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Alternativer Antrieb Rationierter Strom für E-Autos? US-Forscher widersprechen Angstszenario

Mehr E-Autos lassen den Stromverbrauch steigen, vor allem zu problematischen Tageszeiten. Der Staat will das Laden nun regulieren – doch laut Wissenschaftlern lässt sich Stress im Netz wohl recht einfach verhindern.
E-Auto an einer Ladesäule in Hannover

E-Auto an einer Ladesäule in Hannover

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

Strom kommt aus der Steckdose? Im Idealfall schon. Doch Deutschland ist vielerorts noch nicht für die große Menge an Wärmepumpen und Elektroautos gerüstet, die in den kommenden Jahren als zusätzliche Verbraucher ins Stromnetz drängen. Für störanfällig hält die Bundesnetzagentur vor allem die lokalen Niedrigvolt-Ortsnetze. Es seien »Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten«, so Behördenchef Klaus Müller im Januar, »falls wir nicht handeln«.

In einem Eckpunktepapier hat die Bundesnetzagentur beschrieben, dass in Zeiten hoher Netzauslastung auch temporär Strom für Wärmepumpen und Elektroauto-Ladestationen rationiert werden kann, um Blackouts zu verhindern. Dazu soll das Energiewirtschaftsgesetz angepasst werden. E-Auto-Kritiker sehen sich darin bestätigt, dass Batteriefahrzeuge ein Problem fürs Stromnetz sind.

Forscher legen im Fachjournal »Cell Reports Physical Science«  nun aber Ideen für Maßnahmen vor, mit denen sich ohne zusätzliche technische Innovationen verhindern lassen soll, dass Elektroautos die Stromnetze übermäßig belasten.

Zum einen könnten solche Fahrzeuge während der Arbeitszeit geladen werden und damit die Spitze des tagsüber produziertem Solarstroms ausgleichen. Zum anderen könnte das Laden zu Hause vom frühen Abend, wenn der Strombedarf hoch ist, in die Nacht verlegt werden. Das schlägt eine Gruppe um Jessika Trancik vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge vor.

»Abhängig von den Lademustern eines elektrifizierten Verkehrssystems kann das Stromnetz zu bestimmten Zeiten Erzeugungs- und Verteilungsgrenzen erreichen, was möglicherweise zu Transformatorausfällen, Stromknappheit oder zu Abhängigkeit von teuren Spitzenlastkraftwerken zur Aufrechterhaltung der Versorgung führen kann«, schreiben die Autoren. Hinzu kommt, dass viele erneuerbare Energieanlagen nicht ständig Strom produzieren, sondern je nach Verfügbarkeit von Sonne und Wind. Solche Schwankungen belasten das Stromnetz, und Stromspeichertechnologien sind noch nicht ausgereift, um große Mengen Elektrizität in Zeiten hoher Produktionsmengen und geringen Bedarfs zu speichern.

Trancik und Kollegen nutzten ein Computermodell, das trotz begrenzter verfügbarer Daten den Energieverbrauch von Fahrzeugen abschätzen kann. Zudem verwendeten sie anonymisierte Daten von Fahrzeugen in den Städten New York und Dallas, die Aufschluss über die Uhrzeiten von Autofahrten an Werktagen geben.

Hoher Strombedarf am frühen Abend

Daten aus Elektroautos ergaben, dass die meisten Fahrzeuge dann aufgeladen werden, wenn Fahrer gerade von der Arbeit nach Hause gekommen sind. Zu dieser Zeit steigt aber auch der übrige Strombedarf, wenn etwa Fernseher, Computer, Klimaanlagen und andere elektrische Geräte eingeschaltet werden. So kommt es am frühen Abend zu einer Spitze im Stromverbrauch, die die ladenden Elektroautos noch erhöhen.

Das Team um Trancik kommt zu dem Schluss, dass das Laden von E-Autos an der Arbeitsstätte die Spitze der Stromproduktion durch Fotovoltaik über Mittag abmildert und dass dann nach Feierabend nicht mehr so viel Strom nachgeladen werden muss. Eine Verlagerung des Aufladens in die Nacht könnte hingegen die Spitze des Stromverbrauchs am Abend verkleinern.

»Ich denke, eines der faszinierenden Dinge an diesen Ergebnissen ist, dass man durch strategisches Vorgehen viel physische Infrastruktur vermeiden kann«, wird Trancik in einer MIT-Mitteilung zitiert.

Laden am Arbeitsplatz bietet viele Vorteile

Die Forscher berechneten, dass für das Aufladen beim Parken am Arbeitsplatz sogar ein langsames Laden (Level 1 bei 1,8 Kilowatt Leistung) ausreichen würde. »Das Aufladen auf Level 1 am Arbeitsplatz hat den praktischen Vorteil, dass es billiger zu realisieren ist. Arbeitgebern wird eventuell ermöglicht, schneller mehr Stationen einzurichten, sodass die Fahrer ihre Fahrzeuge nicht bewegen müssen, damit andere aufladen können«, schreiben die Wissenschaftler. Für das Aufladen zu Hause gingen sie allerdings von Level 2 (6,6 Kilowatt) aus.

In Deutschland sind 11- oder 22-kW-Stationen weitverbreitet. Viele Autos können aber nur mit geringerer Leistung Wechselstrom laden.

Die Politik müsse nun die richtigen Anreize setzen, etwa durch die Förderung von Ladesäulen an bestimmten Orten. Zudem müsste das vorgeschlagene Ladezeitmuster der Bevölkerung nahegebracht werden.

Deutsche Forscher äußern sich ähnlich

Der nicht an der Studie beteiligte Forscher Uwe Sauer von der Rheinisch-Westfälischen Technische Hochschule Aachen plädierte im Gespräch mit dem »Science Media Center« ebenfalls dafür, die Lademöglichkeiten am Arbeitsplatz stärker auszubauen: »Das würde auch das Problem vieler Menschen, die nicht direkt zu Hause laden können, lösen. Da reichen relativ geringe Ladeleistungen aus, denn die Fahrzeuge parken ja über viele Stunden hinweg.«

Auch Thorsten Koska vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, der ebenfalls nicht an der aktuellen Studie beteiligt war, äußerte sich ähnlich: Durch die langen Standzeiten der E-Autos in der eigenen oder gemieteten Garage und am Arbeitsplatz ließen sich auch die Potenziale von gesteuertem und bidirektionalen Laden besser nutzen.

»Geladen wird, wenn viel erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, bei schwachem Angebot können die Fahrzeuge Strom ins Netz oder den Haushalt zurückspeisen . Beides kann den Bedarf an zusätzlichem Netzausbau reduzieren und die Potenziale von E-Fahrzeugen zur Abfederung der volatilen Erzeugung erneuerbaren Stroms besser nutzen.«

chs/dpa