sehen. Losgelassen haben sie auf derartigen Fohlenschauen dann nämlich auch das natürliche Gleichgewicht im Galopp. Und nichts ist schlimmer, als den Galopp durch intensives Rascheln und Nachtreiben spektakulärer aussehen lassen zu wollen. In solchen Situationen befindet sich der Schweif meist in der Höhe, der Rücken ist fest und der Galoppsprung wird eher kurz. Auch der Trab ist tatsächlich nur das wert, was er uns losgelassen zeigt.
Der berühmte Funke muss einfach überspringen
Unabhängig von den Anlagen des Fohlens gilt subjektiv natürlich auch: Die funken zwischen Dir und dem Fohlen müssen einfach fliegen. Die Funken sind schwierig zu beschreiben. Doch, wenn Du sie spürst, weißt Du es einfach – das ist Dein Fohlen. Nichts ist schlimmer, als den Hof zu betreten und als erstes direkt nach Fehlern suchen zu wollen. Stattdessen sollte direkt am Anfang immer ein Aha-Moment stehen. Schon in den ersten Sekunden musst Du Dir eine Zukunft mit dem Fohlen überhaupt erst vorstellen können.