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Proseminar zu „Zeit und Tempus“

Proseminar zu „Zeit und Tempus“. In der Wissenschaft wird man nicht dadurch erleuchtet, daß man herausfindet, wie man an Dinge glauben kann, die keinen Sinn ergeben, sondern in dem man Dinge ausfindig macht, die man nicht versteht, und diese anhand von Experimenten erklärt.

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Proseminar zu „Zeit und Tempus“

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  1. Proseminar zu „Zeit und Tempus“ In der Wissenschaft wird man nicht dadurch erleuchtet, daß man herausfindet, wie man an Dinge glauben kann, die keinen Sinn ergeben, sondern in dem man Dinge ausfindig macht, die man nicht versteht, und diese anhand von Experimenten erklärt. Robert B. Laughlin (Nobelpreisträger für Physik 1999) in „Abschied von der Weltformel“, Piper Verlag GmbH München 2007. Titel der Originalausgabe: „A Different Universe - Reinventing Physics from the Bottom Down”

  2. Experimente mit Sprache Alle Sprachen dieser Welt sind Zeichensysteme, d.h. sie haben eine stoffliche oder formale Seite, die wir Zeichen nennen und eine inhaltliche Seite, die wir Bedeutung nennen. Diese Unterscheidung ist grundsätzlich und beeinflußt maßgeblich die Form von Experimenten an Sprachen, weil jedes Experiment sich auf beide Seiten auswirken kann und meistens auch tut. Aus dieser wesentlichen Eigenschaft von Sprachen ergeben sich Schwierigkeiten: • Die Kenntnis der Zeichen einer Sprache reicht nicht aus: so verstehen wir bis heute nicht die Sprache der Etrusker, obwohl uns diese sehr viel Text in griechischer Schrift hinterlassen haben, den wir zwar entziffern können, aber nicht verstehen, denn uns fehlt die zugehörige Bedeutung der Zeichen. • Wenn wir also Experimente mit Sprache machen, dann können wir nur die stoffliche Seite, d.h. dieZeichen experimentell verwenden, aber die Veränderung von Zeichen führt meistens auch zurVeränderungder Bedeutung. • Jede wissenschaftliche Beschreibung bedient sich letztlich einer natürlichen Sprache, das ist auch in der Linguistik so, aber nur in der Linguistik sind dasObjekt der Beschreibung und das Mittel der Beschreibung identisch.

  3. Jedes wissenschaftliche Experiment setzt irgendeine Form von gezielterVeränderung • des untersuchten Objekts voraus, das ist auch in der Linguistik so: • Man führt das Experiment durch, • dann mißt man die Veränderungen und bewertet sie als • entweder wesentlich (signifikant) oder unerheblich (insignifikant). • Ist die Veränderung ohne Aussagekraft, dann ist das Experiment gescheitert. • Ist die Veränderung nicht wesentlich, aber auch nicht unerheblich, • dann ändert man das Experiment und beginnt wieder oben. • Ist die Veränderung wesentlich oder zumindest auffällig, dann • versucht man das Experiment einzuordnen. Am folgenden deutschen Beispiel werde ich das Vorgehen demonstrieren: Annahme: Mann ist ein maskulines Nomen des Deutschen. Folgerung: dann ist der Artikelder auch maskulin, denn es heißt der Mann, die Frau und das Kind. Diese Folgerung ist aber voreilig, wie das folgende Experiment zeigt: Ausgangszeichen: Ich kenne die Frau, die nebenan wohnt. Veränderung: Ich bringe der Frau, die nebenan wohnt, …. Das Experiment ist wesentlich, d.h. die Annahme von oben ist entweder falsch oder muß präzisiert werden. Diese Form des Experiments nennen die Linguisten Austauschmethode.

  4. Die Austauschmethode Verwendete Begriffe Austauschmethode (von mir hierbenutzter Begriff) Austauschprobe Ersetzungsmethode (von mir auch benutzter Begriff) Kommutationsmethode Kommutationsprobe Alle Begriffe werden für den selben Sachverhalt benutzt. Mit der Austauschmethode werden in der Linguistik: Eigenschaften festgestellt und klassifiziert (z.B. maskulin – feminin – Neutrum) Klassen definiert und auf Konsistenz geprüft (z.B. Lautarten, Wortarten, Satzarten, …) Regeln formuliert (z.B. Der Artikel richtet sich im Französischen nach Genus, Numerus und Anlaut des auf den Artikel folgenden Wortes , sowie nach vorausgehenden Präpositionen.) Richtigkeit von Regeln geprüft (z.B. der Subjonctif ist ein Modus des Französischen) Achtung Regeln kann man erst formulieren und prüfen, wenn man über Klassen und Eigenschaften verfügt.

  5. Was kann man gegeneinander austauschen ? Wissenschaftlicher Gegenstand der Linguistik sind menschliche Sprachen. Daraus folgt, daß die linguistische Austauschmethode nur auf sprachliche Gegenstände (Objekte) angewendet werden kann. Sprachliche Objekte sind Phoneme (Sprachlaute) oder Grapheme (Schriftzeichen) und daraus gebildete Kombinationen von Phonemen oder Graphemen: wie Morpheme (Wörter), Syntagmen (Satzteile), Sätze und Texte. Phonemekann man nur gegen andere Phoneme oder Phonem-Kombinationen austauschen, denn sie sind die kleinsten Einheiten von Sprachen (das Gleiche gilt für die Grapheme). Bei diesem Austausch ändert sich die Bedeutungdes sprachlichen Objekts oder es wird „nicht sprachlich“, weil es keineBedeutung hat. Beispiele: Austausch von /u/ zu /a/ in /hund/ führt zu /hand/,die Bedeutungändert sich. Austausch von /u/ zu /e/ führt zu */hend/, der Stern davor zeigt an, daß /hend/ kein sprachliches Objekt der deutschen Spracheist, weil es keine Bedeutung im Deutschen hat..

  6. Innerhalbvon Morphemen kann man nur Phoneme austauschen, denn Morphemesind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache. Man kann aber Morpheme gegen andere Morpheme, gegen Syntagmen gegen Sätze austauschen. (Beispiel für Morphem gegen Satz: Das ist nicht nett. wird zu: Was du getan hast, ist nicht nett.) Hierbei ändert sich in der Regel immer dieBedeutungoder das Objekt fällt wie */hend/ weiter oben aus dem Objektbereich heraus. Beispiel: Je veux que tu viennes. wird zu: *Je veux que tu viens. Der Stern zeigt an, daß der Satz „*Je veux que tu viens“. kein sprachliches Objekt des Französischen ist, weil es sich um einen falschen Satz handelt, der aber verständlich ist. Ich arbeite zunächst mit Beispielen aus dem Bereich Indicatif – Subjonctif, weil der linguistische Sachverhalt einfacher ist als bei den Tempora. Was für Morpheme gilt, gilt auch für Syntagmen und Sätze, deshalb: Morpheme- Syntagmen – Sätze kann man immer gegen andere Morpheme, andere Syntagmen und andere Sätze austauschen, dabei ändert sich entweder die Bedeutung oder das Objekt wird falsch oder sinnlos, d.h. es fällt aus dem Objektbereich heraus.

