Ganz großes Kino für feine Literatur
Lesley Roehm und Silke Manderscheid mit Texten von Ingrid Lausund am Sonntag in der STOA in Aalen.
Aalen Die Matinee am Sonntag in der STOA war ein literarisches Ereignis, die Lesung von Texten der Berliner Autorin Ingrid Lausund war mehr als ein Textvortrag, das war verbales Kino und feinste Rezitierkunst.
Es sprachen und spielten Lesley Roehm und Silke Manderscheid. Die vorgetragenen Texte von Ingrid Lausund sind satirische, manchmal bissige, meist freundlich ironische Betrachtungen von heutigen Lebensstilen, bevorzugt von Verhaltensauffälligkeiten von Männern. Auch Einrichtungsstile bürgerlicher Wohnungen sind Gegenstände der witzigen, oft süffisanten Schilderungen. Vom indiskreten Marketing der Konsumgüterindustrie („Woher wussten die vor einem Jahr, was ich mir heute wünsche?“) war die Rede, von der emotionalen Bindung an die eigene Wohnung („Ich bin so gerne im Gästeklo“). Der angepasste Ehemann kam vor, der die Abwesenheit der Gemahlin nutzt für zwei Tage Schweinigelei mit Bier, Porno, Fresserei und ausgekosteter Verdauung und hinterher säuberlich aufräumt.
Man hatte was zu lachen in den gut anderthalb Stunden, in denen die beiden Frauen lasen, den Text mit intensiver, aber immer seriöser Mimik und Körpersprache illustrierten. Beide traten in intellektuellem Schwarz auf. Zwei Tische/Stühle in breitem Abstand, im Licht die jeweils Lesende. Die einzelnen Episoden bekamen je ein Requisit aus dem Reisekoffer, ein Frottiertuch als Kopfschmuck, eine Teekanne, Sofakissen, die Brille.
Die neue Stadt auf dem Triumph-Areal
Wenn zum Beispiel Lesley Roehm einen alten Mann aus der Zeit fallen und in panisch anschwellender Demenz verschwinden und sein Leben im gestottertem „Ich“ verröcheln lässt, dann ist das ganz großes Kino für feine Literatur. ⋌⋌
⋌⋌Rainer Wiese
