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Um die 5.000 Menschen dürften gegen LGBT-Rechte demonstriert haben (Bild: nb)

  • 11. Oktober 2015, 19:45h 304 6 Min.

Eine Rekordzahl demonstrierte am Sonntag in Stuttgart gegen Bildungsplan und LGBT-Rechte. Starredner war ein junger Mann, der seine Homosexualität unterdrückt.

Von Norbert Blech

Der homophobe Rollback in Deutschland wird größer und größer, wenngleich noch immer auf kleinem Niveau: In Stuttgart kamen am Sonntag laut Veranstalterangaben rund 5.350 Menschen zur "Demo für alle" zusammen. Es müssen nicht ganz so viele Teilnehmer gewesen sein, aber man darf unterstellen, dass die bereits achte Demonstration dieser Bewegung die bislang größte war.

Es ist eine Bewegung, die sich längst auch gegen eine Ehe-Öffnung für schwule und lesbische Paare und einen umfassenden Aktionsplan für LGBT-Rechte im Ländle richtet – eigentlich gegen alles, was aus queerer Sicht noch nicht erreicht ist und gerade ansteht. Und die Bewegung wird immer widerlicher: Unangekündigter Stargast war an diesem Nachmittag ein junger Mann, der sich als Marcel vorstellte. Er gehöre zu einer Gemeinschaft von Männern, die homosexuell empfinden, ihr Schwulsein "aus Gründen eigener Einsicht oder ihrer christlichen Glaubensüberzeugungen" allerdings nicht ausleben. Ein Bildungsplan tue solchen Männern "Unrecht".


Demo-Organisatorin von Beverfoerde mit Marcel

Denn die Wissenschaft sage klar, dass Homosexualität nicht angeboren und nicht durch die Biologie bestimmt sei. Hingegen sei seine eigene Sexualität durch einen Missbrauch geprägt, meinte Marcel, und es habe gedauert, bis er verstanden habe, "dass ich in einem homosexuellen Kontakt nur die Abneigung gegen mich selbst überwinden will und gar keine echte Partnerschaft suche". Ein Bildungsplan der sexuellen Vielfalt sei folglich eine Ideologisierung, die Menschen wie ihn "verwirren" und schaden könnten: Indem er einen Weg bereite, den man später als falsch empfinde.

Marcels Gruppe Homosexueller, die zur Enthaltsamkeit "gefunden" haben, ist die "Bruderschaft des Weges" – das neueste Projekt von Markus Hoffmann, seines Zeichens Homo-"Heiler" von "Wüstenstrom". Das ist schon schlimm genug, gerade für Marcel, aber die Reaktionen darauf waren bedrückender: "Toll, dass er den richtigen Weg gefunden hat", sagte die Frau neben einem. Viele ähnliche Kommentare waren zu hören, auch: "Wären doch nur alle so." Als Demo-Organisatorin Hedwig von Beverfoerde Marcels "Mut zu diesem öffentlichen Bekenntnis" lobte, bekam er Beifall, auf den er sehr gerührt reagierte.

Youtube | Die Rede von Marcel, am Montag von der "Demo für alle" auch als Video bei Youtube veröffentlicht

Mit Unterschriften und AfD gegen die Ehe für alle

So war von Beverfoerde ein neuer Coup gelungen: Nun klatscht die Menge schon, wenn Menschen, die offensichtlich dringend einen selbstbewussten Umgang mit ihrer sexuellen Orientierung finden müssen, stolz darauf sind, diese zu unterdrücken. Diese makabre Version eines öffentlichen Coming-outs ist vielleicht der perverseste Moment in rund zwei Jahren Anti-Bildungsplan-Bewegung. Und er zeigt, dass der Kampf gegen diese Bewegung immer schwieriger, immer verzettelter werden wird. Die Antwort ist dennoch einfach: Kein Bildungsplan zwingt jemanden, hetero- oder homosexuell zu sein. Aber er ermöglicht vielen Menschen, ihre jeweilige Orientierung zu entdecken und diese selbstbewusst zu leben.