  7. Was kann bei einem Austausch passieren? – Eine vollständige Übersicht • ist für den Linguisten relativ uninteressant, sie zeigt ihm an, daß ami und copain oft, wenn nicht immer gegeneinander ausgetauscht werden können. Lediglich die Grenzbereiche der Bedeutung und Art und Häufigkeit der Verwendung sind von Interesse. Ami undcopainsind Synonyme (bedeutungs-gleiche Wörter). • ist von sehr großem linguistischem Interesse, denn père und ami sind inhaltliche Konkurrenten in dem Ausgangstext, haben aber formal ähnliche Eigenschaften. • ist als Beweismittel für syntaktische Eigenschaften unentbehrlich, so kann man z.B. sehr leicht nachweisen, daß der indicatif und der subjonctif im Französischen bedeutungsgleich sind. • ist nur der Vollständigkeit halber aufgeführt, sie ist wissenschaftlich problematisch, weil sich zwei Eigenschaften gleichzeitig ändern, das ist wie mit einer Gleichung und zweiUnbekannten. • ist der klassische Gegenbeweis gegen eine linguistische Regel, in dem man eine erlaubte Ersetzung findet, die aber zu einem sinnlosen Text führt.

  8. Anwendung der Austauschmethode beim Subjonctif In der Grammatik von Hartmut Kleineidam finden wir auf Seite 226 ein Beispiel für die Austauschbarkeit von indicatif und subjonctif und damit den Nachweis einer Bedeutungsänderung beim Wechsel von indicatifzu subjonctif. Leider ist das Beispiel nicht nur ausgesucht, sondern auch methodisch falsch, denn wie man leicht erkennen kann, wurde an drei Stellen zugleich ausgetauscht, nämlich im Hauptsatz das Dativobjekt und im que-Satz der Modus und das Subjekt. Man kann also überhaupt nicht sagen, woran der Bedeutungswandel festzumachen ist. Jedenfalls ist die Behauptung , daß es am Modus liegt zumindest sehr gewagt. Der große französische Grammatiker Gaston Mauger, z.B. macht den Gebrauch des subjonctif von der Form „dis“ oder „dites“ abhängig, was aber auch nicht stimmen kann, wie das obige Beispiel zeigt, dazu kann man aber ein passenderes Beispiel konstruieren:

  9. Formal ist der Unterschied in diesen beiden Sätzen ausschließlich im Wechsel vonindicatifzusubjonctifbegründet, d.h. wir müssen annehmen, daß diesem formalen Unterschied auch ein Bedeutungsunterschied folgt. Dem ist aber nicht so, wie eine einfache Überlegung zeigt: Wer ist eigentlich „il“ in den beiden Sätzen ? Im ersten Satz verweist „il1“ auf eine männliche Person, die aber nicht Guy sein kann, im zweiten Satz verweist „il2 “ ausschließlich auf „Guy“. Wenn wir also das „il2“ z.B. durch „elle“ ersetzen, dann muß der zweite Satz falsch werden: *Dites à Guy qu‘elle vienne. So ist es dann auch. Im ersten Satz können wir an Stelle des „il1“jedes beliebige einzahlige Subjekteinsetzen, immer bleibt der Satz formal richtig, im zweiten Fall können wir nichts anderes als „il“ einsetzen, sonst wird der Satz falsch. Tauschen wir dagegen im zweiten Satz das „à Guy“ gegen „à Colette“ aus, dann müssen wir auch das „il2“ gegen ein „elle“ austauschen, der folgende Satz ist also wieder richtig: Dites à Colette qu‘elle vienne. Die Bedeutungsänderungist also nicht auf den Wechsel von indicatif zu subjonctifzurückzuführen. Sie tritt nur ein, wenn das Dativobjekt ( à Guy/à Colette) des Hauptsatzes und das Subjekt (il/elle) des Nebensatzes identisch sind, d.h. es muß einen anderen Grund geben und deshalb … ist die Regel bei Kleineidam falsch !

  10. Ockhams Rasiermesser Ockhams Rasiermesser besagt im Prinzip: Alles, was in einer Theorie überflüssig ist, hat dort nichts zu suchen. Dann bleibt die Frage zu klären, ob es eventuell andere also nichtlinguistische Gründe gibt, eine solche inhaltliche Einteilung beim Subjonctif vorzunehmen? z.B. überzeugende didaktische Gründe: Schon immer hat man in der Didaktik versucht sinnvolle, aber schwer erlernbare Zusammenhänge durch „einfachen Unsinn“ erlernbar zu machen, sogenannte „Eselsbrücken“ wie den „Pronomenwimpel“ der französischen Personalpronomen oder das „Haus des Nikolaus“ für die Liste der Verben, die das passé composé mit „être“ bilden oder „Hic, haec, hoc der Lehrer mit dem Stock“ für die lateinischen Demonstrativpronomen usw. Wir müssen also die Frage klären, ob es hilfreich ist, einen „subjonctif“ nach Verben der Willensäußerung anzunehmen? Die Antwort kann nur „nein“ lauten, denn diese Regelformulierung hat in keinster Weise die Form einer Eselsbrücke. Sie sieht nicht wie einfacher Unsinn aus, sondern wie eine ernstgemeinte Erklärung und wird auch von sehr vielen Lernern als auch Lehrern genauso verstanden, aber wenn ernstgemeint, dann gilt in diesem Fall das Rasiermesser von Ockham, also abrasieren.

  11. Konzeption einer didaktischen Grammatik

  12. Gesamtfranzösisch wird hier wörtlich genommen, dazu zählt alles, was man als Französisch bezeichnen kann. Vom ersten französischen Text, den Straßburger Eiden bis heute, vom Pariser Französisch bis zum Französisch von Haiti. Aus diesem Französisch muß man zwangsläufig auswählen, weil niemand alle diese verschiedenen Arten Französisch beherrscht. Die Aufnahme von „Gesamtfranzösisch“ verdeutlicht, daß jeder Unterricht auswählen muß, bzw. in der Vergangenheit getan hat, meistens aber ohne anzugeben, welches Französisch unterrichtet wurde bzw. wird. In den Richtlinien steht meistens der Begriff „modernes gesprochenes und geschriebenes Französisch“. Tatsächlich wird die Auswahl aber durch Lernziele bestimmt, die in der Regel aber ungenannt bleiben. Lernzielesind Angaben zu Redemitteln, d.h. Fähigkeiten sich schriftlich oder mündlich in bestimmten Situationen oder zu bestimmten Themen sprachlich zu behaupten, ohne auffällig zu sein. Auffällig ist man in der Regel bei einer nicht angepaßten Aussprache, bei pragmatischen, semantischen und syntaktischen Fehlern.

  13. Redemittelmüssen zunächst die vier Grundfertigkeiten, sprechen und verstehen, sowie schreiben und lesen abdecken. Einige Grundredemittel, wie z.B. Aussagen machen, Fragen stellen, fluchen, jemanden zitieren, bitten, einladen, überreden, Modalrahmen verwenden etc. können in fast allen Situationenund Themenvorkommen und sollten als Grundkanon in jedem Lehrbuch vorkommen. Weitere Redemittel ergeben sich aus der Wahl der Situationenund Themen. Situationenin denen man sich sprachlich behaupten muß, schwanken sehr stark von Lehrbuch zu Lehrbuch. Lediglich in der Erwachsenenbildung finden wir ernsthafte Überlegungen zur Antizipation möglicher Situationen, in die die Lernenden kommen können, diese müssen dann aber auch für die Lerner einsichtig sein. Themensollten eigentlich inhaltlich definiert und nicht durch irgendwelche beliebige Texte repräsentiert sein. Es ist zwar richtig, daß bestimmte Themen an sich den Lernern und Lehrern gefallen können, leider sind die Themen in den meisten Lehrbüchern von einer Banalität und Schlichtheit, um nicht zu sagen blöder geht’s nicht. Sie sind nicht Thema sondern Transportmittel für eine „grammatische Struktur“.

