Bundesrechnungshof fordert Tempo bei der Energiewende

Auf einer Mauer der Schriftzug Bundesrechnungshof - er hat sich mit der Energiewende befasst.Foto: Bundesrechnungshof
Der Bundesrechnungshof hat sich in einem Sonderbericht zur Energiewende kritisch mit den Maßnahmen der Bundesregierung befasst. Er sieht die Energiewende gefährdet. Es zeigt sich aber auch, dass es in Deutschland noch an einer klaren Linie zum Umbau des Stromsystems fehlt. Unsere Analyse:

Ein wesentlicher Kritikpunkt, den der Bundesrechnungshof in seinem Bericht zur Energiewende äußert, ist die aus seiner Sicht bestehende Gefahr von Versorgungslücken. Die Versorgungssicherheit ist nach Meinung von Kay Scheller, dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, nicht gewährleistet. Der Bericht zur Energiewende stützt sich bei dieser Aussage auch auf einen Bericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Versorgungssicherheit. Die BNetzA kommt darin aber zu einem anderen Ergebnis. So heißt es darin: „Dieser Bericht zeigt, dass in den gewählten Szenarien die sichere Versorgung mit Elektrizität im Zeitraum 2025 bis 2031 gewährleistet ist.“

Unterschiedliche Sicht der Energiewende

Die zwei Bundesbehörden haben also eine sehr unterschiedliche Einschätzung der künftigen Situation. Der Bundesrechnungshof bemängelt, die Bundesnetzagentur stütze sich in ihrer Analyse zur Versorgungssicherheit nur auf ein Best-Case-Szenario. Die BNetzA gehe davon aus, dass tatsächlich alle erneuerbaren Energien sowie Stromleitungen wie geplant ausgebaut würden. Das ist nach Meinung des Rechnungshofs aber keineswegs sicher. Daher müsse die BNetzA auch den Worst Case betrachten.

Die Kritik weist das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) zurück. Das Monitoring der BNetzA basiere auf einer „wahrscheinlichkeitsbasierten Analyse“. Mehr als 27 Millionen Einzelsituationen einschließlich Extremsituationen im europäischen Strommarkt seien simuliert worden. Der Bundesrechnungshof entgegnet, er nehme dies zur Kenntnis. Er beharrt aber auch darauf, dass die Studie der BNetzA von unrealistischen Annahmen ausgehe. Dazu zähle die Annahme zum Zuwachs von steuerbarer gesicherter Leistung.

Strommarktdesign ist wichtig

Und hier kommt man zu der Frage, wie der künftige Strommarkt ausgestaltet werden soll. Bundesrechnungshof-Chef Scheller sagt, das Gelingen der Energiewende sei von herausragender Bedeutung für Deutschland. Sie ziele auf eine „grundlegende Umstellung der Energieversorgung“ hin zu erneuerbaren Energien ab. Doch er sagt auch: „Eine sichere Versorgung mit Strom aus volatilen erneuerbaren Energien erfordert aber zusätzlich, dass parallel ein weitgehend redundantes System mit gesicherter, steuerbarer Leistung verfügbar ist.“ Um etwa Dunkelflauten zu überbrücken, müsse demnach die erforderliche Leistung in Form eines konventionellen Kraftwerkparks zur Verfügung stehen.

Als Beleg für diese Aussage zieht der Bundesrechnungshof wiederum den Bericht der BNetzA heran und zitiert daraus: „Flexible Lasten und Speicher: Diese sollen ebenfalls zur marktseitigen Versorgungssicherheit beitragen. Insbesondere Speicher unterliegen allerdings (technischen) Restriktionen „bei der Einspeisedauer und -höhe und können daher längere Schwankungen der Erzeugung und Last, z. B. bei einer Dunkelflaute, allein nicht ausgleichen.“

Versorgungssicherheit auch durch Flexibilisierung

Der Kontext im Monitoringbericht zur Versorgungssicherheit der BNetzA ist aber etwas anders gelagert. Der Bericht der Netzagentur spricht sich sehr deutlich für eine Flexibilisierung aus. Und er kritisiert auch, dass die gesetzlichen Bestimmungen derzeit nicht geeignet seien, um Flexibilität zu fördern. Daher passt sich der Verbrauch nur selten der Erzeugung an. In diesem Zusammenhang sind Speicher nur ein weiterer Baustein. Die Betonung der BNetzA liegt also darauf, dass Speicher allein nicht ausreichen. Doch zusammen mit flexiblen Lasten und wohl auch Back-up-Kraftwerken können sie Versorgungssicherheit bieten.

Diese Unterscheidung ist auch mit Blick auf die Kosten der Energiewende wichtig. Denn zweifellos ist es die teuerste Variante, zwei Stromsysteme parallel betreiben zu wollen: ein regeneratives und zusätzlich ein konventionelles. Dabei befindet sich Deutschland mit einem Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch schon weit in der Transformation des Energiesystems. Und dies erfordert deutliche Änderungen im Strommarktdesign.

