Raubkunst

Der prächtige Botschafter einer grausamen Geschichte

Die Ausstellung "Der Mantel" im Museum Villa Freischütz in Meran thematisiert die hochaktuelle Frage der Raubkunst und die Brutalität der italienischen Eroberungskriege in Ostafrika.

Der prächtige Botschafter einer grausamen Geschichte
Villa Freischuetz
Die Villa Freischütz ist ein ganz junges Museum in Meran. Vor drei Jahren erst wurde das Haus in Meran Obermais als Museum eröffnet. Jetzt beschäftigt sich die Ausstellung "Der Mantel" mit dem italienischen Kolonialismus. Im Mittelpunkt steht ein prächtiger Mantel aus Äthiopien, der reich geschmückt ist. Ein ehemaliger Hausherr der Villa, General Enea Navarini, brachte den Mantel aus dem Abessinienkrieg mit zurück nach Meran.
 
Erst als die Tochter des Generals, Rosamaria Navarini, 2013 starb und in den folgenden Jahren das Museum "Villa Freischütz" aufgebaut wurde, fanden die Museumsmacher:innen, rund um Präsidentin Herta Waldner, den afrikanischen Mantel.
 
Er sieht auf den ersten Blick aus, wie der Umhang eines Bischofs. Etwas irritierend sind nur die spärlichen Haare auf den Schultern. Ursprünglich einmal war der Mantel mit Haaren der Löwenmähne besetzt. Die meisten davon sind verloren gegangen. Die Kuratorin der Ausstellung Ariane Karbe berichtet, dass solche Mäntel in Abessinien vom Kaiser an verdiente Krieger verliehen wurden. In Addis Abeba soll es heute noch weitere Mäntel dieser Art geben.
Bevor sich der General Enea Navarini nach Meran zurückzog, war er bei Treffen in Nordafrika schon mit Erwin Rommel und Paul Diesener gemeinsam auf einem Foto abgelichtet worden. Eine Zeit lang, 1932 bis 1935, leitete er die Militärschule in Rom. Er war natürlich Faschist, sagt der Historiker Hannes Obermair. Die Jacke des Generals steht nun im Roten Salon der Villa Freischütz gleich neben dem äthiopischen Mantel.
 
Die Ausstellung zeigt mehrere schwarz-weiß-Fotos aus Navarinis Zeit in Abessinien. Sie wirken wie Erinnerungsstücke in einem bürgerlichen Haus. Man muss genau hinschauen, um zu erkennen, dass sich hinter diesen Bildern weit mehr verbirgt. Ebenso wie der abessinische Kriegermantel, den die Ausstellungsmacher:innen zum Sprechen bringen wollen.

Wir drehen die Blickrichtung um und schauen auf die äthiopische Seite. Dank der Textilie, die in den Beständen der Villa Freischütz gefunden wurde, ist das möglich.

Hannes Obermair, Historiker 

In der Militärgeschichte markierte der Abessinienkrieg den Durchbruch einer neuen, besonders brutalen Form der Kriegsführung. Italiens kolonialer Eroberungsfeldzug ab 1935 setzte im großen Stil chemische Massenvernichtungswaffen ein und führte den bis dahin massivsten Luftkrieg der Geschichte. Infolge der italienischen Invasion kamen zwischen 1935 und 1941 etwa 350.000 bis 760.000 Abessinier ums Leben. Die Zahlen variieren stark. Damit zählt der Abessinienkrieg neben dem Algerienkrieg zu den blutigsten militärischen Konflikten, die jemals in Afrika dokumentiert wurden. Und doch herrscht in großen Bevölkerungsgruppen Italiens noch immer die Vorstellung vor, dass Italien den Menschen in Abessinien, heute Äthiopien und Eritrea, doch eigentlich auch den Fortschritt gebracht hatte. 
 
Die Ausstellung setzt die Hinweise auf die Gräueltaten mitten in die heimelige Alltäglichkeit der Villa Freischütz. Und das ist ein ganz neues Konzept von Museum. Ob dieser eine Mantel geraubt wurde oder vielleicht sogar ein Geschenk war, man weiß es nicht.

(et/ni)
 Rai Tagesschau