  14. UnterrichtsnormIn der Linguistik unterscheiden wir zwei Arten von Normen, nämlich die „deskriptive“ oder beschreibende Norm und die „präskriptive“ oder vorschreibende Norm, wobei den Nichtlinguisten nur die präskriptive Norm, also das sogenannte „richtige Französisch“ bekannt ist. Leider hat diese vorschreibende Norm keinerlei empirische Grundlage und entspricht sehr oft nicht der tatsächlichen Sprache. In der geschriebenen Sprache gibt es noch große Übereinstimmungen zwischen Vorschrift und realer Beobachtung, aber auch hier gibt es Abweichungen. Diese werden in Frankreich seit 1901 regelmäßig durch die Actes de Tolérancesin der Form beseitigt, daß beides für „richtig“ erklärt wird. In der gesprochenen Sprache sind die Unterschiede so groß, daß man so etwas wie eine Unterrichtsnorm braucht. Die gesprochene Sprache des Unterrichts sollte so sein, daß das unterrichtete Französisch nicht auffällig ist, d.h. sie muß klare gesprochene Strukturen haben, darf aber keine regionale oder soziale Abweichungen zur gesprochenen Sprache der Gebildeten haben. Verstöße gegen die Norm der gesprochenen Sprache finden wir durchgängig in allen Lehrbüchern: „Que fait Paul?“ statt richtig: „Qu’est-ce qu’il fait, Paul?“ oder „Qui est-ce?“ statt «Qui c’est?» oder «Nous partons.» statt «On y va.» oder «Je ne sais pas.» statt «Je sais pas.» oder «Tu as compris?» statt «T’as compris?» oder «Zut !» statt «Merde !». Noch niemals habe ich einen Franzosen „Zut!“ sagen hören, das Wort existiert nur in Lehrbüchern. Diese Art zu sprechen verleiht dem Sprecher einen wunderschönen Hahnenkamm oder comme ça se dit en Français, „Il ou elle est assis(e) plus haut que son cul.“ Die Unterrichtnorm bestimmt eine weitgehend sanktionsfreie Sprache, sie wird durch den tatsächlichen und frequenten Gebrauch der meisten gebildeten Franzosen gestützt, und deshalb ist sie unauffällig.

  15. Die Pragmatikbeschreibtdas „Wie man etwas sagt.“ Unter dem Begriff Unterrichtsnorm ist ein Teil der Pragmatik schon angesprochen. Wennman in einer Fremdsprache spricht, sollte man weitgehend sprechen, wie die Sprecher dieser Sprache. Gerade im pragmatischen Bereich wird man üblicherweise kaum unterrichtet. Deutsch „bitte“ wird unterrichtet als „s’il vous/te plaît“, in gewissen Situationen sind beide AusdrückeÜbersetzungsäquivalente, aber leider nicht in den meisten. Denn tatsächlich bedeutet „s’il vous/te plaît“ so etwas wie „Wenn es Ihnen/dir gefällt.“ und nicht „Ich bitte Sie … .“ Also kann ich nicht jemanden bitten etwas zu tun und „s’il vous/te plaît“ sagen, dann muß ich „je vous en prie.“ wählen. Insbesondere ist „s’il vous/te plaît“ keine Garantie für Höflichkeit, anders als „bitte“. Der Lernstoff setzt sich aus den folgenden linguistischen Teilbereichen zusammen: Die Semantikist die Lehre von den Bedeutungen von Wörtern. Viele französische und deutsche Wörter haben nur teilweise eine gemeinsame Bedeutung. Es ist ein großer Fehler im Anfangsunterricht mit Wortgleichungen zu arbeiten, diese Wortgleichungen des Anfangsunterrichts verfestigen sich und bleiben dann als für alle Zeit als fossilierte Fehler bei den Lernern erhalten, z.B. “voilà“ als „da sind“ oder „da kommen“, obwohl es im Deutschen eine ganz ähnliche Struktur gibt, die aber als umgangssprachlich gilt: „Kuck mal“.

  16. Die Syntax beschreibt in welcher Form sprachliche Teile einander beeinflussen. Hierzu gehören „Satzbaupläne“, verschiedene Formen von Kongruenzen. z.B. Genus und Numerus, Personalendungen der Verben und auch die Veränderlichkeit von Partizipien und der Gebrauch des „subjonctif“. Syntaxfehler werden von Muttersprachlern üblicherweise nicht gemacht, bzw. haben diese niemals das Gefühl solche zu begehen. Eine korrekte Syntax ist deshalb wie eine korrekte Aussprache das wechselseitige Erkennungszeichen von Muttersprachlern. Syntax- und Aussprachefehler haben deshalb die unangenehme Nebenwirkung, den Sprecher als nicht zugehörig zur Sprachgemeinschaft zu entlarven. (Das Scheißausländer Syndrom hat hier seinen Ursprung). Syntaxfehler sind das Täglichbrot von Sprachlehrern, auf diese stürzen sie sich, weil man sie leicht erkennt und auch leicht begründen kann. Tatsächlich führen Syntaxfehler nur selten zu Verständigungsproblemen, sie sollten deshalb vor allem im Anfangsunterricht nur korrigiert, aber niemals gezählt werden, andernfalls entwickelt sich eine ausgeprägte Fehlervermeidungsstrategie bei den Lernern. Ausprachefehler, die ebenfalls im Anfangsunterricht sehr häufig sind, werden doch auch nicht als notenrelevante Fehler gezählt.

  17. In der Morphologie werden die unterschiedlichen Stammformen von veränderlichen Wortarten Verben, Pronomen, Nomen, Determinanten, Adjektive und wortbildendenVorsilben und Nachsilben beschrieben. Neben der Lexis stellt die Morphologie einer Sprache die Hauptschwierigkeit dar. Durch Entzerrung des Stoffes versucht man in Lehrbüchern diese Schwierigkeiten abzuflachen, der Erfolg ist hier oft teuer erkauft (siehe Kritik an den Themen) und der Teil der Wortbildung wird in der Regel vollkommen vergessen. Die Lexisist das gesamte Vokabular einer Sprache, ihr vollständiger Wortbestand. Die Lexik stellt allein wegen ihrer schieren Größe ein gewaltiges Lernproblem dar. Lehrbücher beschränken das Gesamtvokabular auf ca. 2000 bis 3000 Wörter. Diese Zahl erscheint groß, ist aber weniger als 2% des allgemeinen Wortschatzes moderner Sprachen, also nichts und noch einmal nichts. Die Idee des „Basic English“, einen Lerner mit 1000 geschickt kombinierten Wörtern alles sagen lassen zu können, ist eine Schnappsidee, weil englische Muttersprachler leider kein Basic English gelernt haben und deshalb mit jedem anderen ein ganz normales English sprechen, was unser fleißige Schüler aber nicht gelernt hat.