Konsequenz bei der Energiewende

Die Auseinandersetzung zwischen dem Bundesrechnungshof auf der einen und dem BWMK sowie der BNetzA auf der anderen Seite werfen auch ein Schlaglicht darauf, dass bei der Energiewende mehr Konsequenz erforderlich ist. Mit der technischen Transformation in Form von Windkraft- und Solaranlagen muss die regulatorische im Energierecht einhergehen.

Bundesrechnungshof kritisiert Defizite der Energiewende

Der Bundesrechnungshof legt die Finger aber auch in andere Wunden. So weist Scheller sehr klar darauf hin, dass der Ausbau der Windenergie lahmt. Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollten im vergangenen Jahr mehr als 12 Gigawatt Windenergieleistung an Land hinzukommen. Es waren aber nur etwas mehr als 6 Gigawatt. Die fehlenden Gigawatt sind – dem EEG entsprechend – im Jahr 2024 nachzuholen. Doch, so kritisiert Scheller, zumindest im Gebotstermin für die Windenergie im Februar 2024 habe die BNetzA die zusätzliche Menge nicht berücksichtigt.

Weiterhin liegt auch der Stromnetzausbau, wie schon bei der vorherigen Regierung, deutlich hinter den Planungen zurück. Der Zeitverzug betrage mittlerweile sieben Jahre und 6.000 Kilometer, rechnet der Bundesrechnungshof vor.

Bundeswirtschaftsministerium optimistischer

Auch das BMWK sieht diese Verzögerungen. Es geht aber davon aus, dass bei der Windenergie die Maßnahmenpakete aus dem Jahr 2022 und die im Mai 2023 präsentierte Wind-an-Land-Strategie zeitversetzt wirken. Der Zielpfad des EEG werde erreicht, wenn auch später. Die Maßnahmen zeigten bereits Wirkung. Den Netzausbau bewertet das Ministerium als herausfordernd, doch es ist zuversichtlich, die angepasste Zeitplanung aus dem Januar 2022 einhalten zu können.

Den Optimismus bei Windenergie und Netzausbau hält der Bundesrechnungshof aber weiterhin nicht für realistisch. Rückendeckung erhält das BMWK jedoch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Der Bundesrechnungshof schießt mit seiner Generalkritik über das Ziel hinaus“, sagt Kerstin Andreae, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Es seien sehr wohl Energiewende-Fortschritte sichtbar. „Die Bedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich haben sich deutlich verbessert.“ Und auch beim Stromnetzausbau gebe es erkennbare Fortschritte.

Bundesrechnungshof: Gefahr hoher Strompreise durch Energiewende

Der Bundesrechnungshof sieht auch in hohen Strompreisen eine Gefahr. Dabei teilt er offenbar die Ansicht des BMWK, der Ausbau der Erneuerbaren sorge für niedrige Stromgestehungskosten. Doch er mahnt an, auch weitere Kosten der Energiewende zu berücksichtigen, wie etwa den Netzausbau. Die Bundesregierung müsse hier für mehr Transparenz sorgen, um der breiten Öffentlichkeit kein falsches Bild der Transformationskosten zu vermitteln.

Diese Aussage will das BMWK so nicht stehen lassen. Zwar werde es höhere Systemkosten geben. Da aber auch der Stromverbrauch ansteige, verteilten sich die Systemkosten auf einen deutlich höheren Verbrauch. Das Ministerium weist außerdem darauf hin, dass es mit Blick auf die Kosten keine Alternative zu erneuerbaren Energien gebe. Denn allein durch die Verknappung von Emissionszertifikaten würden sich die Preise für Strom aus fossilen Kraftwerken stark erhöhen.

Von diesen Argumenten wiederum lässt sich der Rechnungshof nicht überzeugen. Er glaubt nicht, dass der Stromverbrauch schneller anwächst als die Systemkosten. Wobei dies natürlich auch davon abhängt, welchen Zeitraum man ins Auge fasst.

Umwelt- und Klimaschutz

Als weiteren Kritikpunkt an der Bundesregierung geht der Bundesrechnungshof in seinem Sonderbericht zur Energiewende auf den Umweltschutz ein. Das Ziel einer umweltverträglichen Versorgung sei gefährdet. Zwar sei eine treibhausgasneutrale Energieerzeugung von herausragender Bedeutung. Doch die anderen Schutzgüter dürften darüber nicht vergessen werden. Schöller erkennt an, dass der Bundesregierung einzelne Umweltwirkungen der Energiewende bekannt seien. Aber ihr fehle ein konsistentes Ziel- und Monitoringsystem. Erforderlich seien messbare Ziele für die einzelnen Schutzgüter, wie zum Beispiel für die biologische Vielfalt.

Quelle: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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