Studie: „Filmbranche ist durchzogen von struktureller Diskriminierung“

Viele Filmschaffende erfahren Diskriminierung im Arbeitskontext.

Viele Filmschaffende erfahren Diskriminierung im Arbeitskontext.

Die Filmwelt muss nach Meinung etlicher Verbände deutlich mehr gegen Diskriminierung tun. In einer Befragung gaben Hunderte Menschen an, beispielsweise Sexismus oder Rassismus erlebt zu haben. Die Film- und Fernsehbranche sei von „struktureller Diskriminierung vor und hinter der Kamera durchzogen“, teilte Schauspielerin Sara Fazilat vom Bündnis Pro Quote Film mit.

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Die gemeinnützige Organisation Citizens for Europe hatte Mitglieder des Branchenportals Crew United aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Rahmen der Initiative „Vielfalt im Film“ befragt. Die Ergebnisse sind nach Angaben des Forschungsteams nicht repräsentativ, sollen aber Hinweise liefern.

Viele diskriminierende Vorfälle werden nicht gemeldet

Diskriminierung sei ein strukturelles Problem, sagte die wissenschaftliche Leiterin Deniz Yildirim. Von rund 3200 Befragten, die dazu Angaben gemacht hätten, habe die Hälfte angegeben, in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung im Arbeitskontext erlebt zu haben. Diskriminierungs­erfahrungen machten die Befragten vor allem wegen ihres Geschlechts und Alters, außerdem wegen rassistischer Stereotypen, ihres Körpergewichts, der sexuellen Orientierung oder einer Beeinträchtigung oder Behinderung. Die Betroffenen erlebten die Diskriminierung überwiegend bei der Anbahnung eines Filmjobs, etwa beim Vorsprechen. Viele melden der Umfrage nach die Diskriminierung nicht.

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Aus Angst vor Benachteiligungen verleugneten viele homosexuelle oder anders­geschlechtliche Filmschaffende ihre sexuelle Identität. Diskriminierung in der Branche sei ein strukturelles Problem, sagte Deniz Yildirim, wissenschaftliche Leiterin in der Organisation Citizens for Europe (CfE).

80 Prozent haben sexuelle Belästigung im Arbeitskontext erlebt

Die Umfrage warf auch einen Blick auf sexuelle Belästigung. Viele Frauen würden etwa unangemessene sexualisierte Kommentare erleben oder bedrängt. Von rund 2600 Frauen, die dazu Angaben gemacht hätten, hätten etwa 80 Prozent angegeben, in den letzten zwei Jahren mehrfach sexuelle Belästigung im Arbeitskontext erlebt zu haben, 73 Prozent sogar mehrfach.

Auch bei den Inhalten sieht das Bündnis Nachholbedarf. Die Darstellung beispielsweise von arabischen Menschen werde oft als klischeehaft empfunden. Frauen mit asiatischen Wurzeln würden beispielsweise oft übersexualisiert dargestellt, kritisierte die Schauspielerin und Agentin Chun Mei Tan am Mittwoch.

Schauspieler mit türkischen, asiatischen oder arabischen Wurzeln müssen Klischees bedienen

Skadi Loist von der Filmuniversität Babelsberg sieht die Politik und die Filmbranche selbst in der Pflicht. Eine Option sei, mit Quoten zu operieren. Da seien die Förder­institutionen gefragt. Manche hätten schon Diversity-Checklisten in Arbeit. Die Produktionsfirma Ufa habe beispielsweise eine eigene Selbstverpflichtung ausgerufen. Auch innerhalb von Fernsehsendern müsse etwas getan werden.

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Joshua Kwesi Aikins von CfE unterstrich, die Filmbranche in Deutschland sei nach wie vor hierarchisch und patriarchalisch geprägt. Entsprechend würden Schauspieler etwa mit arabischen, asiatischen oder türkischen Wurzeln klischeehaft dargestellt. „Wir sind keine Stereotype“, sagte Autor und Regisseur Dieu Hao Do vom Berlin Asian Film Net (Bafnet): „Mitreden, mitmachen, mitgestalten – das wollen wir.“

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„Der weiße Mann“ steht noch immer im Zentrum der Geschichten

Schauspieler und Produzent Tyron Ricketts kritisierte, bis jetzt würden die meisten Filmgeschichten aus einer eurozentrischen Perspektive erzählt. Dabei sei „der weiße Mann“ oft das Subjekt und alle anderen Objekte der Story. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels „brauchen wir neue Erzählungen“, forderte Ricketts.

Das Bündnis „Vielfalt im Film“ wird von der Anti­diskriminierungs­stelle des Bundes gefördert. Dessen kommissarischer Leiter Bernhard Franke schlug unter anderem Verhaltens­kodizes für Produktionen und ein effektives Beschwerde­management vor. Zudem müssten die entscheidenden Personen sensibilisiert werden. „Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft – diesem Wandel muss sich die Filmbranche stellen“, sagte Franke.

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RND/dpa/epd

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