  18. Zeitund Tempus Mit den Begriffen Zeitund Tempusversuche ich zwischen Form (Tempus) und Inhalt (Zeit)zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird in Grammatiken üblicherweise nicht gemacht, was aber zu groben Fehlern und vor allem Unverständlichkeiten führt. In den folgenden Sätzen steht zweimal die Verbform „wäre“, die normalerweise als „Konjunktiv Imperfekt“ bezeichnet wird: • Ich wäre gerne Millionär. • Wenn ich Millionär wäre, ... Es handelt sich in beiden Fällen um ein hypothetisches „Millionär sein“, insofern könnte die Bezeichnung „Konjunktiv“ richtig sein, aber das „Millionär sein“ liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart, deshalb ist die Bezeichnung „Imperfekt“ zur Beschreibung des Inhalts abwegig, weil Imperfekt in die Vergangenheit deutet. Die Bezeichnung „Konjunktiv Imperfekt“ läßt sich nur dadurch rechtfertigen, daß die Form wäreaus der Form warableitbar ist, es ist eine Bezeichnung, die erklärt, wie man wärebilden kann, wenn man warkennt, aber zur Bedeutung vonwäre trägt sie nichts bei. Der grundlegende Fehler der traditionellen Grammatik, d.h. auch fast aller Schulgrammatiken, ist die Annahme, daß ein grammatischer Begriff gleichermaßen ein Zeichen und seine Bedeutung beschreiben kann.

  19. 3. Er hat mir gestern gesagt, er sei krank. Die Form „sei“ wird in den Grammatiken als Konjunktiv Präsensbezeichnet, diese Bezeichnung ist zwar richtig in bezug auf die Zeit, aber das Krankseinist höchst real und in keinster Weise hypothetisch. Hieraus folgt, daß auch der Begriff Konjunktivuneinheitlich gebraucht wird, nämlich einmal zur Bezeichnung einer hypothetischen Handlung und einmal zur Bezeichnung einer realen Handlung. 4. J’aimeraisbienêtremillionnaire. (Übersetzung von Satz 1 ins Französische) 5. Si j’étaismillionnaire. (Übersetzung von Satz 2 ins Französische) 6. Hier, il m’a dit qu’il était malade. (Übersetzung von Satz 3 ins Französische) Das deutsche wärewird im Französischen durch zwei unterschiedliche Formen wiedergegeben, nämlich aimeraisêtreund étais, die erste Form heißt conditionnel, die zweite heißt imparfait. Selbstverständlich ist die Bedeutung beider Formen identisch zum deutschen wäre, d.h. es handelt sich in beiden Fällen um ein hypothetisches gegenwärtiges Millionär sein, étaissieht hier zwar so aus wie das étaitin Satz 6, aber es bedeutet hier hypothetische Gegenwartund nicht reale Vergangenheit wie in Satz 6. Fazit: Unter Zeitverstehe ich die zeitliche Bedeutung einer finiten Verbform, unter Tempusverstehe ich ausschließlich die äußere Formeiner finiten Verbform.

  20. Tempusvonwäre = Konjunktiv Imperfekt oder besser „Konditional“ Zeitvonwäre = hypothetische Gegenwart / Zukunft Tempus von sei = Konjunktiv Präsens Zeit von sei = (reale) Gegenwart Tempus von aimerais= conditionnel Zeit von aimerais= hypothetische Gegenwart / Zukunft Tempusvon étais = imparfait Zeit von étais = hypothetische Gegenwart / Zukunft Tempus von était = imparfait Zeit von était = (reale) Vergangenheit In dieser Übersicht habe ich neben Gegenwart auch noch Zukunft genannt, obwohl die Beispiele 1, 2, 4 und 5 eindeutig Gegenwart sind, die Zukunft kommt in den Sätzen 7-10 vor.

  21. 7. Oh ja, eines Tages wäre ich gerne Millionär. 8. Ah oui, j’aimerais bien être millionnaire, un jour. Durch Hinzufügung eines passenden Kontextes wird im Deutschen wie im Französischen das Millionärsein in die Zukunft verlegt, es bleibt aber hypothetisch. Das hier Dargestellte bedeutet nicht, daß ein Deutscher einem Franzosen nicht erklären könnte, daß Zukunft im Prinzip unsicher ist, und daß ein Franzose sogar einem Deutschen erklären kann, daß es nächstes Jahr bestimmt wieder die Tour de France gibt (auf Französisch: Il y aura toujours..., à moins que le ciel leur tombe sur la tête, mais ce n’est pas demain la veille, …. (Astérix), aber es bedeutet, daß eine andere Sichtweise der Wirklichkeit zu unterschiedlichen sprachlichen Bedeutungenführen kann bzw. führt, deshalb gilt die folgende Übersetzungsgleichung: J’te dirai pas.= Sach ich dir nich. Um die Zukunft real zu machen, muß ich im Deutschen das Präsens wählen, im Französischen aber das futur. 9. Oh ja, eines Tages bin ich Millionär, ihr werdet schon sehen. 10. Ah oui, un jour je serai millionnaire, vous verrez. Die Verwendung des Futurs im Deutschen, wie in „ihr werdet schon sehen“ macht das Sehen nicht real wie im Französischen, sondern schon möglich, d.h. der deutsche Sprecher billigt der Zukunft nureine eingeschränkte Realität zu, die man auf deutsch mit „schon möglich“ verbalisieren kann, der französische Sprecher hält die Zukunft für sehrreal.

  22. Die Beispiele drei und sechs belegen ein anderes Problem zwischen den beiden Sprachen, denn in beiden Sprachen sind die folgenden Sätze zweideutig: 11. Er hat mir gestern gesagt, er sei krank, und deshalb ist er nicht gekommen. 12. Er hat mir gestern zwar gesagt, er sei krank, aber das sah nicht so schlimm aus. In Beispiel 11 findet das „Kranksein“ zumindest seit Gestern statt und dauert bis zum Jetzt, in Beispiel 12 hat das „Kranksein“ zum Zeitpunkt des Sagens stattgefunden, ist seitdem aber beendet. Im Französischen wird durch die Wahl des Tempus „imparfait“ primär, d.h. ohne erläuternden Kontext die Bedeutung von Satz 12 ausgedrückt, im Deutschen eher die Bedeutung von Satz 11. In den Beispielen drei und sechs (ebenso 11 und 12) gibt es zwei verschiedene Zeitpunkte, nämlich den Zeitpunkt des Sagens und das Jetzt. Im Französischen wird die Gleichzeitigkeit des Krankseins mit dem Zeitpunkt des Sagens betont, im Deutschen eher die Gleichzeitigkeit des Krankseins mit dem Jetzt, die implizit vorhandene Gleichzeitigkeit des Sagens und Krankseins ist im Deutschen eher unbedeutend. Will man im Französischen die Gleichzeitigkeit des Krankseins mit dem Jetzt wie im Deutschen ausdrücken, muß man den Kontext eindeutig erweitern. Allerdings erlaubt die gesprochene französische Sprache auch eine Klarstellung durch eine geänderte Tempuswahl: 13. Il m’a dit qu’il était malade. (Das Kranksein ist gleichzeitig zumZeitpunkt des Sagens) 14. Il m’a dit qu’il est malade.(Das Kranksein ist gleichzeitig zum Zeitpunkt des Sagens und zumJetzt) 15. Er hat mir gesagt, daß er krank ist. Der im Beispiel 14 dargestellte Gebrauch wird oft in Schulen und Universitäten als fehlerhaft angesehen, hat sich im gesprochenen Französisch aber vollständig durchgesetzt, ebenso wie das deutsche Beispiel 15, das sich inzwischen in allen Medien durchgesetzt hat und außerhalb der Schule immer richtig ist. Der Begriff Zeitpunkt des Sagensist identisch zum oft gebrauchten Begriff Sprechzeitpunkt.

