Kleine Zeitung Kaernten

Wenn der Gletscher ruft

Gerhard Hohenwarte­r senior (74) beobachtet seit 30 Jahren den Eiskar-Gletscher: Bisher war er 112-mal dort, um diesen einzigen Gletscher in den Karnischen Alpen zu vermessen.

- Von Andreas Kanatschni­g

Begrenzt von hohen Wänden, trotzt das Eiskar den immer heißer werdenden Zeiten. Die Nordlage kommt ihm zugute, sonst wäre der einzige Gletscher der Karnischen Alpen wohl schon längst geschmolze­n. Gerhard Hohenwarte­r, pensionier­ter Geografie- und Geschichte­Lehrer, vermisst das Eiskar seit 30 Jahren. Gletscherk­necht nennt man in Vermesserk­reisen die ehrenamtli­chen Helfer, die in den Alpen das Schwinden von Schnee und Eis dokumentie­ren.

Von den 900 Gletschern, die es in Österreich noch gibt, ist der Eiskar-Gletscher einer von denen, die vermessen werden: 15 Hektar groß, im Durchschni­tt 20 Meter mächtig und 700 Meter lang. Einen dreivierte­l Meter sinkt der Gletscher pro Jahr ein.

„Einen Großteil sieht man aber nicht, weil er zu drei Viertel mit Schutt bedeckt ist. Das rettet ihm auch sein Leben, denn Schutt verhindert, dass die Wärmestrah­lung direkt auf das Eis fällt“, erklärt Hohenwarte­r, der ganz offiziell den Stab bereits an seinen Sohn Gerhard Hohenwarte­r, Meteorolog­e an der ZAMG in Klagenfurt, weitergebe­n hat.

Pilgert er, und das kann man durchaus so sagen, gemeinsam mit seinem Sohn zum Eiskar, ist das ein Marsch, der selten Gutes verheißt: „Der

Rückgang wird heuer dramatisch werden.“Vom Plöckenpas­s wandern die Hohenwarte­rs über einen schwierige­n Steig in die Kellerwand. Gletscher haben den studierten Geografen schon immer fasziniert: „Schon als Student waren wir am Glockner, um die Pasterze zu vermessen.“Als er Anfang der 1990er-Jahre an der Uni Graz nachfragte, ob man das Eiskar noch vermesse, erfuhr er, dass man damit aufgehört hatte: „Man fragte mich, ob ich es machen wollte. 1992 ging der Grazer Geografie-Professor Gerhard Karl Lieb mit mir zum ersten Mal hin und zeigte mir, wie man einen Gletscher vermisst.“Seitdem ist er 112-mal im Eiskar gewesen: „Wir gehen viermal im Jahr hinauf, was eine Fleißaufga­be ist. Die offizielle Messung für den Alpenverei­n machen wir immer im September.“Drei Bücher hat er bisher mit Notizen befüllt.

Aber nicht nur das von Lawinen gespeiste Eiskar schaut sich Hohenwarte­r an, auch bei den Messungen an der Pasterze half er über viele Jahre mit: „Damit höre ich heuer auf.“

Die Liebe zu den Bergen erbte Hohenwarte­r, der im Gailtal geboren ist, von seinem Vater: „Mein Vater war Zollwacheb­eamter, der die grüne Grenze kontrollie­rte.“Familie Hohenwarte­r wechselte in jungen Jahren alle drei Jahre den Wohnort, weil das bei Zollwacheb­eamten so üblich war: „Damit man mit den Einheimisc­hen nicht zu gut wird.“

Als Hohenwarte­r die Volksschul­e besuchte, kam sein Vater am Oisternig leider in einer Lawine ums Leben: Von all den Bergen, die Hohenwarte­r besuchte, zieht es ihn immer wieder dorthin. Die Hohenwarte­rs sind alle Bergmensch­en: seine Frau Waltraud genauso wie die Söhne Michael, Gerhard und Tochter Elisabeth. Der passionier­te Sänger, der 40 Jahre lang mit den „Fünf Gailtalern“auftrat, und heute in Villach lebt, ist ständig beschäftig­t: „Wenn man meinen Schreibtis­ch ansieht, glaubt man, das ist ein TopManager.“Auch das Eiskar will er noch einige Zeit besuchen – denn gut 20 bist 30 Jahre wird es den Gletscher noch geben.

 ?? ??
 ?? ?? Auf diesem Archivbild aus dem Jahr 2001 ist zu sehen, wo sich der oberste Rand des Gletschers befunden hat
Auf diesem Archivbild aus dem Jahr 2001 ist zu sehen, wo sich der oberste Rand des Gletschers befunden hat
 ?? ?? Gerhard junior und senior im Eiskar in den Karnischen Alpen
Gerhard junior und senior im Eiskar in den Karnischen Alpen
 ?? ??
 ?? HOHENWARTE­R (4) ?? Das Eiskar, ein Gletscher, der keine Spalten mehr bildet, liegt auf der österreich­ischen Seite des Kellerwand­massivs: Es gibt keinen Eiszuwachs mehr
HOHENWARTE­R (4) Das Eiskar, ein Gletscher, der keine Spalten mehr bildet, liegt auf der österreich­ischen Seite des Kellerwand­massivs: Es gibt keinen Eiszuwachs mehr

Newspapers in German

Newspapers from Austria