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Gastronomie

Aus nach 300 Jahren: Gasthaus Traube in Sigmaringen schließt

Sigmaringen / Lesedauer: 5 min

Bereits am 23. Oktober gibt die Familie Erath das Lokal auf
Veröffentlicht:07.10.2022, 17:30

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Bitteres Ende einer Ära: Die Familie Erath gibt das Gasthaus Traube in wenigen Tagen auf. Seniorchef Ewald Erath sagt über den Grund: „Es ist nicht so, dass wir kein Geschäft hatten – das Gegenteil ist der Fall: Wir sind nicht mehr hinterhergekommen.“

Seine beiden Töchter, die das Lokal seit 2007 führen, und die Seniorchefs haben im Familienrat die Entscheidung getroffen, weil ihnen qualifiziertes Personal fehlt. Den größten Engpass gab es in der Küche: Vier Köche gehören zur Stammbelegschaft. An manchen Tagen war nur einer von ihnen im Dienst.

Öffnungszeiten verkürzt

In den vergangenen Monaten behalf sich das Traube-Team mit reduzierten Öffnungszeiten oder Ruhetagen. Man hat gespürt, dass sich eine Veränderung abzeichnet. Schon im vergangenen Jahr habe die Familie mit dem Gedanken einer Geschäftsaufgabe gespielt, erzählt Manuela Stahl, eine der beiden Geschäftsführerinnen. Im Laufe dieses Jahres sei die Entscheidung gefallen „und wir waren uns in der Familie schnell einig“.

So anstrengend war es noch nie

„So ein anstrengendes Jahr haben wir noch nie erlebt“, sagt Manuela Stahl. Ewald Erath, ein Mann klarer Worte, ergänzt: „Wir als Familie mussten alles ausgleichen, haben zehn, zwölf Stunden am Stück gearbeitet. Wer so etwas auf Dauer macht, begeht Selbstmord.“

Einstellung der Mitarbeiter ein Problem

Die beiden Töchter von Ewald Erath sind ausgelaugt. Sie mussten die Löcher stopfen, weil Mitarbeiter krank waren, Urlaub oder frei hatten. Generell erfüllten etliche Mitarbeiter die Erwartungen der Inhaber zuletzt nicht.

 Gehört zu Sigmaringen: das Hotel Traube.
Gehört zu Sigmaringen: das Hotel Traube. (Foto: Michael Hescheler/Schwäbische.de)

„Es haperte an der Einstellung. Mitarbeiter waren häufig krank. Wir konnten uns nicht mehr auf sie verlassen“, sagt Silvia van Genabith , die zweite Geschäftsführerin. In der Spitze waren acht Mitarbeiter gleichzeitig krank.

Belegschaft von 20 Mitarbeitern

Zur Belegschaft, die sich um die Küche, den Service und die Zimmer kümmert, gehört ein Stamm von 20 Mitarbeitern. Sie sind in den vergangenen Tagen über die Schließung informiert worden, die ersten von ihnen haben bereits ihre Kündigung erhalten. Jeweils zum Ende der nächsten Monate werden weitere Kündigungen ausgesprochen.

Das Hotel und die Ferienwohnungen können wir gut als Familie stemmen.

Manuela Stahl

Stichwort Bezahlung: Aus Sicht der Inhaber war das weniger das Problem. Die Traube bezahle nach Tarif, sei Mitglied im Hotel- und Gaststättenverband. Ein Koch verdiene brutto zwischen 3500 und 4000 Euro, ein erfahrener Kellner um die 3000 Euro.

Das Hotel gibt es weiter

Letztmals hat das Restaurant der Traube am Sonntag, 23. Oktober, geöffnet. Die Familie Erath weist darauf hin, dass Gutscheine nur noch bis dahin gültig sind. Das angeschlossene Hotel wird die Familie unabhängig vom Restaurant weiterführen. Zusätzlich zu den 19 Zimmern mit 35 Betten vermietet die Familie Erath im Nebengebäude, dem Haus Bisinger, seit diesem Jahr zwei Ferienwohnungen.

