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Tag der Organspende

Wuppertalerin lebt mit gespendeter Leber: „Ich denke, dass ich großes Glück habe“

Laura-Kim Saure kann dank einer Organspende weiterleben.

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Von Katharina Rüth und Marvin Rosenhoff

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Wuppertal. Zum 40. Mal findet in diesem Jahr bundesweit der Tag der Organspende statt, an dem zahlreiche Organisationen auf das Thema aufmerksam machen und Menschen motivieren wollen, Organspender zu werden. Denn: Wer nach seinem Tod seine Organe zur Verfügung stellt, schenkt anderen Menschen Lebensjahre.

Wie es solchen Menschen ergeht, erzählt Laura-Kim Saure (26), die nach langer Wartezeit eine neue Leber erhalten hat. Und wie die Medizin mit der schwierigen Situation einer möglichen Organspende umgeht, erklärt Dr. Gabriele Wöbker, Direktorin der Klinik für Intensivmedizin und Transplantationsbeauftragte am Helios-Klinikum.

Laura-Kim Saure lebt – dank einer gespendeten Leber. Erst im dritten Anlauf hat es mit dem neuen Organ geklappt. Einmal lag sie sogar schon im Aufwachraum des Krankenhauses und wurde für die Operation vorbereitet. Im letzten Moment stellte sich dann heraus, dass das Spenderorgan nicht geeignet war.

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Vor sechs Jahren war die junge Frau an einer seltenen Form von Leberkrebs erkrankt. Schnell stand fest, dass sie ohne ein neues Organ nicht überleben würde. Im vergangenen Juni war es endlich so weit. „Es fühlte sich aufregend, ein bisschen wie Verliebtsein an“, sagt sie über den Moment, als sie erfuhr, dass ein passendes Transplantat für sie verfügbar war. „Mir war zwar klar, dass ich sterben könnte, und ich habe mich bei meinem Partner und meiner Familie verabschiedet, aber eigentlich hat die Freude überwogen.“

Ihre Erkrankung hat Saures Einstellung zum Leben verändert

Kurz darauf wurde sie operiert. Acht Stunden lag sie im OP im Uniklinikum Essen. Danach blieb sie noch einen Monat im Krankenhaus. Größere Komplikationen gab es nicht. Trotzdem war das Jahr nach der Operation nicht leicht für sie. „Ich fühlte mich schwach, musste sehr auf mich achten und Medikamente nehmen, die das Immunsystem reduzieren, damit der Körper das neue Organ nicht abstößt“, erzählt sie. Auch habe sie auf vieles verzichten müssen: „Ich durfte kein Fahrrad- oder Skifahren, auch Urlaub war tabu.“

Heute, ein Jahr nach der Operation, geht es ihr gut. Schon bald möchte sie ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei einem Optiker wieder aufnehmen. Zu ihrem Abschluss fehlt ihr noch ein Jahr. Dass sie das Organ eines Fremden in sich trägt, belastet sie nicht. „Es ist schwer, zu verstehen, ich sehe ja nur die Narbe“, sagt sie. „Ich denke einfach nur, dass ich großes Glück habe.“ Manchmal versucht sie trotzdem, sich die Spender-Person vorzustellen. Mehr ist nicht möglich. Aus Datenschutzgründen bleiben Organspender anonym. Irgendwann würde sie sich gern mit einem Brief bei der Familie des Spenders bedanken. „Das geht, ohne dass ich erfahre, um wen es sich handelt“, sagt sie. „Allerdings nur, wenn die Familie zustimmt.“ Man wisse schließlich nie, unter welchen Umständen der Spender ums Leben gekommen ist und wie es den Angehörigen geht.

Krankheit und Operation haben ihre Einstellung zum Leben verändert. Sie sei jetzt demütiger und dankbarer als vorher, erzählt sie. Auch rege sie sich nicht mehr über Kleinigkeiten auf. Sie hofft, dass die Zahl der Spender weiter wächst: „Es wäre schön, wenn sich mehr Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen würden.“

In Wuppertal werden keine Organe transplantiert. Das passiert nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren. Davon gibt es 40 in Deutschland, die nächsten liegen in Köln, Düsseldorf, Essen und Bochum. Die Wuppertaler Krankenhäuser sind „Entnahmekrankenhäuser“: Wenn hier Patienten sterben, die als Spender infrage kommen, werden hier die Organe entnommen.

