Ribéry und das Skandal-Steak: Einmal Currywurst mit Gold, bitte

Das Provokative an vergoldetem Essen wie dem Steak, das Franck Ribéry unlängst aß, liegt darin, dass der Reiche bei dieser Art von Protzerei fürs ausgegebene Geld schon gar keinen Gegenwert mehr will.

Das Provokative an vergoldetem Essen wie dem Steak, das Franck Ribéry unlängst aß, liegt darin, dass der Reiche bei dieser Art von Protzerei fürs ausgegebene Geld schon gar keinen Gegenwert mehr will.

Hannover. Nur 17 Euro, da kann man nicht meckern. Es ist ein verhältnismäßig fairer Preis, den das Restaurant „Quaree“ im Berliner Hotel Adlon für seine Currywurst aufruft. Denn es geht ja nicht um irgendeine Currywurst. In dem Nobelhotel am Brandenburger Tor wird die rote Soße auf der Wurst nicht nur mit Curry bestäubt, sondern auch mit einem Pulver aus echtem Blattgold.

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Das Edelmetall sei geschmacksneutral, sagen Fachleute, und es komme nur aus optischen Gründen ins Spiel, „als glitzernder Hingucker“. Ein Glitzern soll am Ende auch in den Augen der Gäste liegen, die sich über ihre Würste hinweg zuzwinkern: Das hier ist jetzt vielleicht echt ein bisschen abgedreht – aber egal. Jetzt leisten wir uns mal etwas ganz Besonderes.

Was ist bloßer Luxus? Was bereits Dekadenz? Diese Grenze zu ziehen bleibt jedem selbst überlassen. Festzustellen ist jedenfalls, dass die Trennlinien sich insgesamt zu verschieben scheinen: in Richtung einer nie da gewesenen Protzerei.

Mein Haus, mein Auto, mein Boot

Dem Bayern-München-Kicker Franck Ribéry gefiel es jüngst, in einem Restaurant in Dubai ein 1200 Euro teures Steak zu essen, das in Blattgold gehüllt war. Bei einem solchen Mahl – es geht, wie gesagt, um Optik – stellt sich der volle Genuss erst ein, wenn der Esser ein Video davon ins Netz hochgeladen hat.

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Da sieht man dann: Ribéry, wie er sich erwartungsvoll die Hände reibt. Ribéry, wie er andächtig dem Koch zusieht, der den Knochen ablöst. Ribéry, wie er mit großer Geste viel Salz streut auf das Gemisch aus Gold und Fleisch auf seinem Teller. Wer bietet mehr?

Zu allen Zeiten zeigten Reiche ihren Reichtum: mein Haus, mein Auto, mein Boot. Der Fußballer Pierre-Emerick Aubameyang vom FC Arsenal zum Beispiel ließ sich Ende vorigen Jahres seinen Lamborghini vergolden. Das schuf zwar ebenfalls den Eindruck von Geld im Überfluss. Doch mehr Schlagzeilen in der Presse und mehr Vibrationen im Netz löste Ribéry aus. Klar: Aubameyang hat das Gold nicht auch noch gegessen. Das ist ein nicht ganz unwichtiger Unterschied.

„Wer von euch Hatern hat mit zwölf Geschwistern in zwei Zimmern gewohnt?“

Sawsan Chebli, Staatssekretärin im Berliner Senat, geriet jüngst ebenfalls in einer aufgeregten Luxusdebatte in Turbulenzen. Missgünstige hatten an ihrem Handgelenk eine teure Rolex-Armbanduhr entdeckt – und gossen auf Twitter prompt kübelweise Hohn aus: „Das ist alles, was man zum Zustand der deutschen Sozialdemokratie wissen muss.“

Chebli, Tochter palästinensischer Zuwanderer, wetterte wacker alles ab: „Wer von euch Hatern hat mit zwölf Geschwistern in zwei Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen und gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate auf Holzbuntstifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist.“

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Vor allem half es Chebli, dass sie unterm Strich nur etwas ganz Klassisches getan hatte. Sie hatte für viel Geld etwas Wertvolles, Bleibendes, sogar Vererbbares gekauft.

So kann man billiges Essen im Handumdrehen viel teurer machen: Currywurst, Pommes Frites und Blattgold.

So kann man billiges Essen im Handumdrehen viel teurer machen: Currywurst, Pommes Frites und Blattgold.

Im Fall des Goldsteaks sieht alles etwas anders aus. Das Provokative liegt darin, dass der Reiche bei dieser Art von Protzerei fürs ausgegebene Geld schon gar keinen Gegenwert mehr will. Wer vergoldetes Essen zu sich nimmt, spült Geld im Klo runter. Unverdaut wird die preissteigernde Substanz wieder ausgeschieden, via naturalis, wie es im Medizinerlatein heißt: auf natürlichem Weg.

Die Investition in ein vergoldetes Essen läuft auf nichts anderes hinaus als eine bloße Show, eine Geste, und zwar keine schöne. Materiell wird nichts verändert außer der Zusammensetzung der eigenen Exkremente. Kommunikativ und emotional indessen bringt der Goldesser um sich herum viel in Bewegung mit seiner mehr als eigenwilligen Botschaft: Seht her, ich bin derartig reich, dass es mir Spaß macht, einen Teil meines Geldes einfach mal völlig sinnfrei zu vernichten.

Diese Haltung ist nicht nur unsympathisch, sie ist auch ethisch angreifbar. Und deshalb wäre es falsch, nur die schlichte Parole des FDP-Manns Wolfgang Kubicki gelten zu lassen, jeder könne doch mit seinem selbst verdienten Geld machen, was er will.