„Das Hotel und die Ferienwohnungen können wir gut als Familie stemmen“, sagt Manuela Stahl, die künftig zusammen mit ihrer Schwester Silvia und ihren beiden Töchtern arbeiten und auf Angestellte verzichten will. Gut möglich, dass für Hotelgäste und speziell für Gruppen Halbpension angeboten wird, aber diese Entscheidung steht noch aus.

 Das Haus Bisinger (links) gehört ebenfalls zur Traube: Dort sind ein Nebenzimmer und Ferienwohnungen untergebracht.
Das Haus Bisinger (links) gehört ebenfalls zur Traube: Dort sind ein Nebenzimmer und Ferienwohnungen untergebracht. (Foto: Michael Hescheler/Schwäbische.de)

Auf die Frage, ob die Traube möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt wieder öffnet, sagt Manuela Stahl: „Im Moment gibt es kein Hintertürchen.“

Pächter fürs Haus Bisinger gesucht

Das Nebenzimmer im Erdgeschoss des Hauses Bisinger, das häufig von Vereinen und Gesellschaften für Feierlichkeiten genutzt wurde, wird die Familie Erath aufgeben. „Hier suche ich einen Pächter“, sagt der 80-jährige Ewald Erath, dem die Immobilien gehören. Die Fläche eigne sich als Ladengeschäft oder als Büro.

In den Räumen des Lokals im Hauptgebäude wird weiter das Frühstück serviert. „Es kann sein, dass wir aus dem zweiten Nebenzimmer einen Aufenthaltsraum machen“, sagt Silvia van Genabith.

200 bis 300 Essen pro Tag

An guten Sommertagen verkaufte die Traube zwischen 200 und 300 Essen. „Unsere Haupttage waren an Wochenenden und an Feiertagen“, sagt Erath senior.

Mein Vater ist ein guter Geschäftsmann.

Silvia van Genabith

Für die Personalsuche ein weiteres Manko, denn die Mitarbeiter wollten lieber unter der Woche eingeteilt werden. Gleich beginnt das Mittagsgeschäft, immer mehr Gäste betreten das Lokal. Sie ahnen noch nicht, dass es die Traube als Restaurant in wenigen Tagen nicht mehr geben wird.

Zur Geschichte

An einem Seitengiebel ist das Jahr 1722 verewigt – also genau vor 300 Jahren ist das Gasthaus erbaut worden. Das Vorgängergebäude, der Adler, war im Besitz des Fürstenhauses. 1601 erwarb es Karl Roy, der jüngere Bruder des Heiligen Fidelis.

Erath übernimmt Lokal 1980

Die Traube ist seit 1982 im Besitz von Ewald Erath – zuvor führte er das Lokal zwei Jahre lang als Pächter. Über den Kauf und den 1,2 Millionen Mark teuren Umbau kann Erath Geschichten erzählen, die jedes Sigmaringer Geschichtsbuch bereichern würden.

Zum Beispiel, wie er die Ulmer Volksbank als Eigentümerin im Preis herunterhandelte und wie er von der Landesbank Baden-Württemberg mithilfe eines Sigmaringer Anwalts ein zinsgünstiges Darlehen bekam. 2013 ersteigerte Erath das Haus Bisinger in der direkten Nachbarschaft. „Mein Vater ist ein guter Geschäftsmann“, sagt Silvia van Genabith und lächelt ihren Vater an.

Erfolgreicher Geschäftsmann

Bevor er die Traube übernahm, führte Erath fünf Jahre lang den Alten Fritz. Dazwischen war er in der Kaserne in Neuhausen ob Eck Kantinenwirt. Zwei Sigmaringer besuchten ihn dort und machten ihm die Traube schmackhaft. Der 80 Jahre alte Erath ist von Beruf Metzger. „Schon in jungen Jahren konnte ich es nicht haben, wenn mir jemand die Arbeit angibt.“