Was treiben die Bakterien?

Listerien gehören zu den anspruchslosesten Bakterien: Sie können sich in Wasserpfützen und Kondenswasser vermehren. Das optimale Wachstum erzielen sie im Temperaturbereich von 30 bis 37 °C, sie halten aber auch Temperaturen von 4 bis 45 °C aus. Wegen ihrer Kältetoleranz vermehren sie sich auch in Kühlschränken. Eine Infektion mit Listerien kann gefährlich werden und im Extremfall zu Blutvergiftungen und Hirnhautentzündung führen – aber auch symptomlos abklingen.

Listerien gehören zu den anspruchslosesten Bakterien: Sie können sich in Wasserpfützen und Kondenswasser vermehren. Das optimale Wachstum erzielen sie im Temperaturbereich von 30 bis 37 °C, sie halten aber auch Temperaturen von 4 bis 45 °C aus. Wegen ihrer Kältetoleranz vermehren sie sich auch in Kühlschränken. Eine Infektion mit Listerien kann gefährlich werden und im Extremfall zu Blutvergiftungen und Hirnhautentzündung führen – aber auch symptomlos abklingen.

Herr Weß, warum schreiben Sie über Bakterien und nicht über Viren?

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Ich arbeite in der Tat gerade an einem Virenatlas, der in diesem Herbst erscheinen soll. Aber das aktuell sehr große Interesse an Viren war vor zwei Jahren ja nicht absehbar.

Und warum dann die Bakterien?

Weil sie uns umgeben, eine verborgene Welt, die eine riesige Rolle bei der Gestaltung unseres Planeten spielt. Ohne Bakterien gäbe es unser Leben auf diesem Planeten nicht. Diese Faszination begleitet mich seit frühester Jugend. Ich habe als Siebenjähriger im Naturkundemuseum von Münster durch ein Mikroskop geguckt und dabei ein Pantoffeltierchen und das Herz eines Wasserflohs gesehen. Von da an wollte ich mehr sehen und wissen. Ich habe etwa Platten im Backofen meiner Mutter sterilisiert, um darauf Bakterien zu züchten.

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„Die Biotech-Zeit, sie ist da“: Ludger Weß, Wissenschaftler und Buchautor.

„Die Biotech-Zeit, sie ist da“: Ludger Weß, Wissenschaftler und Buchautor.

Ein ungewöhnliches Hobby.

Ja, das war es sicher. Aber ich fand es schon früh sehr beeindruckend, wie sich Bakterien Lebensräume erobern, wie sie Nischen finden, denen sie sich perfekt anpassen.

Ohne Bakterien gäbe es kein Bier und keinen Gorgonzola, aber wo wirken Bakterien noch?

Überall, Bakterien sind überall. Wir Menschen sind von Bakterien besiedelt. Bakterien haben im Laufe der Evolution gelernt, auf uns und mit uns zu leben. Unsere Darmflora gäbe es ohne Bakterien nicht, ebenso wie den Säureschutzmantel auf unserer Haut. Inzwischen wissen wir, dass sich Bakterien sogar im Gehirn finden.

Jeder trägt zwei Kilo Bakterien mit sich herum

Also sind Bakterien das Gute im Menschen?

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Nicht ausschließlich. Bakterielle Erreger sind zum Beispiel für Milzbrand und Pest verantwortlich oder ganz profan für Fußschweiß – das ist die Kehrseite. Einige Bakterien leben mit dem Menschen in einer Symbiose, da ist es ein Geben und Nehmen. Andere Bakterien leben parasitär, die sehen uns als Nahrung.

Wie viel unseres Körpergewichts machen Bakterien aus?

Ungefähr zwei Kilo.

Man schätzt, dass es vier bis sechs Quintillionen Bakterien auf der Erde gibt, wie viele Nullen sind das?

30, aber die Zahl überschreitet natürlich das menschliche Vorstellungsvermögen. Es gibt mehr Bakterien auf der Erde als Sandkörner an unseren Stränden.

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Welches Bakterium ist für diese riesige Masse verantwortlich?

Unter anderem Pelagibacter Ubique, das allgegenwärtige Meeresbakterium. Es ist das häufigste Bakterium der Welt. Es lebt in einer kühlen und nährstoffarmen Umgebung, deshalb verzichtet es auf alles Überflüssige in der Zelle, um überleben zu können. Es ist ein spartanisches Bakterium, im Aufbau ohne Schnickschnack, gleichzeitig sehr effektiv – ein Raum- und Stoffwechselwunder.