  23. Vergangenheit Jetzt Zukunft Die Zeiten der Rede (des Discours) Unter Jetzt verstehe ich die naive sprachliche Vorstellung vom „Jetzt“, über die jeder Mensch verfügt, weder eine physikalische, noch eine philosophischeBeschreibung des Jetzt könnte geeigneter sein als unsere „primitive“ Vorstellung, denn genau diese Vorstellung bestimmt den sprachlichen Gebrauch der Zeiten. Unter Vergangenheit verstehe ich den Zeitraum, der zeitlich vor demJetztliegt. Die Vergangenheitist immer und grundsätzlich vergangen und unabänderlich. Unter Zukunft verstehe ich den Zeitraum, der zeitlich nach dem Jetztliegt. Die Zukunft liegt immer und grundsätzlich vor uns. Darüber hinaus bewegt sich das Jetztfür uns alle in Richtung Zukunftund kommt aus der Vergangenheit, niemand kann das Jetztauf diesem Wege aufhalten, niemand kann den Weg zurück in die Vergangenheit gehen, niemand kann einen kurzen Blick in die Zukunft werfen, nur um mal eben die Lottozahlen vom nächsten Samstag zu notieren. Die Uhren und Kalender sagen uns, daß das Jetzt mit konstanter Geschwindigkeit in die Zukunft rast, unser subjektives Zeitempfinden ist damit nicht einverstanden, aber dieser Unterschied ist sprachlich nicht erheblich: • Schatz ich fahr jetzt los, ich bin in 10 Minuten da. – Bis gleich. (Eine Stunde später) • Ist was passiert? Ich warte hier auf dich und .... • Wie? Was? Warum ? (frei nach Mario Barth)

  24. Wir Menschen haben keine sprachlichen Probleme in dieser Situation, wie man sieht, wir sind nur fassungslos über das nichtsprachliche Verhalten des jeweils anderen und als Außenstehende finden wir solche Situationen einfach nur komisch. In unserer Welt ist dasJetztoffensichtlich eine absolute Konstante, sozusagen die Konstante unseres Lebens, es begleitet uns von der Geburt bis zum Tod, dieVergangenheitist unsere Erinnerung an das Erlebte und dieZukunftsind unsere Pläne, unsere Hoffnung, unsere Wünsche. Durch die Sprache teilen wir unser Leben mit anderen Menschen, d.h. immer wenn wir über die erlebte, erinnerte oder geplante Wirklichkeitsprechen, bezieht sich der Inhaltdes Sprechens zeitlichauf das Jetzt, denn Alle diese Äußerung enthalten einen zeitlichen Bezug zum Jetzt. Diese Art Sprache wird üblicherweise als Redeoder Discours(Diskurs) bezeichnet.

  25. Hauptsatz= Vergangenheit bis Jetzt/Zukunft = Nebensatz Die beiden wichtigsten Unterschiede zwischen Deutsch und Französisch in der Rede habe ich oben schon dargestellt, ich wiederhole sie hier noch einmal: liegt eine Handlung, ein Zustand oder eine Eigenschaft in der Zukunft, dann steht im Französischen ein Tempus des Futurs, im Deutschen üblicherweise das Präsens. im Französischen steht das Verb eines Nebensatzesimmer im imparfait, . wenn das Verb des zugehörigen Hauptsatzes in einer Zeitform der Vergangenheitsteht, . die Handlungen, Zustände oder Eigenschaften von Haupt- und Nebensatz gleichzeitig sind . und die Handlung des Nebensatzes länger dauert als die Handlung des Hauptsatzes.

  26. Es war einmal ... und wenn ... dann leben sie noch heute Die Zeiten der Erzählung (des Recit) Mit der Erfindung von Schriften wird die unmittelbare Verbindung der Rede mit dem Jetzt aufgelöst. Bei der mündlichen Rede ändert sich nichts (klar), bei der schriftlichen Rede gibt es neben einem Jetztdes Schreibens eine beliebige Menge von Jetzt des Lesens (beliebig heißt von 1 bis zu einer sehr großen Zahl). Diese Erweiterung hat aber weder im Deutschen noch im Französischen einen wichtigen Einfluß auf den Gebrauch der Zeiten und Tempora in der Rede. Die überwiegende Zahl aller schriftlichen Texte sind Rede, d.h. Jetzt-gebunden und folgen dem oben aufgeführten Schema. Der folgende Text weicht von diesem Schema vollkommen ab: Am Morgen des 14. Juli 3145 breitete1 sich eine fröhliche Stimmung auf dem Kommandodeck des schweren Kreuzers Atlantis aus, das lange Warten hatte ein Ende2, Commander H. Potter führte3 gerade die Befehlssequenz zum Eintritt in den Hyperspace aus. Die genialen Quittungssequenzen des BioBotsgruben4 sich in das Bewußtsein der Mannschaft, amüsierten5 und beruhigten6 die Leute, vertrieben7 Ängste und Spannungen, denn es blieben8 noch 10 Minuten, bis jeder in den Kälteschlaf fallen würde. Obwohl jeder an Bord der Atlantis die Prozedur schon x-mal erlebt hatte, war es diesmal anders, diesmal...

  27. Am Morgen des 14. Juli 3145 breitete1 sich eine fröhliche Stimmung auf dem Kommandodeck des schweren Kreuzers Atlantis aus, das lange Warten hatte ein Ende2, Commander H. Potter führte3 gerade die Befehlssequenz zum Eintritt in den Hyperspace aus. Die genialen Quittungssequenzen des BioBotsgruben4 sich in das Bewußtsein der Mannschaft, amüsierten5 und beruhigten6 die Leute, vertrieben7 Ängste und Spannungen, denn es blieben8 noch 10 Minuten, bis jeder in den Kälteschlaf fallen würde. Obwohl jeder an Bord der Atlantis die Prozedur schon x-mal erlebt hatte, war es diesmal anders, diesmal... Die Handlung dieses Textes spielt im Jahr 3145, d.h. vom Jetzt aus gesehen in einer fernenZukunft, trotzdem lesen wir den Text, als ob alles schon vergangen wäre, auch die verwendeten Zeiten, sind Zeiten derVergangenheit. Es handelt sich offensichtlich um einen Text, der unsere innige Verbindung mit dem Jetzteinfach mißachtet, aber niemand von uns vermißt das Jetzt in diesem Text, denn in diesen Text hat der Autor des Textes ein künstliches, ein fiktives Jetzt eingebaut, der Text enthält eine eigene Chronologie, d.h. eine Reihenfolge des Geschehens, die in den Text eingebaut ist. Diese Chronologie wird durch eine strikte zeitliche Abfolge der rot markierten und durchnumerierten Handlungen erreicht. Texte dieser Art werden als Récit oder Erzählung bezeichnet. Jede Erzählung hat genau eine ersteHandlung, den Anfang, eineletzte Handlung, das Ende und eine Vielzahl an Handlungen zwischen Anfang und Ende, die alle zeitlich geordnet sind. Hieraus ergibt sich für jede Erzählung eine Kette von Handlungen, die zeitlich aufeinanderfolgen, so daß man sie durchnumerieren kann, wie ich es oben gemacht habe.

