Wie Milchbauern der Regierung entgegenhalten

Die Änderungen der Agrargesetzgebung im Laufe der Jahre haben der irischen Landwirtschaft eine Sisyphusarbeit aufgebürdet, um die Vorschriften einzuhalten, ganz zu schweigen von den hohen Schulden. Während die Regierung um die Erreichung der Klimaziele ringt, stehen die Landwirtinnen und Landwirte erneut in der Schusslinie. Und ihre Rufe, sich auf die Wissenschaft zu konzentrieren, stossen auf taube Ohren.

Lindi Botha, lid |

Die Kluft zwischen Landwirtschaft und der Regierung ist in Irland offensichtlich. Hier haben die Landwirtinnen und Landwirte den grössten Teil des letzten Jahrzehnts damit verbracht, Praktiken umzusetzen und dann wieder rückgängig zu machen, wenn sich die Gesetzgebung wieder änderte.

Kehrseite der Wende

Vanessa Kiely-O’Connor, eine Milchbäuerin aus Innishannon westlich von Cork in Irland, weist auf die Hecken hin, die Irlands Landschaft prägen. «Eine Hecke ist ein ganzes Ökosystem für sich, in dem zahlreiche Insekten- und Tierarten von der produzierten Nahrung leben und so geht es auch auf unseren Landwirtschaftsbetrieben nicht nur um Kühe oder Grashalme – sie bilden ein ganzes System, das sich selbst ernährt, und niemand weiss das besser als wir Landwirtinnen und Landwirte», sagt sie und ergänzt: «Wir wissen, wie wertvoll unsere Umwelt ist und wie wir am besten für sie sorgen können.»

Doch 2015, als die irische Regierung das Ende der EU-Milchquoten ausnutzen wollte, wurden die Landwirtschaftsbetriebe aufgefordert, die Produktion zu steigern, indem sie jedes Stück Land maximal ausnutzen sollten.

Es habe eine Menge Geld gekostet, die Betriebe so zu strukturieren, wie die Regierung es wollte und jetzt kostet es noch viel mehr, sie wieder so zu machen, wie sie gewesen seien, bevor sich die Regierung eingemischt habe, kritisiert Vanessa Kiely-O’Connor.

«Es ist, als ob die Regierung denkt, wir seien dumm und wüssten nicht, was das Beste für unsere Umwelt ist – sie denken, dass man uns sagen muss, wie wir unsere Farmen verwalten sollen», bedauert die Bäuerin.

«Wir wurden nicht konsultiert»

Dies bedeutete die Entfernung der Hecken und natürlichen Korridoren, was sowohl für den Geldbeutel als auch für die Artenvielfalt einen hohen Preis bedeutete. «Wir wurden nicht konsultiert», sagt Vanessa Kiely-O’Connor, «wir mussten uns einfach fügen.»

Einige Jahre später vollzog die Regierung eine Kehrtwende, als die Auswirkungen auf die Artenvielfalt in Irland deutlich wurden. Die Landwirtinnen und Landwirte wurden für ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt gescholten und aufgefordert, die Hecken wieder einzuführen.

Geteilte Realitäten

Die Entfremdung zwischen Land- und Stadtbevölkerung zeigt sich in der zunehmenden Gesetzgebung, die jeden Schritt der Landwirtinnen und Landwirte bei der Nahrungsmittelproduktion regelt. Für Vanessa Kiely-O’Connor nimmt das die Freude an der Landwirtschaft: «Wir leben von unserem Land und trinken das Wasser aus unseren Brunnen – warum sollten wir etwas tun, um es zu vergiften?»

Doch jedes Mal, wenn sie das Radio einschalte, höre sie, wie die Landwirtschaft für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich gemacht werde. Der Kern des Missverhältnisses sei die immer grösser werdende Kluft zwischen den Menschen, die auf den Bauernhöfen und in den Städten lebten.

«Sie wissen es nicht aus erster Hand»

In Irland, wo die Familien traditionell gross waren, arbeiteten einige Geschwister weiter in der Landwirtschaft, während andere Arbeit in der Stadt fanden. Das bedeutete, dass diejenigen, die früher noch in der Regierung Entscheidungen trafen und Richtlinien verfassten, auf einem Bauernhof aufgewachsen waren und die Realität kannten.

Heute, so Vanessa Kiely-O’Connor, seien die meisten Irinnen und Iren zwei oder drei Generationen von der Landwirtschaft entfernt, sodass es kein Verständnis mehr dafür gebe: «Sie können falsche oder verzerrte Nachrichten nicht erkennen, weil sie nicht aus erster Hand wissen, wie Landwirtinnen und Landwirte arbeiten.»

Extreme Massnahmen

Selbst in der heutigen Zeit, in der es reichlich wissenschaftliche Forschung gibt, sind Landwirte skeptisch, ob sich die Vernunft durchsetzen wird. «Ich habe vollstes Vertrauen in Wissenschaft und Forschung, aber die Herausforderung besteht darin, den Staat und die Behörden dazu zu bringen, diese Forschung auch anzuerkennen», sagt Peter Hynes, ein Milchviehhalter aus Aherla, das ebenfalls in der irischen Grafschaft Cork liegt.

Der Milchbauer bezieht sich dabei speziell auf die Forschung zu Methanemissionen und darauf, wie die Schuld ungerechterweise den Milchkühen aufgebürdet werde. Die vermeintliche Lösung des Problems sei nun der Vorschlag der irischen Regierung, im Rahmen des Climate Action Plan 200’000 Kühe zu schlachten, um die Klimaziele zu erreichen.

Irlands Climate Action Plan

Der Climate Action Plan (CAP) zielt darauf ab, die Emissionen der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Irland in den nächsten zehn Jahren um 22 bis 30 Prozent zu reduzieren.

