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Edel-Waschstraße: Seife für den Ferrari, bitte

Foto: eddymotion.ch

Die Edel-Waschanlage Glanzleistung an der Goldküste

Es ist ein eigentlich ein schmutziges Geschäft, in diesem Fall in vornehmer Umgebung: Am Rande Zürichs betreibt Beat Meyerstein die wohl nobelste Autowaschanlage der Welt - samt Pianolounge und Hundesalon. Erwartungsgemäß stehen hier BMW, Bentley und Bugatti Schlange.

Für die Mehrzahl der Autofahrer ist die Wagenwäsche eher eine Pflichtübung. "Normale Autofahrer sagen nicht 'ich will', sondern 'ich muss mal wieder mein Auto waschen' ", sagt Beat Meyerstein. Er muss es wissen, denn der Mittfünfziger ist eine Art Waschstraßenkönig der Schweiz. Hier betreibt Meyerstein ein knappes Dutzend Anlagen, in denen jedes Jahr rund eine Million Autos geschrubbt und gewienert werden.

Zwar gibt es in Meyersteins Betrieben Gratis-Kaffee, und morgens auch noch eine Butterbrezel dazu, außerdem einen kostenlosen Schuhputzautomaten. Doch auch damit wird das Waschgang noch nicht zu einem Event. Deshalb hat Beat Meyerstein am Stammsitz der Firma in Zürich vor rund drei Jahren eine Waschstraße eröffnet, die den üblichen Rahmen sprengt. Gebaut wie ein Kunstmuseum und ausgestattet wie ein Luxushotel, ist die Anlage nicht nur ein Wellnesstempel für den Wagen, sondern auch eine Wohlfühloase für den Fahrer. Der Luxus kostete Meyerstein viel Geld: Der Bau verschlang insgesamt sieben Millionen Euro - eine normale Waschanlage ist schon für zwei Millionen zu haben.

Gleich neben der Kasse gibt's eine Kaffeetheke, in der offenen Halle sieht man den Kfz-Kosmetikern beim Autosäubern über die Schulter, und im ersten Stock lockt eine Piano-Lounge. Während der Klavierspieler klimpert und der Barkeeper -alkoholfreie - Cocktails mixt, kann man durch den gläsernen Boden das eigene Auto während des Wollwaschgangs beobachten. Sogar an die Haustiere der Kunden hat Meyerstein gedacht und gleich noch einen Hundewaschsalon integriert. "Was bringt ein penibel ausgesaugter Innenraum, wenn danach wieder ein schmutziger Hund ins Auto kommt", sagt Meyersteins Tochter Janine, die gemeinsam mit ihrer Schwester Marlene den Betrieb managt.

Den Standort der Nobelwaschanlage ist günstig. Der Glanztempel am Bahnhof Tiefenbrunnen liegt am Zürichsee direkt an der Ausfallstraße - dahinter beginnen die noblen Wohnquartiere. "Nirgendwo in der Schweiz gibt es mehr Kaufkraft als auf den nächsten 30 Kilometern, und entsprechend sieht der Fuhrpark dieser Leute aus", sagt Meyerstein. Der Uferabschnitt von hier bis Rapperswil ist auch als "Goldküste" bekannt.

Hier fahren auch Ferrari, Rolls-Royce oder Bugatti vor

Während Mayerstein vom Standort schwärmt, fahren auf der Bellerivestraße pro Stunde rund 40.000 Autos vorbei - darunter augenscheinlich mehr Ferrari, Bentley oder Porsche als vor dem Casino in Monaco oder auf der Elbchaussee in Hamburg. Viele davon machen einen Schlenker zur Waschanlage und stehen vor der Einfahrt Schlange: Ein Porsche Panamera wird gerade eingeseift, zwei Range Rover warten, und der neue Bentley Continental ist schon durch. "Aus den 70 Autos pro Stunde und etwa 800 am Tag ist das ein repräsentativer Schnitt", sagt Meyerstein und erzählt von Stammkunden, die auch mit Ferrari, Rolls-Royce und sogar mit dem Bugatti Veyron vorbei kommen.

Mit dem Akt der Reinigung, die mit dem Aussaugen des Fußraums beginnt und nach sieben Minuten mit einem kurzen Finish von Hand endet, werden die Millionäre nicht behelligt. "Das übernehmen wir. Wer fährt schon gerne durch eine Geisterbahn mit Schaum- und Wasserdusche, rotierenden Walzen, mannshohen Bürsten und Vorhängen von Frotteelappen", sagt Meyerstein. Vor allem Frauen hätten mitunter klaustrophobische Ängste in Waschstraßen und machten deshalb einen weiten Bogen um derartige Anlagen. In Zürich dagegen registrierte Meyerstein vom ersten Tag an eine überdurchschnittlich hohe Frauenquote. So bestätigen sich fast im Stundentakt die gängigsten Klischees. "Schwarzer Range Rover, blonde Fahrerin, weißer Schoßhund - so sehen unsere Stammkundinnen aus."

Das Ambiente der Nobel-Waschstraße ist aufwändiger als sonst. Die Technik jedoch unterscheidet sich nicht von Anlagen in Richterswil oder Schlieren. Weder wird mit Perrier gewaschen noch mit Samttüchern poliert. "Es gelten überall die gleichen Standards," sagt Meyerstein. Er nimmt er auch überall den gleichen Preis. Dennoch geben die Autofahrer hier mehr aus als anderswo. Im Schnitt 30 Franken lassen die Kunden pro Waschgang bei ihm, und viele buchen Extras wie die manuelle Grundreinigung samt Politur mit dem legendären Swizöl. Die kostet mindestens 160 und bei großen Autos samt Lederpflege bis zu 1500 Franken und dauert rund drei Stunden.

Wer Großreinemachen bucht, erhält kostenlos einen Ersatzwagen

Die Wartezeit kann man sich in der Piano-Lounge vertreiben. Doch weil die erst um 16 Uhr öffnet und die meisten Kunden doch nicht so viel Muße haben, hat sich Meyerstein einen weiteren Service ausgedacht. "Unsere Kunden bleiben auch währende der Wagenpflege mobil", sagt der Saubermann und zeigt auf eine Flotte bunt beklebter Kleinwagen: Die Autos vom Typ Smart, Toyota iQ oder Fiat 500 gibt es als kostenlose Leihwagen.

Zwar kann es Meyerstein selbst kaum verstehen, doch bislang wurde sein Konzept noch nicht kopiert. "Nach wie vor betreiben wir die wahrscheinlich einzige Luxuswaschanlage der Welt." Jetzt will der Waschunternehmer das Erfolgsrezept selbst exportieren; derzeit laufen Verhandlungen mit potenziellen Lizenznehmern in Moskau. Die Stadt wäre geradezu perfekt, sagt Meyerstein. Es gebe dort nicht nur noch mehr Luxusautos, sondern noch viel mehr schmutzige Straßen.

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