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Im Helios-Klinikum ist Dr. Gabriele Wöbker Transplantationsbeauftragte, die die Beschäftigten für diese Situation fortbildet und für die Diagnostik des notwendigen Hirntods der Patienten zuständig ist. Seit einer Gesetzesänderung dürfen die Mediziner bereits vor dem Tod der Patienten Kontakt zu den Angehörigen aufnehmen und eine mögliche Organspende ansprechen, berichtet die Ärztin: „Wenn sich abzeichnet, dass es zu einem Hirntod kommen kann.“

Das verschaffe den Medizinern mehr Zeit, habe aber auch für die Angehörigen den Vorteil, dass sie mehr Zeit haben, sich mit der Frage auseinanderzusetzen. Es geht um den Willen des des Patienten, ob er einen Organspendeausweis hat, ob er sich zu dem Thema geäußert hat. Früher seien diese Gespräche erst nach dem Hirntod geführt worden, „jetzt haben wir Zeit, mehrfach zu reden in dieser ohnehin schon maximal belastenden Situation“, erklärt Gabriele Wöbker. Dabei führten sie die Gespräche völlig ergebnisoffen, betont sie. Organspende müsse freiwillig sein. Das erfordere viel Fingerspitzengefühl, daher führten nur erfahrene Kollegen diese Gespräche. Manche Angehörige hätten sich aber auch von selbst Gedanken gemacht. Gabriele Wöbker schätzt, dass in etwa zwei Drittel der Fälle einer Organspende zugestimmt wird.

Sie weiß, dass manche Menschen die Befürchtung haben, bei einer möglichen Organspende könnten die Ärzte nicht mehr alles für die Patienten tun. „Ja, diese Angst ist vorhanden“, sagt sie. Aber sie widerspricht ganz klar: „Dass wir alles ausschöpfen, um den Patienten wieder gesund zu machen, ist gar keine Frage.“ Sie ergänzt: „Ich habe einen Eid geschworen, dass ich alles tue.“

Zudem gebe es klare Regeln. Die Feststellung des Hirntods sei der letzte Schritt, zuvor würden alle medizinischen Mittel ausgeschöpft. Zur Feststellung des Hirntods würden zunächst die Hirnstammreflexe geprüft. Wenn die nicht mehr ansprechbar seien, gehe es darum, zusätzlich die Unumkehrbarkeit des Zustands zu prüfen, etwa durch eine CT-Angiographie oder ein EEG.

Kommt es zur Organspende, verlaufe die Operation dazu „absolut würdevoll“, betont Gabriele Wöbker. Die Operateure kämen von den Häusern, in denen die Organe transplantiert werden, auch in der Nacht, denn Zeit ist ein wichtiger Faktor. Das können verschiedene Teams für die verschiedenen Organe sein. „Es ist ganz still im OP, alle arbeiten maximal konzentriert und wissen, dass die Spende ein Geschenk des Spenders an den Empfänger ist.“ Anschließend werden die Organe in die Transplantationszentren gebracht und dort sofort an einen Empfänger transplantiert.

Zwei Transplantationsfälle sind ihr in besonderer Erinnerung: ein junger Covid-Patient, dessen Lunge durch die Krankheit zerstört wurde, so dass er eine neue Lunge brauchte. Es gab ein Spenderorgen, die Transplantation gelang: „Das war ein langer Weg.“ Jetzt ist der Patient wieder zu Hause.

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Und der Fall eines Patienten, bei dem sich abzeichnete, dass er sterben würde. Seiner Ehefrau war es sehr wichtig, dass er seine Organe spenden kann, denn das sei sein Wille gewesen. Deshalb setzten die Ärzte die Therapie ungewöhnlich lang fort, bis der Hirntod eintrat. Ohne die Therapie wäre er auf eine Weise verstorben, ohne dass die Organe tranplantierbar gewesen wären.

Statistik

In Deutschland warten rund 9400 schwerkranke Menschen auf ein Spenderorgan. Auf Wuppertal umgerechnet wären das 41 Personen in der Stadt. Laut dem Bericht der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden im Jahr 2020 in Wuppertal sechs Personen zum Organspender. Dr. Gabriele Wöbker berichtet von neun Organspendern im Helios-Klinikum 2021.

RGA

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