Berufungsverfahren in Münster beginnt

Wie extrem ist die AfD?

Das war die erste Instanz: Vor fast genau zwei Jahren wartete AfD-Chef Tino Chrupalla im sogenannten „Kristallsaal“ der Kölner Messe, der für das Verfahren vor dem Kölner Verwaltungsgericht zu einem Gerichtssaal umgewandelt wurde.

Das war die erste Instanz: Vor fast genau zwei Jahren wartete AfD-Chef Tino Chrupalla im sogenannten „Kristallsaal“ der Kölner Messe, der für das Verfahren vor dem Kölner Verwaltungsgericht zu einem Gerichtssaal umgewandelt wurde.

Berlin. Wie rechtsextrem ist die AfD und wie intensiv darf sie beobachtet werden? Mit dieser Frage wird sich am Dienstag und wahrscheinlich auch am Mittwoch in Münster das für Nordrhein-Westfalen zuständige Oberverwaltungsgericht (OVG) beschäftigen. In einer zunächst für bis zu zwei Tage angesetzten Berufungsverhandlung soll das Gericht klären, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als Rechtsextremismus-Verdachtsfall einstufen darf. Zudem geht es auch um die Einstufung des offiziell aufgelösten „Flügel“ der AfD zunächst als Verdachtsfall und dann als „gesichert extremistische Bestrebung“ sowie die Einstufung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als Verdachtsfall.

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Geklagt hatten die AfD und die JA gegen die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vor zwei Jahren in Köln, wo der deutsche Inlandsnachrichtendienst seinen Hauptsitz hat. Die Kölner Verwaltungsrichter erklärten die Einstufung und Beobachtung für rechtmäßig. Das greifen AfD und JA nun in der Berufung vor dem OVG Münster an.

Entscheidung mit weitreichenden Folgen

Das Münsteraner Urteil wird auch in der Politik mit Spannung erwartet. Sollten die Richter der AfD recht geben und die Einstufung der Partei als Verdachtsfall für nicht rechtmäßig erklären, wäre das ein wichtiger Sieg für die AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz müsste unter Umständen nicht nur darauf verzichten, die Partei öffentlich als Rechtsextremismus-Verdachtsfall zu bezeichnen, sondern auch auf den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die AfD. Als wahrscheinlich gilt ein solcher Sieg der AfD jedoch nicht.

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Sollten die Münsteraner Richter dagegen das Urteil der Erstinstanz und damit die Bewertung des Verfassungsschutzes bestätigen, würde das voraussichtlich den Weg freimachen für eine mögliche Hochstufung der gesamten AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“. Eine solche Einstufung durch das BfV würde nicht nur einen breiteren Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel – also Abhörmaßnahmen, Observationen oder den Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und V-Leuten – ermöglichen. Sie wäre auch ein wichtiger Zwischenschritt für ein mögliches späteres Parteiverbotsverfahren gegen die AfD. Für ein solches Verbotsverfahren, das Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht beantragen können, zeichnen sich bislang allerdings keine politischen Mehrheiten ab.

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Nervosität in der AfD

Bislang wurde die AfD bereits in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft. Den Umfragewerten der Partei hat diese Einstufung in den Bundesländern bislang nicht geschadet. In der Öffentlichkeit gibt sich die AfD in dieser Frage oft gelassen, stellt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz als „Auszeichnung“ für die Partei dar und spottet über den Inlandsnachrichtendienst als „Regierungsschutz“.

Vor der Berufungsverhandlung in Münster wirkt die Partei aber nervös. In der AfD will man eine Gerichtsentscheidung, die nur noch durch Revision zum Bundesverwaltungsgericht angegriffen werden könnte, am liebsten hinauszögern. Dem Vernehmen nach könnten die Prozessvertreter der AfD am Dienstag eine Vielzahl an Beweisanträgen stellen und neue Zeugen benennen. Das Gericht müsste dann entscheiden, ob es diese Beweisanträge annimmt. Die AfD könnte vor Gericht insbesondere versuchen, Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über rechtsextreme Bestrebungen in der AfD in Zweifel zu ziehen. Ein Thema dürfte dabei auch der Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und V-Leuten des BfV werden. Aus der AfD wird der Vorwurf laut, V-Leute könnten die Partei nicht nur ausforschen, sondern auch als Provokateure tätig und für rechtsextreme Äußerungen verantwortlich sein. Die AfD-Prozessvertreter könnten vor Gericht eine Erklärung des BfV verlangen, dass belastende Aussagen aus der Partei nicht durch mögliche V-Leute oder verdeckte Ermittler in Chatgruppen beeinflusst wurden.

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Das Verfahren könnte sich ziehen

Ob bereits am Dienstag oder Mittwoch ein Urteil fällt, ist bislang nicht absehbar. Offen ist auch, wann der Prozess andernfalls fortgesetzt werden konnte. Ursprünglich hatte die Berufungsverhandlung schon im Februar stattfinden sollen, die Termine am 12. und 13. März hatte das Oberverwaltungsgericht als Zusatztermine für eine mögliche Verlängerung geblockt. Auf Verlangen der AfD wurde die Verhandlung im Januar allerdings auf diese beiden Tage verschoben, weil das BfV Anfang des Jahres umfangreiche zusätzliche Unterlagen zum Prozess übermittelt hatte. Mögliche Zusatztermine für eine Verlängerung der Verhandlung gibt es deshalb bisher nicht.

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