Mehr bellen als beißen
Im Kampf gegen den westlichen Einfluss nimmt die Regierung in Iran Hunde ins Visier – ohne Erfolg
Ohne ihren Shih-tzu-terrier Teddy geht Asal Bahrierad nirgendwo hin. Die 31-jährige Iranerin hat einmal sogar drei Nächte mit Teddy im Auto übernachtet. Damals war sie auf Besuch bei ihrer Mutter, die für Hunde wenig übrig hat. Schwer beeindruckt davon, wie entschlossen sich Asal für Teddy einsetzte, gab die Mutter aber nach und gestattete ihrer Tochter, ins Haus zurückzukehren – gemeinsam mit ihrem geliebten Hund. „Inzwischen können wir uns beide ein Leben ohne Teddy nicht mehr vorstellen“, sagte Asal Bahrierad. „Niemand kann ihn mir wegnehmen, nicht einmal die Polizei.“Das Letztere ist alles andere als ausgeschlossen und ist derzeit Gegenstand hitziger Debatten in Teheran.
Denn seit Jahresbeginn richtet sich der Fokus im seit bald 40 Jahre anhaltenden Kampf gegen westliche Einflüsse auf Teddy und seine Artgenossen: Der Polizeichef von Teheran, Brigadegeneral Hossein Rahimi, verkündete, dass Spazierengehen mit Hunden in der Öffentlichkeit ab sofort gerichtlich untersagt sei. Sicherheitshalber wurde auch gleich noch ein Verbot für das Mitführen von Hunden im Auto ausgesprochen.
Im Islam werden Hunde als „najis“(unrein) betrachtet. Wachhunde werden gerade noch geduldet; Hunde als Haustiere zu halten, geht hingegen einen Schritt zu weit. Das Problem ist einzig, dass viele Iraner da ganz anderer Meinung sind. Hunde sind in Teheran allgegenwärtig: Deutsche Schäfer, die durch die Gassen geführt werden; Sibirische Huskys, die im Schnee herumtollen, Chihuahuas, die hechelnd ihre Schnauze durchs offene Autofenster strecken, und nicht zu vergessen die vielen Straßenhunde, die von Tierfreunden adoptiert wurden. Von Zeit zu Zeit werden die iranischen Behörden auf die wachsende Beliebtheit aufmerksam und fordern Maßnahmen, um die Iraner von der Vorstellung abzubringen, dass der Hund der beste Freund des Menschen sein sollte.
Geld für wichtigere Dinge
„Hunde verbreiten Angst und Schrecken in der Öffentlichkeit“, sagte Rahimi, als er vor dem Young Journalists Club sprach, der zum iranischen Staatsfernsehen gehört. „Die Polizei wird drastische Massnahmen gegen Hundebesitzer ergreifen.“Um welche Massnahmen es sich konkret handeln könnte, erwähnte er allerdings nicht. Seine Verlautbarung wurde von der halbamtlichen Nachrichtenagentur Fars aufgegriffen, bei der sich scheinbar Bürger gemeldet hatten, die sich wegen Hunden in öffentlichen Parks nicht mehr frei bewegen können.
„Hundehalter foutieren sich um die Regeln des Islams!“, klagte ein User, „sie lassen sich von westlichen Satellitenprogrammen beeinflussen und gehen mit ihren Tieren in den Park, wo sie andere Besucher einschüchtern.“„Wir rufen die Behörden dazu auf, in dieser Angelegenheit energisch durchzugreifen!“, lautete der Kommentar von jemand anderem.
