Zum Inhalt springen

Brüsseler Parlament Viele EU-Abgeordnete legen geschenkte Reisen nicht transparent offen

Viele EU-Abgeordnete lassen sich Hotels, Flüge oder andere Dinge spendieren. Internen Regeln zufolge müssen sie das offenlegen – doch mit der Transparenz hakt es an vielen Stellen.
Debatte im EU-Parlament in Straßburg

Debatte im EU-Parlament in Straßburg

Foto: Dwi Anoraganingrum / Future Image / IMAGO

Die Brüsseler Korruptionsskandale rund um die damalige Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili haben im EU-Parlament eine Debatte über Transparenz ausgelöst. Eine Auswertung der Nachrichtenagentur dpa zeigt nun, dass viele deutsche Europaabgeordnete gegen Offenlegungspflichten verstoßen haben. Viele ließen sich Reisen und Essen von Dritten bezahlen – ohne das korrekt offengelegt zu haben.

Laut Parlamentsregeln müssen Abgeordnete von Dritten bezahlte Reisen und Geschenke, die sie in bestimmten Funktionen erhalten, spätestens zum Ende des Folgemonats melden und in einem öffentlichen Register publizieren. Dabei gibt es jedoch verschiedene Ausnahmen, die teils die Parlamentarier selbst nicht komplett durchdringen. Ein Beispiel: Mehrere Abgeordnete teilten mit, sie ließen derzeit vom Parlament prüfen, ob von örtlichen Behörden aus Sicherheitsgründen gestellte Fahrzeuge bei einer Ukraine-Reise unter die Meldepflicht fallen.

Insgesamt hat die dpa 85 Abgeordnete angefragt, 74 haben pünktlich geantwortet – was knapp 90 Prozent entspricht. Die mit je fünf Parlamentarierinnen und Parlamentariern kleinsten deutschen Delegationen von FDP und Die Linke antworteten vollzählig. Auch die 16 SPD-Abgeordneten antworteten geschlossen auf die gestellten Fragen. Von den Grünen gab es von 2 der 21 Abgeordneten keine pünktliche Rückmeldung – ein Abgeordneter meldete sich verspätet. Geringer fiel der Rücklauf bei der Union aus: Von 29 Mandatsträgern beantworteten 4 die Fragen nicht pünktlich, eine Antwort kam verspätet. Anteilsmäßig antworteten die Politikerinnen und Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) am häufigsten nicht – hier waren es vier von neun.

»Es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit«

Von den mehr als 30 Abgeordneten, die Reisen oder Geschenke offengelegt haben, haben nur 11 alle Fristen sicher eingehalten. Bei rund 20 war dies nicht der Fall. Zudem haben 14 erst nach der dpa-Anfrage Reisen oder Geschenke offengelegt, die bereits vorher hätten deklariert werden können. Hier gibt es keine großen Unterschiede zwischen den Parteien. Mit dabei sind sowohl Sozialdemokraten, Unionspolitiker, Grüne und Liberale. Lediglich Linke und AfD fallen nicht auf. Wenn sich die Abgeordneten zu ihren Fehlern äußern, wird angegeben, die Fristen aus Versehen oder aus Unkenntnis versäumt zu haben.

»Die Abgeordneten nehmen die Erklärungen nicht ernst«, bemängelt Raphaël Kergueno von der Organisation Transparency International. Es sei nicht überraschend, dass viele Erklärungen zu spät kämen. »Es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit«, so Kergueno.

Fußballturnier, Fünfsternehotel, Flüge nach New York

Die Liste der Reisen und Geschenke ist lang: Katarina Barley, eine der Vizepräsidentinnen des EU-Parlaments, hat sich den Unterlagen zufolge im November 2021 eine Nacht im Frankfurter Luxushotel Villa Kennedy bezahlen lassen, als sie auf einem Presseball war. Wenige Monate zuvor hatte die SPD-Politikerin eine Übernachtung im Fünfsternehotel Le Méridien in Hamburg von der Organisation Straßburger Kreise bezahlt bekommen. Zudem war sie im Oktober 2021 bei einem Spiel des 1. FC Köln, ohne Eintritt zahlen zu müssen. Auf die Fragen zu den Reisen teilte Barley mit: »Ich habe insgesamt 13 Reisen angemeldet – unbeschadet der Tatsache, ob sie meldepflichtig sind oder nicht.«

Für Lena Düpont von der CDU sind unter anderem drei Nächte im Imperial Hotel New Delhi im Rahmen der »Indo-German Women's Leadership Initiative« vermerkt. Das Hotel beschreibt sich selbst als bestes Fünfsternehotel im Finanzzentrum Neu-Delhis. Zudem verbrachte sie drei Nächte im Royal Beach Hotel in Tel Aviv, bezahlt von einer Organisation, die die deutsch-israelischen Beziehungen fördern will.

Ihr Parteifreund Andreas Schwab ließ sich ebenfalls zwei Nächte in diesem Hotel bezahlen, aber unter anderem auch einen Business-Class-Flug nach New York. Er teilte mit, alle Reisen hätten in engem Zusammenhang mit Informationsbedürfnissen für konkrete Gesetzgebungsprojekte gestanden. Bernhard Zimniok von der AfD verbrachte im Oktober 2019 auf Einladung zwei Nächte in einem Luxushotel in Indien. Düpont, Schwab und Zimniok meldeten fristgerecht die Reisen.

mrc/dpa