Russische Streitkräfte setzen Störsender ein

US-Bomben extrem störanfällig: Ukraine steht laut geleakten Dokumenten vor großen Problemen

Das Bild zeigt einen Kampfjet von Südkorea beim Abwurf von zwei JDAM-Bomben (Symbolbild).

Das Bild zeigt einen Kampfjet von Südkorea beim Abwurf von zwei JDAM-Bomben (Symbolbild).

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Die Ukraine hat offenbar massive Probleme mit den JDAM-ER-Bomben aus den USA. Dabei handelt es sich um nachgerüstete Freifallbomben, die mit einer GPS-Steuerung ausgestattet wurden. Einmal aus einem Flugzeug abgeworfen, finden JDEM-Bomben (Joint Direct Attack Munition) autonom ihr Ziel. Sie werden durch Sensoren und Satellitennavigation gesteuert und passen ihre Flugbahn an. Ein ebenfalls nachgerüstetes Leitwerk steuert die smarten Bomben dann zum Ziel.

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Die Ukraine hat einige dieser JDAM-Bomben aus den USA erhalten, wie sowohl die US-Regierung als auch das ukrainische Militär bestätigt hatten. Laut den Leaks ist die Erfolgsrate der GPS-gesteuerten Bomben in der Ukraine aber überraschend gering. Der Grund: Sie sollen anfällig für russische Störsender sein, wie aus Geheimdienstpapieren hervorgeht, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegen.

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Laut der „Washington Post“ soll der Urheber der jüngst an die Öffentlichkeit gelangten US-Geheimdienstdokumente ein junger Militärmitarbeiter sein.

Laut den US-Dokumenten wurde den ukrainischen Streitkräften nun empfohlen, zuerst die Störsender der russischen Streitkräfte anzugreifen, bevor sie JDAM-Bomben abwerfen. Allein vier von mindestens neun abgeworfenen Bomben sollen wegen der Störsender ihre Ziele bereits verfehlt haben. Das ist beachtlich, denn eigentlich sind JDAM-ER für ihre Präzision bekannt. Sie haben eine Reichweite von bis zu 72 Kilometern und können ihre Ziele auf etwa zehn Meter genau treffen. Jede dieser smarten Bomben kostet etwa 25.000 US-Dollar. Hergestellt wurden sie in der Vergangenheit vom US-Konzern Boeing. Seit 1998 sollen mehr als eine halbe Million dieser Bomben produziert worden sein.

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Katz-und-Maus-Spiel

Wie ist es möglich, dass die russischen Streitkräfte selbst diese smarten Bomben ausschalten können? Oberst Markus Reisner warnt davor, Russland zu unterschätzen, und erklärt im Gespräch mit dem RND: „Die JDAM-Bomben wurden in den letzten Jahrzehnten vor allem für Einsätze wie in Afghanistan und im Irak entwickelt.“ Dort verfügten die Gegner aber nicht über Mittel zum Stören der GPS-Verbindungen. Anders sieht es bei den russischen Streitkräften aus. „Sie haben traditionell gute Radarsysteme und verfügen über eine Vielzahl elektromagnetischer Störsender“, erklärt der Experte. Es gebe sogar klare Hinweise, dass sie immer wieder auch Himars-Raketen abschießen. „Darum mussten die USA den Ukrainern zum Beispiel Anti-Radar-Raketen liefern, um dieses wirkungsvolle russische Fliegerabwehrsystem bekämpfen zu können.“

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Für die ukrainischen Streitkräfte bedeutet das nun: Sie müssen erst einmal die Störsender aufspüren, dann zerstören und schließlich hoffen, dass die russischen Streitkräfte über keine weiteren Störsender in der Nähe verfügen. Für Reisner ein Beispiel dafür, dass Kriegsführung alles andere als einfach ist. „Wir erleben ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die beiden Parteien immer wieder auf die neuen Waffen und Taktiken des jeweils anderen reagieren“, sagt der Experte. Das zeigt sich auch an anderer Stelle: Die Ukraine setze nun zum Beispiel auf den massiven Einsatz von Drohnen, weil es ihnen an weitreichenden Boden-Boden-Raketen mangelt. Russland dagegen verwende vermehrt Freifallbomben, so Reisner, weil der Ukraine immer mehr Flugabwehrmittel fehlten und die russischen Kampfflugzeuge sich weiter in den ukrainischen Luftraum vorwagen könnten.

Störsender nicht das einzige Problem

Doch Störsender sind nicht das einzige Problem, dass die Erfolgsrate der GPS-gesteuerten Bomben senkt. Einige alte Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe sind laut dem Papier nicht vollständig kompatibel mit den US-Bomben. Das hat zur Verfolge, dass eine abgeworfene Bombe zum Blindgänger werden kann, also nicht scharf gestellt ist, erklärt Oberst Reisner im Gespräch mit dem RND. Laut dem geleakten Dokument ist dies in mehreren Fällen vorgekommen, unter anderem am 15. Februar.

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Damit die US-Hightechbomben in älteren sowjetischen Kampfflugzeugen genutzt werden können, müssen diese umgerüstet werden. In der Vergangenheit hat unter anderem Polen diese Umrüstung an seinen Kampfjets vom Typ MiG-29 vorgenommen.

Seit Wochen kursieren im Internet offensichtlich geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sie enthalten unter anderem Details zu Waffenlieferungen und dem Kriegsgeschehen. Bei den mehr als 100 geleakten Papieren handelt es sich um mit dem Handy abfotografierte Powerpoint-Folien, die von US‑Diensten erstellt wurden und den Stand von Anfang Februar 2023 zeigen. Einige Stellen sind nach RND-Informationen nachträglich manipuliert worden. Unklar ist, wer genau die Papiere publiziert hat. Nach Informationen der „Washington Post“ soll der Verantwortliche auf einer Militärbasis gearbeitet haben. Offizielle Angaben zum Ermittlungsstand und zum mutmaßlichen Täter gab es zunächst nicht. US-Präsident Joe Biden deutete aber an, die Ermittlungen kämen der Sache näher.

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