  28. Tempora der Handlungskette Im Deutschen stehen alle Verben, die die Handlungskette bilden im Imperfekt. Das deutsche Imperfekt kennzeichnet einen deutschen Text als Erzählung, es ist das Erzähltempus des Deutschen. Im Französischen stehen alle Verben, die die Handlungskette bilden im Passé simple, dasfranzösische Passé simple kennzeichnet einen französischen Text als Erzählung, es ist das Erzähltempus des Französischen. Passé simple oder Passé composé ? In mündlichen Erzählungen wird fast immer das Passé composéverwendet (aber nicht beim Vorlesen, z.B. von Kindermärchen). 1942 erscheint der Roman „L’Etranger“ von Albert Camus (Nobelpreisträger), der vollständig im Passé composéverfaßt ist. Diesem Vorbild sind seitdem viele weitere Autoren gefolgt, trotzdem wird die Mehrzahl der Erzählungen weiterhin im Passé simplegeschrieben, eine passive Kenntnis der Formen ist deshalb zwingend nötig, wenn man französische Literatur lesen will..

  29. Die Bedrohung des Passé simple durch das Passé composé, die schon im hohen Mittelalter beginnt, hat dazu geführt, daß das Passé simple seit dem 19. Jahrhundert zu einer Prestigeform wird, und Menschen, die es benutzen, auch falsch benutzen, einen Schein von Bildung verleiht. So finden wir auch in bedeutenden literarischen Texten des 19. Jahrhunderts unbegründete, um nicht zu sagen falsche Verwendungen des Passé simples. Von diesen unbegründeten Verwendungen, hat sich lediglich die Verwendung des Passé simple in Enzyklopädienerhalten, in denen es von Anfang an als praktische Kurzform des Passé composés Eingang gefunden hatte, vergleichbar mit dem deutschen Imperfekt in Nachrichtentexten. Wenn jemand Französisch lernt und literarische Texte lesen will oder muß, kommt er nicht daran vorbei das Passé simple zu erkennen und zu verstehen, aber ich warne jeden davor, es selbst benutzen zu wollen, man macht sich damit nur lächerlich.

  30. Das Imparfait in einer Erzählung Obwohl jeder an Bord der Atlantis die Prozedur schon x-mal erlebt hatte, war es diesmal anders, diesmal... Aber nicht jedes Verb im Imperfektdes deutschen Texts ist auch Bestandteil der Handlungskette: in dem Text oben steht „… wares diesmal anders“ zwar im Imperfekt, aber das „anders sein“ folgt nichtauf das „bleiben“, es ist eigentlich von Anfang an anders. Im Deutschen unterscheiden wir formal nicht, zwischen einer Handlung, die nur jetzt wahr ist, von einer Handlung, die auch jetztwahr ist, in beiden Fällen steht das Imperfekt, aber wir können den Unterschied meist problemlos erkennen. Das müssen wir auch, denn im Französischen stehen diese Verben im „Imparfait“. In sehr vielen Fällen kann man das Problem sehr leicht lösen, indem man fragt: „Seit wann ist es denn anders?“ und darauf die Antwort geben muß: „Das kann man nicht wissen.“ Im folgenden Beispiel hilft der gesunde Menschenverstand: Sarah stand auf, es war kurz nach zehn Uhr. Als Sarah noch im Bett lag war es auch schon kurz nach zehn Uhr, d.h. es gibt keine Reihenfolge zwischen dem Aufstehen und dem „nach zehn Uhr sein“, denn es ist vor und nach dem Aufstehen kurz nach zehn Uhr, das Nachzehnuhrsein umfaßt das Aufstehen, es gibt keine Reihenfolge.

  31. Manchmal ändert man durch die Wahl des Tempusdie Bedeutungdes französichen Textes, dann sollte der deutsche Text aber immer zweideutig sein: Sarah goß einen Kübel kalten Wassers über ihm aus und er lächelte. Bedeutung1: Sarah le doucha longuement et il ria ressuscité. - Sarah gießt aus und dann lächelt er. Bedeutung2: Sarah le doucha longuement et il riait ressuscité. - Er lächelt, Sarah gießt aus, und er lächelt immer noch. Im ersten Fall ist das Lächeln die Folge des kalten Wassers, z.B. weil es 35 Grad heiß ist, also zuerst ausgießen und dann lächeln. Im zweiten Fall lächelt er vor dem kalten Guß, dabei und danach, warum er lächelt bleibt unklar. In solchen Fällen sind beide Tempora richtig im gleichen Text, aber das ist letztlich der Sinn der Sache. Veränderung des Zeichens führt üblicherweise zu einer Bedeutungsveränderung. Im Streit mit einem Lektor kann man hier nur gewinnen, aber nur wenn man Bescheid weiß.

  32. Das Plus-que-parfait und das Conditionnel in der Erzählung In der folgenden Handlungskette muß die Handlung des Vergessens zunächst verschwiegen werden: Ich packte1meinen Koffer, vergaß2meinen Schlafanzug und fuhr los3. Jeder Leser würde spontan sagen: Pack ihn doch ein, du hast es rechtzeitig gemerkt. Deshalb steht im Text auch eher der folgende Satz: …, packten-1 ich meine Sachen aus und merkten, daß ich den Schlafanzug vergessen2hatte. Dieses Verhalten der Leser belegt in sehr schöner Weise die Akzeptanz des fiktiven Jetztin einer Erzählung. Also darf ich das Vergessen erstdann in der Erzählung erwähnen, wenn es entdeckt oder wichtig wird, dann muß ich es aber als „vergangen zum fiktiven Jetzt“ kennzeichnen. Der Autor nennt dasVergessenalso nicht zum fiktiven Jetzt des Vergessens, sondern später, damit ist das Vergessen zum Zeitpunkt des Merkens schon Vergangenheit. Im Deutschen wie im Französischen steht in diesen Fällen das Plus-que-parfait bzw. das Plusquamperfekt, es drückt aus, daß eine Handlung in der Vergangenheit des fiktiven Jetztliegt, d.h. das Vergessen ist vorzeitig zum Merken. In analoger Weise wird verfahren, wenneine Handlung der Handlungskette erwähnt wird, ehe sie tatsächlich in der Erzählung vorkommt, sie also in der Zukunft des fiktiven Jetztliegt. In diesem Fall ist das Ereignis nachzeitig zur seiner Erwähnung. Im Deutschen wie im Französischen steht in diesen Fällen das conditionnel bzw. das Konditional.