Der politische Hardliner Hamidreza Taraghi sagte in einem Interview: „Unsere Religion untersagt es uns, im Beisein eines Hundes zu beten.“Laut Taraghi häuften sich die Beschwerden über Hunde bei der Polizei. Zudem würde das Halten von Hunden die Folgen der Us-sanktionen noch verschärfen. „Wir stecken in einer Wirtschaftskrise, was Hundeliebhaber jedoch nicht davon abhält, jedes Jahr Milliarden von Dollars für Futter auszugeben“, sagte er. „Dieses Geld benötigen wir für wichtigere Dinge.“
Sündige Handlung
Das Ausführen von Hunden ist bei weitem nicht die einzige Aktivität, die von den geistlichen Führern für tabu erklärt wurde, um die Bevölkerung vor sündigen Handlungen zu bewahren und ihr den Weg in den islamischen Himmel zu erleichtern. So ist den Iranern unter anderem das Tanzen und der Alkoholkonsum untersagt, und Frauen dürfen sich nicht ohne das obligatorische islamische Kopftuch in der Öffentlichkeit zeigen.
In der Realität hingegen ist das Geben und Nehmen zwischen Iranern und den Hütern des Islams in einem ständigen Fluss. Es wird in Iran getanzt, sogar sehr häufig, manche Leute trinken, gelegentlich auch zu viel, und Kopftücher neigen mit erstaunlicher Häufigkeit dazu, herunterzufallen. Doch die Strafen können hart sein. Gelegentlich werden Gesetzesübertreter mit einer Geldbuße belegt, wenn nicht sogar ausgepeitscht. Dennoch werden die offiziellen Regeln so häufig missachtet, dass Dinge wie Tanzen und Trinken nur von den allerwenigsten als Akt der Auflehnung empfunden werden.
Es gab eine Zeit in Iran, da wurden Fehlbare von religiösen Hardlinern denunziert. Heutzutage wird das Durchsetzen von unpopulären Gesetzen der Polizei überlassen, während Nachbarn, Freunde und andere entschlossen wegschauen. Wie bereits frühere Verordnungen dieser Art werde auch das Hundeausführverbot nicht übertrieben ernst genommen, so Asal Bahrierad. „Teddy und ich gehen jedenfalls täglich in einem Park im Quartier Shahram spazieren, und die Polizei verhält sich uns gegenüber immer ausgesprochen freundlich.“Die Zahl der Hunde – und Katzen, die allerdings unter dem Islam auf mehr Akzeptanz stoßen – wächst rasch, sofern die seit einiger Zeit überlaufenen Tierkliniken in Teheran als Gradmesser dienen können.
Wachhunde werden geduldet; Hunde als Haustiere zu halten, geht einen Schritt zu weit. Vor 20 Jahren war der einzige Ort, um Haustiere ärztlich behandeln zu lassen, die Universität.
Vor 20 Jahren war der einzige Ort, um Haustiere ärztlich behandeln zu lassen, die Universität, wo Veterinärmediziner eine Klinik führten. Mittlerweile existieren Dutzende von Tierkliniken. Laut Damoon Ansari, Veterinär in der Tierklinik Paytakht in Teherans Stadtviertel Shahrak-e Gharb, hätten Hundebesitzer noch viel zu lernen. „Wir müssen sie erziehen. Sie sollten Rechte haben, aber auch Pflichten.“Größere Hunde müssten geschult, Kot müsse aufgehoben werden und Kinder sollten den Umgang mit Tieren und Hunden lernen, erklärte er. Und was das Ausführen von Hunden angehe, gebe es keinen Mittelweg: „Hunde müssen nach draußen. Punkt und fertig.“
Die 37-jährige Hoda Sedghi Shamir hat 23 Hunde bei sich zu Hause in der Nähe des internationalen Flughafens Khomeini aufgenommen. Manche sind gelähmt, andere blind, die meisten Straßenköter, die ihr irgendwo über den Weg gelaufen sind. „Ich bin selber nie Mutter geworden, die Hunde sind meine Kinder.“
Beim Füttern ihrer Lieblinge erzählte Shamir, wie sie verletzten Hunden geholfen habe, die mit Steinen beworfen oder von Luftgewehren getroffen worden waren. „Ich gebe etwa 600 Dollar pro Monat aus für Futter, Impfungen und Hundeschule.“Angesprochen auf das Ausführverbot, zuckte sie die Achseln und meinte, auch das werde vorübergehen. „Im Moment sollten wir uns unauffällig verhalten, aber schon bald wird sich niemand mehr an diese Vorschrift erinnern.“