Autofrachter nach Brand abgeschleppt

„Fremantle Highway“ legt in Eemshaven an: „Für ganz Nordholland ist das ein großes Spektakel“

Der abgebrannte Autofrachter „Fremantle Highway“ kommt unter großem Publikumsinteresse in Eemshaven an.

Der abgebrannte Autofrachter „Fremantle Highway“ kommt unter großem Publikumsinteresse in Eemshaven an.

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Es ist ein Spektakel, das man hier in der niederländischen Gemeinde Het Hogeland sonst nicht gewohnt ist. Hinter flachen Kuhwiesen und spitzen Windrädern liegt der Hafen Eemshaven. Normalerweise verirrt sich kaum ein Tourist an diesen rauen Küstenabschnitt. Doch als sich am Donnerstagmorgen die Nachricht herumsprach, dass die „Fremantle Highway“ hier hergeschleppt werden soll, waren Dutzende Schaulustige schnell vor Ort.

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Alle wollten einen Blick auf den Autofrachter erhaschen, der vor über einer Woche vor der niederländischen Küste Feuer fing.

Bei dem Unglück war ein Besatzungsmitglied ums Leben gekommen, das Feuer selbst – ausgelöst womöglich durch die Batterie eines Elektroautos – war kaum zu löschen. Der Untergang des Schiffes und eine Umweltkatastrophe wurden befürchtet. Die Besatzungsmitglieder saßen „wie Ratten in der Falle“, so beschrieb es der Kapitän eines Rettungsschiffes später. Sie wurden mit Hubschraubern gerettet und verletzt in Krankenhäuser gebracht. Inzwischen wurden bis auf den Kapitän alle entlassen.

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Um kurz nach 13 Uhr am Donnerstag dann die erlösende Nachricht: Die „Fremantle Highway“ ist sicher in Eemshaven angekommen, das Feuer mittlerweile gelöscht. „Die Abschleppfahrt verlief ohne Probleme“, teilte die nationale Wasserbehörde mit. Arbeiter in orangefarbenen Jacken betraten das Schiff. Es sind die Experten, die nun prüfen, ob der Frachter einen Totalschaden hat.

Danach muss der japanische Eigentümer entscheiden, ob das Schiff zu einer Werft geschleppt werden soll, um es zu reparieren oder abzuwracken. „Das geht nicht in Eemshaven“, erklärte der Chef des Bergungsunternehmens Boskalis, Peter Berdowski. Der komplizierte Transport sei also nicht die letzte Reise der „Fremantle Highway“.

Für einige Tage oder Wochen wird der beschädigte Metallkoloss nun dort liegen, im tiefsten Hafenbecken des Eemshavens, dem Julianahaven, bevor die ersten Autos von Bord geholt werden können. „Die Ermittlungen zur Brandursache haben jetzt erst mal Priorität“, sagte Hafenmeister Pieter van der Wal von Groningen Seaports. Wann dann mit der Entladung des Schiffes begonnen werden könne, sei noch nicht absehbar. Der Frachter hatte rund 3800 Autos an Bord, darunter etwa 500 E‑Autos. Wie viele davon das Feuer überstanden haben, ist unklar. Auch Schadstoffe und Schweröl müssen entsorgt werden.

Experten begutachten Frachter

Einige Schaulustige beobachten mit dem Fernglas, wie die Männer in den orangefarbenen Jacken über das verkohlte Oberdeck stapfen und die Schäden dokumentieren. Möwen kreisen über ihren Köpfen, als würden sie ihnen dabei helfen. „Das ist wie bei einem Mord“, sagt van der Wal, „zuerst muss geklärt werden, was überhaupt passiert ist.“

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Arbeiter beaufsichten an Bord des schwer beschädigten Autofrachters „Fremantle Highway“ das Anlegemanöver im Hafen.

Arbeiter beaufsichten an Bord des schwer beschädigten Autofrachters „Fremantle Highway“ das Anlegemanöver im Hafen.

Bei einer ersten Inspektion hätten die Experten festgestellt, dass vier der elf Decks fast unbeschädigt waren, sagt Berdowski am Nachmittag. Möglicherweise sei ein Teil der Ladung nur gering beschädigt.