  33. Rede in Erzählungen Vergleichen wir die beiden folgenden Sätze einer Erzählung: Am nächsten Morgen stand Sarah früher auf. Le lendemainSarah s‘estlevée plus tôt. Sarah sagte ihm: „Morgen stehe ich früher auf.“ Sarah lui a dit, demain je me lèverai plus tôt. Die Wörter „Morgen, demain“ bedeuten so etwas wie Tag, der auf das reale Jetztfolgt. „Am nächsten Morgen, le lendemain“ aber so etwas wie Tag nach dem letzten fiktiven Jetztin der Erzählung Die wörtliche Rede in einer Erzählung ist immer und grundsätzlich Redeinnerhalb einer Erzählung, deshalb sind in der wörtlichen Rede auch die Tempora der Rede zwingend vorgeschrieben, deshalb spricht Sarah hier im Deutschen im Präsens, auf französisch hätte sie das Futur „Je melèverai...“ verwendet, wie weiter oben dargestellt. (Viele auch wichtige und große Autoren des 19. Jahrhunderts lassen ihre Helden in wörtlicher Rede das Passé Simple verwenden, ein deutlicher Hinweis darauf, daß die wirkliche Funktion des Passé simple nicht mehr bekannt ist, anders als im 17. und 18. Jahrhundert, bei Molière und Voltaire findet man so etwas nur sehr selten.)

  34. Aber es kann weitere Redeteile in Erzählungen geben, die Überschrift zu diesem Kapitel deutet das an. Viele Märchen beginnen mit „Es war einmal“ und einige enden trotzdem auf „und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Diese Märchen enden auf Zeitender Rede, nämlich Perfekt und Präsens, und niemanden stört das. Also wird es wohl richtig sein. Wer aber spricht mit wem? Die Gebrüder Grimm, die diese Märchen aufgeschrieben haben, sind schon lange verstorben, und ihre Leser und Zuhörer sind Ihnen vollkommen unbekannt. In dem SciFi Text weiter oben haben wir eine Erzählung, die in unserer realen Zukunft spielen soll und die verwendeten Zeiten sind Zeiten der Vergangenheit. Klar die Geschichte wird uns erzählt, aber von wem?, einem Menschen aus der Zukunft? Natürlich nicht, der Erzähler der Geschichte ist genauso wenig real wie die Geschichte selbst, es ist ein fiktiver Erzähler, der in die Geschichte eingebaut ist, und er erzählt die Geschichte einem fiktiven Leser, der ebenfalls in die Geschichte eingebaut ist. Seit mehr als 25 Jahren fragen sich alle Kinder, wenn Peter Lustig am Ende seiner Sendung sagt: „Kinder schaltet jetzt den Fernseher aus.“ Und 30 Sekunden später „Ihr habt ja immer noch nicht ausgeschaltet.“ „Wieso weiß der das?“ Nein, liebe Kinder, Peter Lustig weiß es nicht, er sagt das fiktiven Kindern, er sagt das auch, wenn ihr den Fernseher ausschaltet. In jeder Erzählung gibt es also einen fiktiven Erzähler und einen fiktiven Leser. Einige Autoren lassen den fiktiven Erzähler mit dem fiktiven Leser kommunizieren. Diese Form der Kommunikation ist aber auch wörtliche Rede. Mit der Folge, daß dort die Zeiten und Tempora der Rede zuständig sind. Da wir das alle intuitiv wissen und richtig verstehen, bemängelt niemand solche Textstellen.

  35. Abgrenzung Erzählung Rede Man könnte versucht sein zu sagen, daß Redeimmer einen Bezug zur Realität hat, Erzählungen aber in der Regel fiktional, d.h. ausgedacht sind. Leider ist das nicht so, auch wenn diese Erwartung zunächst richtig ist und auch oft bestätigt wird. Aber Theaterstücke sind weitgehend Rede und immer fiktional, und zumindest ein Teil der Nachrichten am 01. April eines Jahres sind wirklich fiktiv, auch wenn wir reinfallen. Daß wir darauf hereinfallen, liegt daran, daß wir Rede im Radio, Fernsehen und in Tageszeitungen zunächst immer für real halten. Aber bei zwingendem Kontext, z.B. in einem Theaterstück oder innerhalb eines Romans hält niemand die Rede für real. Kein Kind macht sich später als Jugendlicher auf die Suche nach Dornröschen, zumindest nicht dem Dornröschen, von dem behauptet wird, daß es noch lebt. In einem Spielfilmist fast alles, was wir hören Rede, alles, was wir sehen Erzählung, trotzdem betrachten wir das Ganze als Einheit.

  36. Begrifflichkeiten In diesem Text habe ich mit den Begriffen Rede(fr. Discours) und Erzählung(fr. Récit) gearbeitet. Diese Begriffe werden auch anders verwendet: ich habe ganz bewußt „Erzählung“ gewählt, weil das Wort sowohl mündliche und schriftliche Formen abdeckt und allgemein in diesem Sinne verstanden wird, es ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, d.h. unmittelbar einsichtig und meiner Meinung nach der beste Begriff für den Sachverhalt. Der Begriff Récit ist fachwissenschaftlich und schriftlich gemeint, deshalb habe ich ihn hier mitaufgeführt. Der Begriff Rede istengerals das Gemeinte und eigentlich nicht gut, er wird aber in „wörtlicher Rede“ genauso verwendet, deshalb habe ich ihn beibehalten. Discoursist zumindest im Deutschen eine Sammlung aktueller Redebeiträge zu ausgewählten Themen, z.B. politischer Diskurs etc. und dortder entsprechende Fachbegriff. Diese Begrifflichkeiten hat Harald Weinrich 1982, S.157ff als (erzählte (Récit) und besprochene (discours) Welt) in die Linguistik des Französischen eingeführt und ist dafür von den Linguisten sehr gescholten worden, „literarische Kriterien etc.“ Inzwischen sind die Begriffe weitgehend akzeptiert worden (z.B. in Kleineidam 1983). Ich verwende mündlich auch die Begriffe „Récit“ und „Discours“, aber ohne Grund, aus Nachlässigkeit.

  37. Erzählung oder Récit sind alle Texte, in denen eine strikte Handlungskette existiert und ein fiktives Jetzt durch die Handlungskette generiert wird. In größeren Texten werden oft mehrere Handlungsstränge nacheinander und abwechselnd erzählt und am Ende zusammengeführt. Typische Erzählungen/Récitssind Märchen, Epen, Romane, Kurzgeschichten, Novellen und Spielfilme. Rede oder Discourssind alle Texte, in denen Handlungsketten üblicherweise nicht existieren (Ausnahmen sind z.B. Reportagen, Beschreibungen, Montageanleitungen u.ä.), manchmal gibt es Anfänge von Erzählungen in der Rede, wenn etwas verdeutlicht werden soll. Typische Rede sind alle Gespräche, Reden (privat und öffentlich), Diskussionen, Streit, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Kommentare, Essays, wissenschaftliche Texte, Theaterstücke, Oper, Operette, Musical, Sachbücher, Dokumentarfilme und fast alles, was man im Fernsehen sehen kann, außer Spielfilmen, Soaps und Serien. Diese Aufzählungen sind nicht vollständig und vielleicht auch nicht grundsätzlich richtig, aber sie sollten eine gute Guideline sein, Zweifelsfälle kann man meistens für sich entscheiden, so ist das epische Theater von Brecht Theater und kein Epos also Rede, Krimi- und Actionserien eher Erzählungen, aber Quasselserien, wie „Golden Girls“ und „Hört mal, wer da hämmert“ eher Rede.