Mit dem dazu instrumentalisierten Marcel behauptete Beverfoerde dann auch noch, dass ihre Bewegung doch gar nicht homophob sein könne, wenn sich ihr auch Schwule anschließen. Sie ließ zugleich Unterschriftenlisten sammeln gegen die Ehe-Öffnung für schwule und lesbische Paare – offline und mit einer Online-Petition seien bereits rund 60.000 Unterschriften zusammengekommen, 100.000 seien das Ziel. Die Aktivistin, die die Demos bisher im Rahmen der "Initiative Familienschutz" im Büro der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch organisiert hatte, gab bekannt, dass sie diesen Job aufgegeben habe und sich nun selbst und einzig um die "Demo für alle" kümmern werde; Spendendosen gingen dazu rum wie bei einer Kirchenkollekte.


Andreas Schumacher

AfD-Politiker waren dennoch anwesend. Andreas Schumacher vom Bundesvorstand der "Jungen Alternative" redete sich in ziemlich publikumswirksame Rage gegen Gender-Lehrstühle, die Millionen an Steuergeldern kosteten. Jährlich fehlten Deutschland zum Fortbestand 400.000 Kinder, daher müsse man für "gesunde Familien" kämpfen, für "gesunde Kinder", für eine Zukunft des Landes. Das gehe nur mit einer Ehe aus Mann und Frau. Die Gender-Ideologie sei gegen die Natur und gegen die Wissenschaft, meinte auch Anette Schultner von den "Christen in der AfD". Es dürfe "keine Toleranz für gesellschaftliche Experimente" geben, keine "Manipulation" der Kinder.

Kuby tanzt Pegida

Noch härtere Rhetorik bot Gabriele Kuby. Die Fundi-Katholikin forderte einen "zivilen Ungehorsam" gegen die "bodenlosen Abgründe der sexuellen Vielfalt". Sie beklagte eine "entchristlichte, demoralisierte Kultur", und das zu einem Zeitpunkt, in der Millionen Muslime nach Deutschland kämen. Was würden die wohl denken, wenn im Unterricht das "Schamgefühl der Kinder" verletzt werde, fragte sie scheinheilig.

In Folge projizierte Kuby auf die Flüchtlinge allerlei eigenen Unmut, den Unmut der Masse auf dem Platz: Unmut über einen "Gender-Wahnsinn" oder über eine "pervertierte Verwendung von Begriffen wie Toleranz und Vielfalt". Oder des Begriffs Menschenrechte: Dieser dürfte nicht missbraucht werden, um die Ehe umzudefinieren oder verschiedene sexuelle Orientierungen als gleichwertig darzustellen. Und dann kam Kuby noch einmal auf die Flüchtlinge zurück: In einer christlichen Kultur gehe es Frauen besser, dort gehe es auch Homosexuellen besser. Würde die Regierung mit Gender & Co. so weiter machen, würden sich wohl auch bald Muslime zur Wehr setzen.

Youtube | Die Rede von Gabriele Kuby

Das Publikum

Im Publikum lauschten dabei, soweit erkennbar, keine Muslime. Dafür einige bekannte Rechtsradikale, auf die sich die Antifa später stürzen sollte (es gab dabei nach dem Ende von Demo und Gegenprotesten einige Festnahmen und einige Verletzte). Im Publikum waren Menschen, die "Lügenpresse" riefen, und Ordner, die von einem den Presseausweis sehen wollten, sobald man Menschen fotografieren wollte. In der Masse stand auch Lutz van der Horst von der "heute show", zu dem es von der Bühne aus hieß, man solle bloß nicht mit ihm sprechen.



Einige Priester waren zu sehen, größtenteils von der Piusbrüderschaft. Und vor allem: viele Rentner, einige Familien und Kinder. Wie gewünscht, hatten die wenigsten eigene Plakate mitgebracht, die eine Parteizugehörigkeit hätten erkennen lassen.

Union im Wahlkampf

Neben der AfD war aber wieder die CDU am stärksten vertreten (und die CSU: David Bendels vom "Konservativen Aufbruch" verkündete stolz, er sei mit zehn Bussen angereist). Der Bildungsplan werde noch auf dem "Mülleimer der Geschichte" landen, versprach Christoph Scharnweber vom Evangelischen Arbeitskreis der CDU. "Was Lobbygruppen durchsetzen wollen, wird keine Mehrheit finden". Er bat den Platz, das aktuelle Angebot der Landesregierung, Rückmeldungen zum detaillierten Bildungsplan zu geben, zahlreich zu nutzen.


