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Afghanistan Taliban-Tribunal soll offenbar über Ex-Ortskräfte richten

Die Taliban hatten internationalen Ortskräften eine Generalamnestie versprochen. Nun werden einem Medienbericht zufolge Vorladungen für ein Tribunal verschickt. »Verrätern« solle »eine Lektion erteilt werden«.
Taliban-Kämpfer halten Wache vor einer Polizeistation in der afghanischen Hauptstadt Kabul

Taliban-Kämpfer halten Wache vor einer Polizeistation in der afghanischen Hauptstadt Kabul

Foto: Oliver Weiken / dpa

Die Taliban wollen womöglich ehemalige Ortskräfte der internationalen Truppen vor ein Tribunal zerren. Das berichtet  der niederländische Fernsehsender NOS unter Berufung auf schriftliche Vorladungen, die offenbar von der radikalislamischen Gruppierung verschickt worden sind. Ein SPIEGEL-Reporter, der sich zurzeit in Afghanistan befindet, konnte den Vorgang zunächst nicht bestätigen.

Laut NOS haben mehrere Familien im Versteck lebender ehemaliger Dolmetscher Schreiben erhalten. Darin wird den Angehörigen mit schweren Strafen gedroht, wenn die Ortskräfte nicht vor dem Tribunal erschienen. Ziel sei es, anderen »Verrätern eine Lektion zu erteilen«, zitiert der Sender aus einem der Schreiben. Es sei mit offiziellen Stempeln versehen und wirke authentisch, schreibt die NOS.

Der Sender zeigt in seinem Bericht eine der Vorladungen. Sie ist an einen früheren einheimischen Mitarbeiter der ehemaligen EU-Polizeimission in Afghanistan (EUPOL Afghanistan) gerichtet. Dem Mann wird darin vorgeworfen, er habe als Übersetzer für Ausländer gearbeitet und deren »entehrendes und verbotenes Geld« angenommen. In einem anderen Brief an einen ehemaligen Dolmetscher heißt es: »Wir werden uns rächen. Wenn es uns nicht gelingt, Sie zu fassen, werden wir das mit Ihren Angehörigen regeln.«

NOS hat nach eigenen Angaben Kontakt zu rund einem Dutzend ehemaliger Ortskräfte der Niederlande. Ihre Lage in dem Land werde immer dramatischer, heißt es in dem Bericht. Es ist unklar, ob solche Schreiben im ganzen Land verschickt werden oder nur in einzelnen Provinzen.

Die Taliban hatten Mitte August in Afghanistan die Macht übernommen, nachdem ein Großteil der internationalen Truppen aus dem Land abgezogen worden war. Die Gruppe hatte zunächst versprochen, dass es eine Generalamnestie für alle geben würde, die mit den internationalen Streitkräften kollaboriert hätten.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, eine der Vorladungen sei an einem ehemaligen einheimischen Mitarbeiter von Europol gerichtet gewesen. Tatsächlich handelte es sich um einen Ex-Mitarbeiter der ehemaligen EU-Polizeimission in Afghanistan (EUPOL Afghanistan). Wir haben die Stelle korrigiert.

ssu/AFP

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