  38. Das so genannte „historische“ Präsens in einer Erzählung Die meisten Grammatiker glauben, daß sich Erzählungen in unserer Vergangenheit abgespielt haben und somit historisch sind, dem ist aber nicht so. Die meisten Erzählungen haben sich überhaupt nicht abgespielt und sind reine Fiktion, auch sogenannte historische Romane haben lediglich einen historischen Aufhänger, wenn überhaupt, die Erzählung selbst ist frei erfunden. Der Begriff ist also eher ungeeignet. Ingesprochener Sprache wechselt der Erzähler sehr häufig in das Präsens über, um seine Geschichte lebendiger zu gestalten: Gestern morgen war ich in der Stadt, dachte an nichts Böses, wollte nur so ein bißchen kucken, plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme: „Bist Du das, Rainer?“. Ich dreh mich um, wer kommt da, der Helmut. Weißt Du wer? Der Helmut Becker, genau der. ... usw. Der Wechsel zum Präsens nimmt den Zuhörer mit in die Geschichte, beteiligt ihn am Geschehen. Dies Stilmittelist in der gesprochenen Sprache häufig zu finden, weil mir niemand zuhört, wenn ich langatmig eine Geschichte erzähle, wir sind keine professionellen Erzähler, niemand will von uns Geschichten hören (deshalb sind die meisten Witze als Rede konzipiert und nicht als Erzählung). In literarischen Texten findet man dieses Stilmittel eher selten, wenn nicht sogar sehr selten. Mir am besten bekannt ist der Roman „La Peur“ von Gabriel Chevalier, wo der Autor immer dann von diesem Stilmittel Gebrauch macht, wenn er uns an seiner Angst in den Schützengräben des 1. Weltkriegs teilhaben lassen will.

  39. J’étais dans l’île depuis trois mois, A0 lorsqu’un jour un gamin m’apporta un cadeau de celle que je pouvais désormais appeler mon amie Taratonga. C’était un gâteau de noix, qu’elle avait préparé elle-même à mon intention, A1 mais ce qui me frappa immédiatement A2 ce fut la toile dans laquelle le gâteau était enveloppé. C’était une grossière toile à sac, mais peinte de couleurs étranges, qui me rappelaient vaguement quelque chose; A3 et, au premier abord, je ne sus quoi. A4 J’examinai la toile plus attentivement A5 et mon cœur fit un bond prodigieux dans ma poitrine. A6 Je dus m’asseoir. A7 Je pris la toile sur mes genoux A8 et la déroulai soigneusement. C’était un rectangle de cinquante centimètres sur trente et la peinture était craquelée et à demi effacée par endroits. A9 Je restai là un moment, fixant la toile d’un œil incrédule. Mais il n’y avait pas de doute possible. J’avais devant moi un tableau de Gauguin. A10 (Je me demandai alors si j’en parlerais à Taratonga.)

  40. Zeiten der Rede Zukunft Gegenwart hypothetisch Vergangenheit hypothetisch Zusammenfassung FranzösischeTempora Deutsche Tempora Futur simple je partirai Futur composé je vais partir ich geh weg ich werde weggehen Présent Tu dors? Je travaille chez Opel. Conditionnel Moi,je partirais. Schläfst du? Ich arbeite bei Opel. Ich würde ja weggehen. Passé composé je suis parti. Imparfaitje le savais. Conditionnel passé je serais venu. ich bin weggegangen das wußte ich. ich wäre gekommen. Deutsche Tempora ZeitendesRécit Französische Tempora Passé simple il m’apporta Passé composé il m’a apporté Handlungskette Er brachte mir. gleichzeitig zur HK Imparfait c’était un gâteau Es war ein Kuchen vorzeitig zur HK Plus que parfait elle avait préparé Siehatteihn gebacken. nachzeitig zur HK Ich würde darüber sprechen. Conditionnel j’en parlerais à

  41. Merkregeln für die Praxis und den Unterricht Die Verwendung des Passé composéim Récit ist auf die gesprochene Sprache beschränkt, erst seit 1942 gibt es literarische Texte, die es dem Passé Simple vorziehen. Das Imparfait hat in beiden Zeitsystemen eine ähnliche Bedeutung, es drückt die Gleichzeitigkeit zu einer oder vielen anderen Handlungen aus. Im Récit steht es deshalb immer, wenn eine Handlung nicht in die Handlungskette paßt, in der Rede steht es nur in Nebensätzen (außer bei den Imperfekt anfälligen Verben). Das Conditionnel in der Redebezeichnet eine hypothetischeHandlungder Gegenwart, im Récit bezeichnet es eine realeHandlung, die später stattfinden soll. Im Récitsteht nie eine Zeit der Zukunft oder der Gegenwart. Ein deutschesPlusquamperfekt entspricht immer einem französischenPlus-que-parfait. Ein deutschesKonditional entspricht immer einem französischenConditionnel, außer in Bedingungssätzen, dort steht im Si-Teil das Imparfait statt des Conditionnel, und das Plus-que-parfait statt des Conditionnel Passé. Ein deutschesPerfektentspricht immer einem französischenPassé Composé. Ein französischesPassé Composéin der Redeentspricht immer einem deutschen Perfekt, im Récit aber immer einem deutschenImperfekt. Ein französischesPrésent entspricht immer einem deutschenPräsens Benutze selbst niemals einPassé Simple oder ähnliche archaische Formen. (Ça te donne l’air idiot.)

  42. Klein-Strohmeyer – Französische Sprachlehre Vorwort … Diese Französische Sprachlehre ist nicht einfach eine Überarbeitung der bisherigen Neuen Französischen Sprachlehre des Ernst Klett Verlages (Französische Schulgrammatik von Fritz Strohmeyer,2. Aufl. Leipzig Teubner, 1919, iv, 254 p.), sondern ein völlig neues Buch. Es wurde zwar auf dem bewährten Werk von Fritz Strohmeyer aufgebaut und in enger Zusammenarbeit mit dem Autor nach modernen Erkenntnissen geordnet und erweitert, ist aber vor allem in der Stoffauswahl und in der Methodik der Darstellung völlig neu. Maßgebend für die Beispielauswahl war nicht nur der gute Sprachgebrauch klassischer und moderner Autoren, sondern auch die gute Umgangssprache von heute. Wir haben uns dabei ebensosehr davor gehütet, Veraltetes als Norm hinzustellen, wie auch davor, unbedingt jeder Neuerung nachzulaufen, die noch nicht zum „bonusage“ geworden ist, wie ihn Ph. Martinon und M. Grevisse beispielgebend darstellen. Getreu diesen Leitsätzen haben wir versucht, die Regeln nicht als Vorschriften oder Gesetze, sondern als Erläuterung des inneren Systems der Sprache darzubieten. Die Darstellung ist weder historisierend noch psychologisierend, sondern folgt der heute in der Wissenschaft gültigen deskriptiven Methode. Wir haben allerdings die traditionelle Terminologie meist beibehalten, weil die Schule nicht da experimentieren sollte, wo die Forschung noch keine allgemein akzeptierten Bezeichnungen gewonnen hat. Lediglich der französischen Sprache nicht gemäße Begriffe wie Kasus u. dgl. wurden neu definiert und benannt. Die Beispiele sind französischen Quellen verschiedenster Art entnommen. In den Fällen, die Besonderheiten oder . Entwicklungstendenzen des heutigen Sprachgebrauchs illustrieren, haben wir Belege modernster Schriftsteller . gegeben. Stuttgart 1956 (von mir hinzugefügt) …

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