„Wir befinden uns mitten im Zeitalter der Biowissenschaften“

Was verbirgt sich hinter „Conan, das Bakterium“?

Deinococcus radiodurans, entdeckt erst in den Fünfzigerjahren. Damals hat man versucht, Fleischkonserven mit radioaktiver Strahlung haltbar zu machen. Die Dosen platzten irgendwann doch, weil es ein Bakterium gibt, das enorm widerstandsfähig gegen Radioaktivität ist – Deinococcus radiodurans. Heute wissen wir, dass das Bakterium in den Wasserleitungen von Primärkreisläufen der Atomkraftwerke existiert.

Wie kann man Menschen den Unterschied zwischen Bakterien und Viren am besten erklären?

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Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel und brauchen immer ein anderes Lebewesen, um sich zu vermehren. Viren sind Parasiten, Bakterien nicht unbedingt. Das ist der wichtigste Unterschied. Viren sind schlechte Nachrichten, eingepackt in Protein, wie der Nobelpreisträger Peter Medawar mal gesagt hat.

Also sind Viren für uns Menschen immer schlecht?

Oft ja, wie wir gerade jetzt mit Covid-19 erfahren. Aber eben auch nicht immer. Retroviren sind in diesem Zusammenhang sehr interessant. Die sind nicht nur für HIV verantwortlich, sondern auch für positive Entwicklungen in unserer Evolution. Ein Beispiel: Hätten sich nicht in grauer Vorzeit Retroviren im Körper der Vorfahren der Säugetiere eingenistet, sie infiziert und mit neuen Eigenschaften ausgestattet, dann wären wir nicht zu Plazenta-Lebewesen geworden. Der Embryo in der Plazenta der Frau ist zur Hälfte körperfremd – 50 Prozent der Gene stammen vom Mann. Dass keine Immunreaktion erfolgt, haben wir einem Virus zu verdanken.

Haben wir in Zusammenhang mit dem Covid-19-Virus bislang viel falsch gemacht?

Ich finde, wir haben nicht so viel falsch gemacht. Wir mussten parallel Grundlagenforschung betreiben und einen Impfstoff entwickeln – wir sehen Virologie at work. Wir wissen noch wenig, aber wir lernen entlang dieser Pandemie ständig dazu. Es gibt viele offene Fragen: Gibt es Menschen, die mehr Widerstandskraft haben gegen das Virus? Weil ihre Zellen eine besondere Oberflächenstruktur haben?

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Was wissen wir denn?

Dass Molekularbiologie eine ungeheure Power entwickeln kann! Am letzten Freitag im Januar 2020 liest Ugur Sahin einen Artikel, in dem es um eine mysteriöse Lungenkrankheit in China geht. Plakativ gesprochen, legt er dann die Zeitung weg und beginnt mit seiner Firma Biontech die Suche nach einem Impfstoff. Und nicht einmal elf Monate später hält er eine Zulassung in den Händen – das ist eine enorme Leistung.

Sind Sie als Biochemiker ein wenig neidisch auf die Aufmerksamkeit, die Virologen gerade erfahren?

Überhaupt nicht. Null. Ich finde es gut, dass die Biomedizin, die Biowissenschaft endlich die gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfährt, die ihr gebührt. Wir befinden uns mitten im Zeitalter der Biowissenschaften. Nur leider hat sich das noch nicht herumgesprochen.

Worin zeigt sich dieses Zeitalter?

Zum Beispiel darin, dass wir alle einen Corona-Test zu Hause machen können. In den USA gibt es bereits kleine PCR-Sequenzer. Die sind noch nicht perfekt, aber das war die erste Generation der Homecomputer auch nicht. Dazu ist Biowissenschaft oft noch nicht sichtbar. Aber das waren Computer in den Siebzigerjahren ebenfalls nicht. Die regelten Ampelschaltungen, ohne dass die meisten Menschen wussten, dass das Computer waren. Die Biotech-Zeit, sie ist da.

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Ludger Weß, geboren 1954, studierte Chemie und Biologie an der Universität Münster. Er hat mehrere Bücher über Gen- und Biotechnologie veröffentlicht. Im Verlag Matthes & Seitz ist sein „Bakterienatlas“ unter dem Titel „Winzig, zäh und zahlreich“ (280 Seiten, 25 Euro) erschienen.

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