Ausgesucht zynisch

Rechtlich stimmt das natürlich. Superstars und Superreiche könnten sich ohne jedes juristische Problem auch vor die Kamera setzen, ein Dutzend 100-Euro-Scheine auf einem Teller anzünden und die Asche zum Schluss in Richtung des Publikums pusten: Es wird niemand gefährdet, es werden keine Rechte Dritter verletzt.

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Das Problem ist ethischer Natur. Was soll und was wird wohl die mit dem Goldsteak verbundene Botschaft bewirken in einer Welt, die ohnehin schon in immer krasserer Weise in Arm und Reich zerfällt?

Hat Ribéry, als er stolz die Goldsteakbilder um die Welt schickte, vergessen, dass er vielen Jugendlichen als Vorbild dient? Ja, der Mann kommt aus einfachsten Verhältnissen. Und ja, er hat schon viel Geld gespendet auf seinem Weg. Nun aber zelebriert er eine ausgesucht zynische Version des ultimativen Coolseins in modernen Zeiten.

Das exakte Gegenteil von mehr Miteinander

Dazu passt die asoziale Art und Weise, wie Ribéry seine Kritiker anging: Sie verdankten ihre Existenz geplatzten Kondomen, höhnte er. Es folgten weitere Beleidigungen und Kraftausdrücke – die übrigens allen liberalen Verteidigern wie Kubicki zu denken geben sollten.

Wir leben in Zeiten von wachsendem Hass und wachsender Vereinzelung. Gut gebrauchen könnten Deutschland und Europa jetzt Impulse für mehr Achtsamkeit, mehr Nachdenklichkeit, mehr Miteinander. Ribéry liefert exakt das Gegenteil. Er bietet der Jugend Europas das Bild des eiskalt glitzernden Reichtums eines Einzelnen. Und wie in einem Gangsterfilm mischen sich Narzissmus und Zynismus.

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Könnte ein aus Frankreichs Problemregionen stammender in München spielender Multimillionär sich nicht zur Abwechslung mal überlegen, wie man Bilder ganz anderer Art erzeugen könnte? Bilder eines neuen Zusammenrückens in Europa?

Dekadenz wird zum Trend

Goldsteaks setzen das falsche Signal. Sie weisen in eine Zukunft, in der Wohlhabende die Spaltung der Gesellschaft in oben und unten noch stärker zelebrieren als bisher. Die Folge könnte sein, dass dem großen Goldsteakesser Ribery viele kleine Goldwurstesser folgen: Normalverdiener, die unbedingt ein Zeichen setzen wollen dafür, dass auch sie etwas Unsinniges zu tun imstande sind.

So wird das Dekadente zum Trend. In Düsseldorf wird bereits Goldcurrywurst zum Champagner gereicht, in London und in den Niederlanden wetteifern Restaurants um die Frage, wer wohl den teuersten Burger der Welt auf den Teller bringt. Überall ist Blattgold im Spiel. Sind wir alle eigentlich noch zu retten?

Als vor 70 Jahren das deutsche Grundgesetz geschrieben wurde, hatten dessen Väter und Mütter eine andere Gesellschaft vor Augen, nicht durchgeknallt, eher solidarisch. Das Grundgesetz betont die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Garantie des Eigentums. Es deutet an vielen Stellen aber auch aufs Soziale, am deutlichsten in Artikel 14 Absatz 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Glücklich der, dem alles zu Gold wird, was er anfasst. Oder? Dem König Midas, phrygischer Herrscher im 8. Jahrhundert vor Christus, wurde diese Gabe zum Verhängnis. Der Sage nach hatte der Gott Dionysos dem König einen Wunsch gewährt – dass alles zu Gold werde, was er berührt. Vergnügt verwandelte Midas Steine und Wasser, Zweige und Blumen. Doch als er essen wollte, wurde das Brot zum Goldklumpen, wie das Obst, das Fleisch und der Wein. Und als er seine Tochter umarmte, erstarrte sie zur güldenen Statue. Dionysos musste den verzweifelten Midas vom Fluch des Goldes erlösen.

Glücklich der, dem alles zu Gold wird, was er anfasst. Oder? Dem König Midas, phrygischer Herrscher im 8. Jahrhundert vor Christus, wurde diese Gabe zum Verhängnis. Der Sage nach hatte der Gott Dionysos dem König einen Wunsch gewährt – dass alles zu Gold werde, was er berührt. Vergnügt verwandelte Midas Steine und Wasser, Zweige und Blumen. Doch als er essen wollte, wurde das Brot zum Goldklumpen, wie das Obst, das Fleisch und der Wein. Und als er seine Tochter umarmte, erstarrte sie zur güldenen Statue. Dionysos musste den verzweifelten Midas vom Fluch des Goldes erlösen.

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Zu dieser umsichtigen, abwägenden, konsensorientierten Grundausrichtung der Verfassung passt Freiheit im Umgang mit eigenem Geld, aber kein narzisstischer Exzess und erst recht kein gegen den Rest der Welt erhobener Mittelfinger.

Das Pärchen, das vielleicht gerade dabei ist, nahe dem Brandenburger Tor vergoldete Würste zu bestellen und wohlig schaudernd die darin liegende Ruchlosigkeit zu genießen, möge innehalten. Zu erwägen wäre alternativ der Kauf zweier Würste ohne Gold zum Preis von je 3 Euro.

Gegenüber der Gesamtrechnung im Adlon (34 Euro) bliebe eine Ersparnis von 28 Euro – exakt der Betrag, den man braucht, um etwa bei der Hilfsorganisation Plan die Patenschaft für ein Kind in der Dritten Welt für einen kompletten Monat zu übernehmen.

Von Matthias Koch

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