Die Landwirtschaft ist für 33 Prozent der Emissionen in Irland verantwortlich, wovon 19 Prozent auf Methan in der Viehzucht zurückzuführen sind.

Wie sollen Schulden beglichen werden

Der erneute Fokus auf Methanemissionen und die daraus resultierende Forderung an die Landwirtschaft, emissionsarme Ausbringungsgeräte zu verwenden, veranlasste Vanessa Kiely-O’Connor zum Kauf eines Güllewagens mit Schleppschuh, der die Methanemissionen bei der Gülleausbringung auf den Weiden reduziert.

Zur Finanzierung des neuen Geräts musste sie einen Kredit mit einer Laufzeit von fünf Jahren aufnehmen. Während der Produktionssteigerungsphase nach 2015 investierten Landwirtinnen und Landwirte derweil in grössere Melkstände und Technologien, die helfen sollten, die Produktion zu steigern. Angesichts der Vorschläge zur Reduzierung des nationalen Viehbestands fragten sich viele Landwirtinnen und Landwirte nun, wie sie die entstandenen Schulden bei geringerer Produktion begleichen sollen.

Eine Lösung ist in Arbeit

Die Aufforderung, Irlands Milchviehbestand zu reduzieren, ist besonders frustrierend für die Landwirte, die bereits eine Lösung für das Methanproblem am Horizont sehen, ohne ein einziges Tier töten zu müssen. Peter Hynes hat es sich daher zur persönlichen Aufgabe gemacht, zu beweisen, dass Methan ohne solch drastische Massnahmen auf ein akzeptables Niveau reduziert werden kann.

Futtermittelzusätze, genetische Selektion und die Verbesserung der Bodengesundheit bis zu einem Punkt, die den Einsatz von synthetischem Stickstoff überflüssig macht, gehören zu seinem Arsenal im Kampf für die irische Milchwirtschaft.

Lohnt sich nicht immer 

Beim sogenannten Totalmischration-Fütterungssystem (TMR) können gewisse Futtermittelzusätze die Methanproduktion um bis zu 40 Prozent reduzieren. Die Fütterung von 20 Kühen mit dem Zusatzstoff über den Winter entspricht so einer Methanreduzierung, die so hoch ist, wie der Ausstoss von zwei Autos über den Zeitraum eines ganzen Jahres.

Der Einsatz des Futtermittelzusatzes lohnt sich jedoch nur in einem TMR-System, da er für eine maximale Wirkung alle drei Stunden verabreicht werden muss. Peter Hynes ist jedoch zuversichtlich, dass die Forschung und Entwicklung solcher Zusatzstoffe in den kommenden Jahren voranschreiten werden, sodass sie auch für Landwirtinnen und Landwirte mit Weidehaltung einsetzbar werden.

Kosten und Innovationen

Eine weitere Herausforderung sind die Kosten: 91 Euros (90 Fr.) pro Kuh und Jahr. Da der Vorteil auf die Umwelt und nicht auf die Produktion beschränkt ist, wird der Zusatzstoff die ohnehin schon geringen Margen schmälern. Peter Hynes ist der Ansicht, dass die Regierung und die grossen Lebensmittelunternehmen hier eingreifen sollten, um die Kosten zu subventionieren und gleichzeitig Lebensmittel mit einem geringen CO 2 -Fussabdruck auf den Tisch zu bringen.

«Die Reduzierung der Viehbestände ist eine faule Methode, um die Emissionen zu reduzieren», meint Peter Hynes und ergänzt: «Es gibt wissenschaftliche und technologische Möglichkeiten, die Emissionen zu senken – und das gilt für jeden Prozess auf dem Bauernhof.»

Selektive Zucht

Auch die selektive Zucht trägt auf beiden Farmen massgeblich zur Reduzierung der Methanemissionen bei. Vanessa Kiely-O’Connor hat die Produktion so deutlich verbessern können und hält heute weniger Kühe bei gleichbleibender Leistung.

Sie hat die von jeder Kuh jährlich produzierte Milchtrockenmasse von 401 Kilogramm im Jahr 2016 auf 505 Kilogramm im Jahr 2020 gesteigert. Folglich hat sich der CO 2 -Fussabdruck der Herde in den letzten fünf Jahren um 15 Prozent verringert.

Zusätzlich zu den Produktionsverbesserungen will Peter Hynes zukünftig auf genetische Selektion setzen, um die Methanemissionen weiter zu reduzieren. Anfang dieses Jahres hat Kanada Daten veröffentlicht, die auf spezifische Gene hinweisen, welche die Methanproduktion bei Wiederkäuern auslösen.

Fortschritte in der Forschung machen Hoffnung

Dies bedeutet, dass für eine bestimmte Kuh ein genetisches Potential für die Methanproduktion angegeben werden kann, genauso wie Fruchtbarkeits- und Milcheigenschaften markiert werden können. Landwirtinnen und Landwirte könnten in Zukunft also in der Lage sein, die Methanproduktion bei der Züchtung teilweise abzuwählen.

Peter Hynes ist davon überzeugt, dass die Wissenschaft am Ende die Oberhand behalten wird, zumal das Verständnis von Methan und wie man damit umgeht, rasch voranschreitet. «Wenn wir das Jahr 2030 erreichen können, ohne zwischenzeitlich unseren nationalen Viehbestand zu zerstören, wird es meiner Meinung nach eine völlig neue Sichtweise auf Methan geben, die eine Abschaffung der Milchviehhaltung nicht mehr erforderlich macht», meint er und ergänzt: «Bis dahin müssen wir vermeiden, uns dem Druck der Regierung zu beugen, denn ich weiss, dass die Wissenschaft auf unserer Seite sein wird.»

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