Die neue Attraktion des Hafens

Auch am Nachmittag kommen noch immer Schaulustige am Hafen an. Der immer wieder einsetzende Regen hält sie nicht davon ab, ein Erinnerungsfoto zu knipsen. Ein einzelner Securitymitarbeiter weist den ankommenden Autos die Parkplätze am Straßenrand zu, die sonst keine sind. Menschen, die zu neugierig sind und sich zu nahe an den Zaun wagen, werden ermahnt.

Zuvor hatte der Hafenbetreiber gelbe Container um das Hafenbecken herum aufgebaut. Ein freier Blick auf die Anlegestelle ist dadurch versperrt. Doch die „Fremantle Highway“ ist groß genug, dass sie die gelben Container überragt. Schwarze Flecken an der Fassade des Frachters lassen erahnen, wo das Feuer besonders heftig wütete.

Hinter den gelben Containern liegt der abgeschleppte Autofrachter. Für viele Menschen ist er eine Attraktion.

Hinter den gelben Containern liegt der abgeschleppte Autofrachter. Für viele Menschen ist er eine Attraktion.

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Die Schäden nun mit eigenen Augen zu sehen ist für viele ein Highlight. Auch für Yolanda und Rudy. Sie wohnen in Zuidhorn bei Groningen, etwa eine halbe Stunde vom Hafen entfernt. Mit ihren beiden Kindern waren sie bei Freunden in Deutschland. Jetzt, auf dem Rückweg, wollten sie sich die neue Sehenswürdigkeit der Gemeinde nicht entgehen lassen. „Es war ja überall im Fernsehen“, sagt Rudy. „Nur schade, dass wir jetzt erst kommen.“ Wie die Schlepper den beschädigten Schiffsriesen langsam in den Hafen gezogen und ihn schließlich sicher angelegt haben, hätte er gerne gesehen.

Naturkatastrophe verhindert

Aber auch das Schiff jetzt hier liegen zu sehen sei „beeindruckend“, erklärt Yolanda. „Für ganz Nordholland ist das ein großes Spektakel.“ Schäden für die Umwelt fürchtet sie durch das geglückte Abschleppmanöver nun nicht mehr. Auch Hafenmeister van der Wal gibt Entwarnung: „Wir haben dafür gesorgt, dass das Wattenmeer und die Watteninseln nicht verschmutzt wurden, und darauf sind wir stolz“, sagt er dem niederländischen Fernsehen. „Das gibt uns ein Gefühl der Zufriedenheit.“

Sicherer Hafen erreicht: Beschädigter Frachter „Fremantle Highway“ in Eemshaven angekommen

Die Gefahren für die Umwelt waren groß. Nun ist der Frachter sicher im niederländischen Eemshaven eingefahren.

Wie die nationale Wasserbehörde mitteilte, sei bisher kein Schweröl in das Wasser gelangt. „Bei Bedarf platzieren wir ein ölleitendes Sieb rund um das Schiff, um die Kontamination zu begrenzen“, hieß es in einer Mitteilung. Eine größere Katastrophe konnte somit verhindert werden. Unter den Schaulustigen am Hafen macht sich fast ein bisschen Happy-End-Stimmung breit.

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Auch Sandra hat mit ihrer Familie einen Abstecher zum Ort der Attraktion gemacht. Sie kommen aus der Nähe von Oldenburg, haben nach Groningen einen Tagesausflug gemacht. „Als wir das heute Morgen gelesen haben, haben wir uns entschieden, dass wir uns das mal anschauen wollen“, sagt sie. „Die Kinder fanden es zwar etwas albern, aber so etwas Spektakuläres kommt ja nicht jeden Tag vor“, sagt sie und lacht.

Am Abend ist das Spektakel dann aber auch so schnell vorbei, wie es angefangen hat. Der improvisierte Parkplatz vor dem Hafen wird leerer, die letzten Handyfotos werden geschossen. Die meisten Fernsehteams sind abgereist, die orangefarbenen Jacken verschwunden. Nur der verkohlte Metallkoloss liegt noch im Hafenbecken und wartet auf sein Schicksal.

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