Bio-Gemüse und Bio-Obst werden zum Luxusgut Gesunde Lebensmittel nur für die High Society?

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Helene Berthelot, Chefin vom Bioladen Calendula, in Eisenhüttenstadt.
Die stark gestiegenen Preise führen dazu, dass sich viele Menschen teure Bio-Lebensmittel nicht mehr leisten können. Der Umsatz in Bioläden wie dem von Helene Berthelot ist deutlich gesunken. Das hat gravierende Folgen, aber es gibt Wege, diese Folgen abzumildern, sagt unser Autor. © Symbolbild: picture alliance/dpa
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Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit einer eigentlich sehr klugen alten Dame. Es ging um Eier. Ich sang ein Loblied auf Eier von freilaufenden Hühnern. Die alte Dame schaute mich leicht irritiert an und sagte: „Ich hab’s probiert. Die schmecken auch nicht anders als die normalen Eier.“

Und damit sind wir bei einem Grundproblem der Bio-Branche in Zeiten des Krieges und der explodierenden Preise: Die Geschmacks-Unterschiede zwischen Eiern, Gurken, Kartoffeln, Zwiebeln und Bananen aus der Bio-Produktion zu solchen aus der konventionellen Landwirtschaft sind klein. Die Preisunterschiede dagegen sind groß.

Für die Bio-Branche ist das fatal. Erstmals schrumpfte im vergangenen Jahr der deutsche Öko-Markt. „Der Öko-Lebensmittelumsatz sank von Januar bis Oktober 2022 um 4,1 Prozent. Der Mengenrückgang belief sich auf 5,7 Prozent“, stellte der Deutsche Bauernverband beim großen Branchentreff, der Grünen Woche in Berlin, vor einigen Tagen fest.

Bio-Läden verlieren, die Discounter gewinnen

Für Menschen, deren Geld kaum bis zum Monatsende reicht, werden hochwertige Bio-Produkte zum Luxusgut, das sie sich schlicht und einfach nicht mehr leisten können. Sie verzichten ganz darauf, oder schauen sich in den Bio-Regalen der Discounter um, in der Hoffnung, da Gutes preiswert zu finden. Wobei, das ist eine Ironie der Geschichte, in den Discountern Bio-Produkte nicht selten teurer sind als im Bio-Laden.

Die Folge: In den Discountern stieg zwischen Januar und Oktober der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln um 14,5 Prozent, im Naturkostfachhandel und der Direktvermarktung sank er um 20 Prozent.

Für Landwirte wird es unattraktiver, auf Bio zu setzen

Ich kann sehr gut verstehen, dass Menschen, deren Geld vorne und hinten nicht reicht, als erstes auf den Preis achten, nicht darauf, unter welchen Bedingungen Obst, Gemüse, Käse, Eier und Fleisch produziert werden.

Fatal ist das trotzdem, denn damit wird es für Landwirte immer weniger attraktiv, aus der konventionellen Bewirtschaftung ihrer Höfe aus- und in eine nachhaltige, die Umwelt schonende Bewirtschaftung einzusteigen. Das gilt vor allem dann, wenn die Discounter mit ihrer wachsenden Bio-Marktmacht auch die Bio-Bauern immer stärker in ihre Abhängigkeit drängen.

Was nutzt uns die nachhaltigste, Boden, Luft und Wasser schonendste Bewirtschaftung unserer Felder, die artgerechteste Haltung unserer Nutztiere, wenn sich im Ergebnis die so hergestellten Produkte nur noch die High Society leisten kann? Was nutzt es, wenn es sich für Bauern immer weniger lohnt, auf Bio zu setzen?

Drei Lösungsansätze als Ausweg

Ich sehe nur drei denkbare Lösungen:

1. Alle Menschen müssen so viel verdienen, dass sie sich Bio-Produkte aus dem Naturkostladen leisten können. Eine schöne Vorstellung, aber leider absolut weltfremd.

2. Die Preise für Bio-Produkte müssen sinken. Möglicherweise könnten EU-Landwirtschafts-Beihilfen stärker als bisher für konventionelle Bewirtschaftungsformen gekürzt und in solche für ökologische Bewirtschaftungsformen umgelenkt werden.

3. In die Preise für konventionell hergestellte Lebensmittel müssen konsequent die durch diese Art der Bewirtschaftung verursachten Umweltbelastungen für Luft, Boden und Wasser eingerechnet werden. Das Verursacherprinzip muss hier Einzug halten: Wer etwa das Grundwasser durch Überdüngung seiner Felder mit Gülle vergiftet, muss für die Folgen aufkommen und zahlen.

Gerade in der aktuellen Krisenzeit ist die Versuchung groß, die Diskussion über die Folgen der Bio-Krise, die uns letztlich alle trifft, auf die lange Bank zu schieben. Dabei stellt sich die zentrale Zukunfts-Frage, die wir alle beantworten müssen, aber genau jetzt: In welcher Welt sollen unsere Kinder und Enkeln leben?

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