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Uno-Bericht Mehr als 2,3 Milliarden Menschen sind von Wassermangel betroffen

Die Zahl der Dürren ist laut Uno seit dem Jahr 2000 um 29 Prozent gestiegen. Neben wirtschaftlichen Schäden drohen verstärkt Hungersnöte. Betroffen ist nicht nur der globale Süden, sondern zunehmend auch Europa.
Kinder im Süden Madagaskars. Der Inselstaat erlebte im Sommer 2021 die schlimmste Dürre seit 40 Jahren

Kinder im Süden Madagaskars. Der Inselstaat erlebte im Sommer 2021 die schlimmste Dürre seit 40 Jahren

Foto:

Tsiory Andriantsoarana / dpa

Globale Gesellschaft

In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.

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Die Zahl der Dürren nimmt weiter zu und immer mehr Menschen sind davon betroffen. Das geht aus dem Uno-Dürrebericht hervor, der auf der 15. Weltbodenkonferenz im westafrikanischen Abidjan, Elfenbeinküste, vorgestellt wurde. Laut Uno ist seit dem Jahr 2000 die Zahl und Dauer von Dürreperioden weltweit um 29 Prozent gestiegen. Der wirtschaftliche Schaden wird allein für die Jahre von 1998 bis 2017 mit rund 117 Milliarden Euro beziffert.

Dorfbewohner in Somaliland warten aufgrund der Hungersnot auf internationale Hilfe

Dorfbewohner in Somaliland warten aufgrund der Hungersnot auf internationale Hilfe

Foto: Wolfgang Zwanzger / IMAGO

Durch die Klimaerwärmung dürfte sich die Situation in vielen Regionen der Welt noch verschärfen. »Land trocknet aus, fruchtbarer Boden verwandelt sich in Staub«, warnte Ibrahim Thiaw, Exekutiv-Sekretär des internationalen Abkommens zum Schutz der Böden (UNCCD). »Dürren gehören zu den größten Bedrohungen einer nachhaltigen Entwicklung.«

»Weckruf für die Europäer«

Bislang waren davon vor allem unterentwickelte Länder wie etwa im Sahel betroffen, so die Uno. Die Folgen seien ein dramatischer Mangel an Wasser, der Verlust fruchtbaren Landes und anhaltende Trockenheit. Nun spürten zunehmend auch andere Weltregionen solche Probleme. Bereits am Dienstag hatte Thiaw die zunehmenden Dürren als »Weckruf für die Europäer« bezeichnet und gewarnt: »Kein Land ist immun gegen Dürre.«

Niedrigwasser am Rhein in Köln

Niedrigwasser am Rhein in Köln

Foto: Alexander Ludwig / CHROMORANGE / IMAGO

Trotz dieser Warnung ist bislang insbesondere Afrika von Dürren betroffen. Bereits in der Vergangenheit gab es im Sahel eine Ausbreitung der Wüstengebiete. Am Horn von Afrika, etwa in Äthiopien und Somalia, spielten sich wiederholt Hungerkatastrophen ab. Auch derzeit warten in der Region viele Menschen seit Monaten vergeblich auf Regen.

44 Prozent aller Dürren in Afrika

Tatsächlich ist der Kontinent der Uno zufolge stärker von Dürre betroffen als jeder andere Kontinent. In den vergangenen hundert Jahren wurden dort mehr als 300 Dürreereignisse verzeichnet, heißt es in dem Bericht. Das seien 44 Prozent der Dürren weltweit. Zudem erlebe Afrika südlich der Sahara in dramatischer Weise die Auswirkungen des Klimawandels. Extremwetterereignisse wie Dürre treten häufiger und intensiver auf.

Sahara-Sand weht im März 2022 über den Langwieder See bei München, durch Trockenheit dürften solche Bilder künftig noch öfter zu sehen sein

Sahara-Sand weht im März 2022 über den Langwieder See bei München, durch Trockenheit dürften solche Bilder künftig noch öfter zu sehen sein

Foto: Sachelle Babbar / ZUMA Wire / IMAGO

Doch auch in Europa wurden im vergangenen Jahrhundert immerhin 45 größere Dürren verzeichnet, die Millionen Menschen trafen und einen wirtschaftlichen Gesamtschaden von 27,8 Milliarden Dollar verursachten. Inzwischen seien rund 15 Prozent der Landfläche und etwa 17 Prozent der Bevölkerung der EU von Dürre betroffen, so der Uno-Bericht. Die wirtschaftlichen Verluste in der EU und in Großbritannien beliefen sich inzwischen auf neun Milliarden Euro jährlich.

Folgen für Nahrungsmittelsicherheit

»Jedes Jahr verliert die Welt eine Fläche mit fruchtbaren Böden vom Ausmaß Bulgariens«, sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Abidjan. »Das müssen wir stoppen. Ohne fruchtbare Böden gibt es auch keine Nahrungsmittel.«

Junge beim Wasserholen an einem Brunnen in Dhaka, Bangladesch

Junge beim Wasserholen an einem Brunnen in Dhaka, Bangladesch

Foto: Kazi Salahuddin Razu / NurPhoto / IMAGO

Die Bilanzen des Deutschen Wetterdienstes weisen schon seit Jahren immer wieder nicht nur Temperaturanstiege im Vergleich zu früheren Zeiten auf, sondern auch Niederschlagsmangel. Gerade im Nordosten Deutschlands klagen Landwirte schon seit Jahren regelmäßig über Dürreprobleme.

Im April etwa fielen dort teilweise nur 25 Liter Regen pro Quadratmeter und verstärkten das bereits bestehende Niederschlagsdefizit. Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt bereits jetzt in weiten Teilen Brandenburgs, aber auch Niedersachsens außergewöhnliche oder extreme Trockenheit.

Bis 2040 könnte jedes vierte Kind von Wassermangel betroffen sein

Weltweit sind die Konsequenzen dieser Entwicklung verheerend. Allein in diesem Jahr sind nach Uno-Angaben nahezu 160 Millionen Kinder schwerer und anhaltender Dürre ausgesetzt. Mehr als 2,3 Milliarden Menschen weltweit sind unzureichend mit Wasser versorgt. Bis zum Jahr 2040 könnte nach Uno-Schätzungen jedes vierte Kind weltweit von Wassermangel betroffen sein.

Eine Entwarnung ist nicht in Sicht: Aktuell leben 3,6 Milliarden Menschen in Gebieten, in denen mindestens für einen Monat im Jahr Wassermangel herrscht. Dem Uno-Bericht zufolge könnte diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 4,8 bis 5,7 Milliarden Menschen ansteigen. Damit würden dann mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung von Dürre betroffen sein.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft

Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.

Eine ausführliche FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.

jpe/dpa