Pharmazeutische Zeitung online
Apothekerkammer Westfalen-Lippe

So viele Chancen und Risiken wie noch nie

Immunisierung gegen den Versandhandel 

Mit dem jetzigen Gesetzentwurf, vorausgesetzt das Makelverbot wird ausgeweitet, könnten sich die Apotheken vor Ort gegen den Versandhandel immunisieren, ist die Kammerpräsidentin zuversichtlich. Dazu gehöre auch eine »staatliche Rezept-App«, die den diskriminierungs- und werbungsfreien Transport des E-Rezepts vom Patienten in die Apotheke seiner Wahl, ohne jegliche Einflussnahme ermöglicht. Letztlich wird im kommenden Jahr die Gematik darüber entscheiden, welche Anwendung(en) hier den Zuschlag bekommen. Die DAV-WebApp liegt dabei gut im Rennen – die Chancen verbessern sich, je mehr Apotheker sich jetzt schon dafür registrieren, um sie als einheitliche Lösung des Berufsstands anzubieten. 

»Wir treiben digitale Projekte wie das E-Rezept und den elektronischen Heilberufsausweis voran und erleben zugleich bedingt durch die Lieferengpässe eine Mängelverwaltung sondergleichen sowie den stärksten Apothekenrückgang seit fast einem halben Jahrhundert«, betonte Overwiening. Allein in Westfalen-Lippe schlossen im vergangenen Jahr 51 Apotheken, dieses Jahr folgen bis zum 31. Dezember weitere 49 Schließungen. Damit fällt die Apothekenzahl im Kammergebiet auf 1.870 – der niedrigste Stand seit 1979. »Für die 100 Apotheken allein in Westfalen-Lippe, die in den letzten zwei Jahren aufgeben mussten, kommt das Apothekenstärkungsgesetz bereits zu spät«, konstatierte Overwiening. Sie forderte die Politik endlich zum Handeln auf. »Uns allen stellt sich die Frage, wann die Große Koalition endlich zu Arbeitsergebnissen kommt. Politik muss jetzt umsetzen, nicht weiter aussitzen.«

Die Apotheken sollten sich derweil auf ihre Stärken besinnen: »Wir sind besonders nah am Patienten, und wir gehören bereits zu den Gesundheitsberufen mit der besten IT-Ausstattung«, so Overwiening. »Daher sind wir für die anstehenden Veränderungsprozesse bestens gerüstet – sofern diese in einem gesundheitspolitisch verlässlichen Rahmen erfolgen können.«

Auch in puncto E-Rezept wollen und können die Vor-Ort-Apotheken eine Vorreiterrolle übernehmen. Die Delegierten waren sich einig, dass man Versandhändlern wie Doc Morris mit seiner großen Werbekampagne zum E-Rezept in der Öffentlichkeit nicht das Feld überlassen dürfe. Overwiening sprach von einer »peinlichen Luftnummer«. »Was ist denn daran digital und was ist daran pharmazeutisch, wenn ich ein Arzneimittel in den Niederlanden in ein Päckchen stecke und es dann zwei oder drei Tage später der Paketbote mir oder dem Nachbarn vor die Haustür legt?« Zu dem in den Medien groß angekündigten Modellvorhaben zum E-Rezept zwischen Doc Morris und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft in Köln kommentiert sie: »Wir sind gespannt, ob dieses Projekt die Einführung des E-Rezepts weiter voranbringt oder sich nicht eher als PR-Aktion entpuppt. Dass nach aktuellen Angaben der Hausärzte in Westfalen-Lippe  mit insgesamt fünf Arztpraxen und zwei Patienten je Praxis getestet werden soll, lässt eher den letzeren Schluss zu.«

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