Ziemlich beste Autokraten-Freunde

Nie war Erdogan für Putin so wertvoll wie heute

Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin

Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin

So sieht also die neue Weltordnung aus, der Gegenentwurf zur westlich dominierten Nachkriegsordnung: Xi Jinping, Präsident des lückenlosesten Überwachungsstaates der Welt, der sich zum Ziel gesetzt hat, das demokratische Taiwan zu schlucken, trifft in der usbekischen Hauptstadt Samarkand den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der vor sieben Monaten in seinem Nachbarland Ukraine eingefallen ist.

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Dazu gesellt sich Premierminister Narendra Modi, viele sehen in dem Hindu-Nationalisten den Totengräber der indischen Demokratie, zudem ein halbes Dutzend mittelasiatischer Ex-Sowjetrepubliken und als Beitrittskandidat der Iran.

Dass zum Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) am Freitag auch der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdogan stieß, immerhin der Präsident eines Nato- und (beinahe vergessen!) EU-Beitrittslandes, kann als propagandistischer Coup von Putin und Xi gesehen werden, verwundert aber in Wahrheit nicht.

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Trotz anfänglich deutlicher Kritik am Einmarsch in der Ukraine hat sich das Bündnis der beiden Autokraten, das darauf basiert, die jeweiligen Machtinteressen und Einflusssphären der anderen Seite zu respektieren und abzustecken, verfestigt. Beide kennen einander gut, schätzen einander, ticken ähnlich.

Sie haben ihre Lehren aus dem Vorfall vom 24. November 2015 gezogen, als türkische Luftstreitkräfte über dem syrisch-türkischen Grenzgebiet eine russische Militärmaschine vom Typ Su-24 abschossen und es beinahe zum Krieg zwischen beiden Staaten gekommen wäre.

Es ist eine gute Gelegenheit, sich darüber auszutauschen, wie effizient das Abkommen über die Getreideausfuhr aus den ukrainischen Häfen ist.

Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow

Beim Treffen zwischen Putin und Erdogan am Freitag sollte es um eine stärkere Zusammenarbeit im militärtechnischen Sektor, in den Bereichen Energie und Wirtschaft gehen, hieß es vom Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow. „Dazu gehören sowohl Syrien, als auch die Ukraine. Es ist eine gute Gelegenheit, sich darüber auszutauschen, wie effizient das Abkommen über die Getreideausfuhr aus den ukrainischen Häfen ist“, so Peskow.

Der russischen Seite geht es dabei vor allem darum, dass nun – wie mithilfe der Türkei und der Vereinten Nationen vereinbart – auch Beschränkungen für die Ausfuhr von russischem Getreide und Düngemitteln aufgehoben werden.

In Bezug auf die westlichen Sanktionen spiele die Türkei für Russland gerade generell eine wichtige Rolle, äußerte Amur Gadgijew, Direktor des Zentrums für Studien der modernen Türkei in Moskau, gegenüber „tagesschau.de“. Über die die Pipelines Turk Stream und Blue Stream wird Gas in die Türkei und andere Staaten geliefert. Die Türkei springe auch dort ein, wo es – bedingt durch den Rückzug westlicher Firmen vom russischen Markt – Waren- und Lieferengpässe gibt.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (l) überreicht Haluk Bayraktar, CEO des türkischen Unternehmens Baykar Makina, einem renommierten Hersteller von Kampfdrohnen, den ukrainischen Staatspreis.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (l) überreicht Haluk Bayraktar, CEO des türkischen Unternehmens Baykar Makina, einem renommierten Hersteller von Kampfdrohnen, den ukrainischen Staatspreis.

Spekuliert wird über eine mögliche Zusammenarbeit im Fall der türkischen Bayraktar-Kampfdrohnen. Noch vor kurzem hatte der Geschäftsführer des türkischen Unternehmens in der BBC einen Deal mit Russland ausgeschlossen.

„Ganz gleich, wie viel Geld sie uns anbieten, in dieser Situation kommt es nicht in Frage, ihnen Drohnen zu überlassen. Im Moment unterstützen wir voll und ganz die ukrainische Seite“, hatte Haluk Bayraktar gesagt. Schon früher hatte die türkische Regierung mit Moskau auch gegen Widerstände Waffengeschäfte vereinbart – so den Kauf des Raketenabwehrsystem S-400, sehr zum Ärger der Amerikaner.

Krieg

Rauch steigt nach dem Einschlag einer Rakete der syrischen Armee über Duma auf. Wegen der anhaltenden Angriffe auf die belagerten Gebiete Afrin und Ost-Ghuta in Syrien sind erneut tausende Menschen aus den heftig umkämpften Gegenden geflohen.

Gut möglich, dass Erdogan Moskau dafür Zugeständnisse in anderen Regionen abhandelt: In Syrien würden die Türken gern eine Militäroperation gegen die Kurden starten. Auch in Libyen oder im Konflikt um die Kaukasus-Region Bergkarabach vertreten Moskau und Ankara unterschiedliche Interessen, stehen auf unterschiedlichen Seiten.

Was die beiden Staatenlenker verbindet, ist ihre Ablehnung des Westens, ihre sehr eigenen Vorstellungen von „gelenkter Demokratie“, was auch Wahlmanipulationen, die Unterdrückung der Opposition, Gleichschaltung der Medien und Willkür gegen öffentliche Protest betrifft.

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Was beide auch verbindet: Sie betreiben eine konfrontative Außenpolitik, halten Krieg für ein legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen. Sie definieren, besser legitimieren ihr Rolle als „Führer“ ehemaliger Großreiche mit historischen Ansprüchen. Ihre wirtschaftlichen Bilanzen fallen dagegen bescheiden aus, ihre Länder sind wirtschaftlich eher schwach und stehen perspektivisch vor enormen ökonomischen Herausforderungen.

Mit Agenturmaterial

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