Querulant mit »abnormer Fantasie«
Ein krimineller, geltungsbedürftiger Geschäftsmann, der sich »Goldfüllfederkönig« nennt, hält in der Zwischenkriegszeit die Polizei in Atem. Durch seine »Mystifikationen« erregt er Aufsehen.
Wiener Originale Begegnung mit schillernden Menschen einer Stadt.
Schon immer gibt es auch kauzige Figuren, die Bundespräsident werden wollen. Bereits vor mehr als 90 Jahren verkündet Ernst Heinrich Winkler, Besitzer eines Füllfedergeschäfts am Wiener Kohlmarkt, bei der Wahl für das Amt des Staatsoberhaupts am 9. Oktober 1931 zu kandidieren: „Die Monarchisten bekommen einen König, den Goldfüllfederkönig“, wie sich der windige Winkler nennt.
Den Sozialisten verspricht er, ihren radikalen Umbau des Gesellschaftssystems zum Austromarxismus zu unterstützen, und Beamten will er ihr Gehalt verdreifachen. Doch Winkler scheint in der Liste der Wahlvorschläge nicht auf, es geht ihm nur darum, in der Öffentlichkeit berühmt zu werden.
Der geltungsbedürftige Geschäftsmann Ernst Heinrich Winkler ist im Wien der Zwischenkriegszeit bekannt „wie das falsche Geld“. Seine Popularität erlangt er durch Mystifikationen, wie er seine Aktionen mit krimineller Energie nennt – durch die er die Polizei in die Irre führt, Gerichte in Atem und sich selbst in der Erinnerung der Menschen hält.
In den Auslagen seiner Geschäfte am Kohlmarkt 3 und später auch in einer Filiale am Hohen Markt affichiert er werbewirksam Zeitungsausschnitte, die über seine Aktionen berichten. „Das Kleine Blatt“charakterisiert seine ganz blödsinnigen Streiche: „Der sogenannte Goldfüllfederkönig beschäftigt seit Jahren die Polizei zu Reklamezwecken. Alle Zeitungen Wiens beschäftigen sich andauernd mit ihm.“
Seine Mystifikationen führt er meist unter adeligem Namen durch. Der 1886 in Ternitz geborene Hochstapler würde so gern Aristokrat sein. 1911 besucht der damals 25-jährige Winkler mit Gehrock, Zylinder und Monokel in Dresden den königlichen Hofjuwelier – begleitet von einem Diener, seinem Bruder – und lässt sich die erlesensten Schmuckstücke „für seine Tochter“präsentieren. Man möge so freundlich sein, den Schmuck auf das vermeintliche Schloss zu bringen. Doch der Nobeljuwelier glaubt dem Herrn aus Wien nicht. Er wird zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt und drei Jahre später vom sächsischen König begnadigt.
In Wien wird Winkler 1927 über Nacht bekannt: Polizeipräsident Schober ist für die blutige Niederschlagung der Julirevolte beim Brand des Justizpalasts, bei der auch flüchtende Demonstranten von Polizisten erschossen werden, verantwortlich. Karl Kraus lässt Plakate affichieren, auf denen er Schober auffordert abzutreten. Wenig später sieht man in ganz Wien – in gleicher grafischer Gestaltung wie bei