Abbruchmaterial wird zu Rohstoff

Auf dem Gelände eines ehemaligen Seniorenzentrums in Wangen im Allgäu entsteht ein soziales Wohnquartier mit sechs Gebäuden.
Ein Bagger befüllt den Prallbrecher auf dem unweit gelegenen Zwischenlager. Bild: Georg Reisch GmbH & Co. KG

Beim Abbruch des aus Ende der 60er-Jahre stammenden vierstöckigen Gebäudes verfolgen die Verantwortlichen einen anderen Ansatz. Anstatt die Betonabfälle minderwertig zu verwerten, werden sie vor Ort für den Wohnbau aufbereitet. Bauteile und -materialien aus dem alten Gebäude werden für den Neubau zurückgewonnen.

Das Bauunternehmen Georg Reisch erstellt aus dem Abbruchmaterial eine RC-Körnung. Im Betonwerk Hans Rinninger wird ein Recyclingbeton produziert. Sebastian Geiger, Verantwortlicher für den Bereich F & E bei Reisch, erklärt das Projekt: „Im Großraum Stuttgart ist R-Beton gang und gäbe, aber in unserer, an Kiesvorkommen reichen Region wird dieser bislang nur wenig verwendet. Wir haben dennoch dieses Projekt angestoßen, weil wir unseren Beitrag leisten wollen, um langfristig Primärrohstoffe und Deponieraum einzusparen. Im Vorfeld waren zahlreiche Laborversuche erforderlich, um aus dem Abbruchmaterial eine geeignete Gesteinskörnung zu generieren, die den Rohstoff Kies im Beton gleichwertig ersetzt.“

Aus 15.000 Tonnen Betonbruch wird RC-Körnung

Auf der Baustelle in Wangen fallen etwa 15.000 Tonnen Betonbruch an. Der Bagger, der die Abbrucharbeiten durchführt, verfügt über einen Sortiergreifer und einen Pulverisierer. Diese trennen das Material erst sortenrein und verarbeiten es zu Betonabbruch. Ebenso werden Proben genommen und auf chemische Parameter untersucht. Als Ort für die Lagerung dient eine Brache nahe der Baustelle. So werden die durch den LKW-Transport entstehende CO2-Emissionen reduziert. Die „RC-Körnung“ erzeugt ein mobiler Prallbrecher Kleemann Mobirex EVO. „Diese Anlage zerkleinert den Betonabbruch in Körner mit einer Größe zwischen null und 22 Millimeter, die anschließend noch einmal abgesiebt und nach Kornfraktionen sortiert werden“, erklärt Geiger. „Nach diesem Schritt kann das Material zu einem Produkt zertifiziert werden und verliert dadurch wieder seinen Abfallstatus.“

Rinninger produziert Recyclingbeton

Die größere Korngruppe (vier bis 22 Millimeter) wird im Transportbetonwerk Rinninger zu RC-Beton verarbeitet. Geschäftsführer Marcus Winterfeld: „Weil die Kleinfraktionen aus dem gesiebten Abbruchmaterial nicht im Beton verwendet werden dürfen, wird die RC-Körnung, die wir mit unseren Fahrzeugen auf der Baustelle abholen, mit Natursand gemischt. Hinzu kommen Wasser, Zement und einige Zusatzmittel. Dank unserer langjährigen Erfahrung in der Produktion von Betonbauteilen und unserer Kompetenz in der Betonentwicklung sind wir in der Lage, eine auf die jeweilige RC-Körnung exakt zugeschnittene Rezeptur zu entwickeln. Um eine gleichwertige Betonqualität zu fertigen, mussten wir unsere Anlagen entsprechend anpassen. Um zusätzlich CO2 einzusparen, setzen wir zudem auf klinkerreduzierte Zementsorten. Noch ist dieses Verfahren teurer als die herkömmliche Betonproduktion.“

Hochschule in Konstanz begleitet das Projekt

Reisch will die kleineren Korngruppen ebenso nutzen. In Frage kommt das Material als Rohrbettungsmaterial für Grundleitungen und zur Entwicklung von R-Estrich. Geplant ist auch, das Material für Deckenschüttungen zu verwenden. Was sich dabei für welchen Zweck eignet, möchte das Bauunternehmen im Laufe des Verfahrens herausfinden. Das Pilotprojekt wird von der Fakultät BI der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) begleitet.

650 Kippsattelzüge Kies eingespart

Fest steht dagegen der ökologische Nutzen. 15.000 Tonnen Betonbruch werden fast vollständig wiederverwertet. „Damit spart man rund 650 Kippsattelzüge Material, das nicht aus einem natürlichen Vorkommen entnommen werden muss“, schätzt Winterfeld. „Das Kiesvorkommen in der Region wird dadurch geschont, Deponien weniger belastet und durch die Reduktion der Transporte eine Menge an CO2 eingespart.“

Wirtschaftlich kritisch – ökologisch sinnvoll

Die Firma Reisch sieht das Projekt unter wirtschaftlichen Aspekten ebenfalls noch kritisch: „Das Ganze rechnet sich noch nicht“, so Geiger. „Der RC-Beton steht in der Qualität dem herkömmlichen Beton zwar in nichts nach, die Kosten für das Herstellen von Recyclingbeton sind aber derzeit noch zu hoch. Aus unserer Sicht müssen jedoch Nachhaltigkeit und Ökologie derart an Bedeutung gewinnen, dass es ein unverzichtbarer Prozess ist, heute schon solche Projekte anzustoßen.“

Anfang 2024 sollen alle sechs neuen Gebäude bezugsfertig sein. Sie werden zusammen mit der Kirche und dem Pflegeheim von St. Vinzenz ein neues „soziales Quartier“ bilden.

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