Verbot mit Ausnahme – Abgeordnetengruppe schlägt Neuregelung zur Sterbehilfe vor

Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, Lars Castellucci, SPD und Benjamin Strasser, FDP (v. l.) stellen einen Gesetzentwurf zur Suizidbeihilfe vor.

Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, Lars Castellucci, SPD und Benjamin Strasser, FDP (v. l.) stellen einen Gesetzentwurf zur Suizidbeihilfe vor.

Berlin. Eine Gruppe von Abgeordneten aus nahezu allen Fraktionen im Bundestag startet einen neuen Anlauf zur Regulierung der Hilfe bei der Selbsttötung. Parlamentarier von SPD, FDP, Grünen, Union und Linken präsentierten am Donnerstag in Berlin einen Entwurf für ein Gesetz, mit dem die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid grundsätzlich wieder unter Strafe gestellt werden soll. Ausnahmen soll es nur unter engen Bedingungen geben. Zudem fordern die Abgeordneten eine Stärkung der Suizidprävention in Deutschland.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das erst 2015 verabschiedete Verbot der organisierten, sogenannten geschäftsmäßigen Suizidassistenz gekippt, mit dem die Aktivitäten von Sterbehilfevereinen unterbunden werden sollten. Das Gericht sah das Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt, weil es durch die Gesetzesänderung de facto auch Ärzten untersagt war, bei einem Sterbewunsch zu helfen. Bei der Suizidassistenz werden einem Sterbewilligen etwa todbringende Medikamente überlassen, aber nicht verabreicht. Dies wäre eine Tötung auf Verlangen, die in Deutschland weiter strafbar ist.

Nach dem Entwurf der Abgeordnetengruppe soll „zum Schutz der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zu Selbsttötung“ die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung strafbar sein – aber mit einer Ausnahmeregelung für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine umfassende ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.

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Aufklärung über Alternativen und mögliche soziale Folgen

Bei der Beratung sollen Menschen, die sich mit dem Gedanken eines Suizids tragen, über Alternativen und mögliche soziale Folgen ihrer Selbsttötung aufgeklärt werden. Sind zwei Untersuchungstermine etwa aufgrund einer unheilbaren und weit fortgeschrittenen Krankheit nicht zumutbar, soll eine Untersuchung ausreichen.

„Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern“, sagte der SPD-Politiker Lars Castellucci bei der Vorstellung eines Gesetzentwurfs in Berlin. Wenn der Zugang dazu leichter wäre als zu palliativer Versorgung, fürsorgender Pflege oder Psychotherapie, entstünde eine gefährliche Schieflage.

Die Gruppe dringt in einem ergänzenden Antrag daher auf eine Stärkung individueller Angebote etwa auch zur Schuldner- oder Suchtberatung, wie der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser sagte. „Der assistierte Suizid darf nicht als Ausgleich anderer Versorgungsdefizite dienen“, heißt es in dem Antrag. Unterstützt werden die beiden Papiere unter anderem auch von Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Ansgar Heveling (CDU), Kathrin Vogler (Linke), Konstantin von Notz (Grüne) sowie Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

Vor einem Jahr – noch in der vorigen Wahlperiode – waren bereits zwei Initiativen zur Neuregelung vorgestellt worden. Eine Gruppe aus Abgeordneten von FDP, SPD und Linken hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Betroffenen Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung eröffnen soll – aber mit Schutzkonzepten und Beratung.

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Zu der Gruppe gehörte damals auch der jetzige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Eine ähnliche Zielrichtung hatte eine Initiative der Grünen-Parlamentarierinnen Renate Künast und Katja Keul. Bisher gibt es im Parlament noch keine Entscheidung darüber, wann und in welcher Form über eine Neuregelung der Sterbehilfe beraten wird. Möglicherweise gibt es zunächst erneut eine Orientierungsdebatte.

Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern:

Telefonhotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste: (0800) 111 0 111 (ev.)(0800) 111 0 222 (rk.)(0800) 111 0 333 (für Kinder / Jugendliche)

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