Christian Steck (klatschend), Christoph Scharnweber und Hedwig von Beverfoerde (auch CDU-Mitglied)

Christian Steck, der Vorsitzende der Jungen Union Rems-Murr, ein sehr biederer 23-Jähriger, forderte, dass nicht die Schule, sondern Eltern Kinder über Sexualität und Toleranz aufklären sollten, weil, in Kurzfassung: Das habe bei ihm doch auch geklappt. Er habe auch nichts gegen Homosexuelle, die sich – wie Dolce & Gabbana – ja teilweise selbst gegen angebliche Rechte wie die Ehe aussprechen würden. Ein paar Kinder der Schüler-Union wandten sich später noch gegen den "abartigen" Aktionsplan der Landesregierung – kurzum alles Redner, die die Notwendigkeit einer Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität eigentlich recht eindrücklich verdeutlichten.


Bei mehreren Gegenkundgebungen zur "Demo für alle" versammelten sich am Sonntagnachmittag ebenfalls Tausende in Stuttgart (Foto: Andreas Zinßer)

Pfiffe und Konfetti

Zu diesem Zeitpunkt war die Demo schon an der Oper angekommen – auf ihr sprachen ansonsten noch Vertreter aus Frankreich, Italien, Österreich und Polen; im Publikum waren zusätzlich Karl-Christian Hausmann von der CDU Stuttgart, der AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner, der Lehrer Gabriel Stängle, der mit einer Online-Petition gegen den Bildungsplan den Stein ins Rollen brachte, und Karin M. Fenbert von Kirche in Not auszumachen. Von der Oper ließen Angestellte ein riesengroßes Regenbogen-Transparent mit dem Aufdruck "Vielfalt" herunter – man wolle nicht mehr ungewollt als Kulisse für Hass dienen.



Während von der anderen Seite des Teiches Tausende LGBT und linke Jugendliche pfiffen, meinte von Beverfoerde, der Regenbogen sei ein Zeichen Gottes an Noah gewesen, nach der Sintflut. Von oben rieselte es dazu Konfetti auf sie herab.

Und dann sagte sie: "Wir kommen wieder."

Youtube | Der Moment der Enthüllung
Wöchentliche Umfrage

» In Stuttgart demonstrierten am 11. Oktober soviele Menschen wie nie zuvor gegen LGBT-Rechte. Wie sollten wir darauf reagieren?
    Ergebnis der Umfrage vom 12.10.2015 bis 19.10.2015

#1 FelixAnonym
  • 11.10.2015, 20:03h
  • Die Fakten:

    - An Schulen sind "Schwuchtel", "schwule Sau", etc. die häufigsten Schimpfwörter.

    - Durch dieses Mobbing ist die Selbstmordrate bei schwulen, lesbischen, bisexuellen und transidentischen Jugendlichen 4 bis 7 mal höher als bei ihren heterosexuellen Altersgenossen.

    Schule sollte ein sicherer Ort für alle Schüler sein; das ist sie aber in Deutschland nicht.

    Jeder, der gegen Aufklärung und Bildung ist, ist mitverantwortlich für Mobbing, verpfuschte Jugend, teil lebenslängliche psychische Probleme und Selbstmorde.

    Aber diese vom Hass zerfressenen, scheinheiligen Fanatiker gehen für ihre menschenverachtende Ideologie über Leichen.

    Übrigens:
    aus fortschrittlicheren Staaten wissen wir, dass mehr Aufklärung nicht nur den LGBTI-Schülern mehr Selbstvertrauen gibt und das Mobbing deutlich reduziert. Sondern die Hetero-Schüler werden auch allgemein toleranter und weltoffener, was ihnen in ihrem Berufsleben und in ihrem ganzem Leben nützt.
  • Direktlink »
#2 LucaAnonym
  • 11.10.2015, 20:09h
  • "In Stuttgart kamen am Sonntag laut Veranstalterangaben rund 5.350 Menschen zur bereits achten Demonstration gegen den Bildungsplan zusammen."

    Das sind 0,05 % der Baden-Württemberger. Und übrigens nicht mal 1 % der Einwohner dieser Stadt. Und wenn man dann noch bedenkt, dass da auch viele Homohasser aus anderen Staaten rangekarrt wurden und dass die Homohasser gerne lügen und die Angaben nach oben schönen, wird klar, wie man das einzuordnen hat.

    Das mögen immer noch viel zu viele sein, aber dennoch ist es nur eine schrille Minderheit auf die die Politik nicht hören sollte.
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#3 PFriedrich
  • 11.10.2015, 20:10hTrier
  • "...Und dann sagte sie: "Wir kommen wieder." -

    BITTE, BITTE NICHT!!!
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