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Eine rätselhafte Patientin Schatten im Gehirn

Die 72-Jährige ist halbseitig gelähmt und kann kaum noch sprechen, als Angehörige sie in eine Klinik in den USA bringen. Dort stellen die Ärzte zunächst eine Diagnose, die kaum noch hoffen lässt.
Foto: FS Productions/ Blend Images LLC/ Getty images

Rund neun Kilogramm hat die Frau im vergangenen halben Jahr abgenommen. Jetzt versagt plötzlich ihre Sprache. Mediziner bezeichnen es als expressive Aphasie, wenn Betroffene nur unter Mühen mit einem sehr eingeschränkten Wortschatz kommunizieren können. Zusätzlich entwickeln sich Lähmungen auf der rechten Körperseite der Patientin. Angehörige bringen die 72-Jährige in das David Grant Medical Center in Fairfield im US-Bundesstaat Kalifornien.

Die Frau lebt seit zwei Jahren mit einer Spenderniere und nimmt deshalb Medikamente ein, die ihr Immunsystem unterdrücken. Ihre Nieren waren durch eine Krankheit so beeinträchtigt, dass die Transplantation nötig geworden war.

Die Ärzte notieren, dass die Frau keine erhöhte Körpertemperatur hat. Bei einem Bluttest liegt die Zahl ihrer weißen Blutkörperchen im normalen Bereich. Beides spricht gegen eine akute Infektion.

Die halbseitige Lähmung könnte unter anderem auf einen Schlaganfall zurückzuführen sein - oder auf einen Hirntumor.

Schwellung im Gehirn

Das Team um Kathleen McKenzie untersucht das Gehirn der Frau mittels Magnetresonanztomografie (MRT). Auf den MRT-Aufnahmen entdecken die Mediziner eine krankhafte Struktur, eine sogenannte ringverstärkende Läsion, die gut drei Zentimeter Durchmesser hat. Zudem liegt ein Hirnödem vor, eine Schwellung des Gehirns, in dem sich zu viel Flüssigkeit angesammelt hat.

Die Patientin erhält jetzt Kortikosteroide, damit die Hirnschwellung abklingt. Ihr Zustand verbessert sich dadurch leicht. Aus den MRT-Bildern und der Reaktion auf die Medikamente schließen die Ärzte, dass die 72-Jährige ein sogenanntes Glioblastom hat, also eine spezielle Art von Hirntumor.

Aufgrund der Größe des Gebildes, dessen Lage und des Gesundheitszustandes der Frau ist ein operatives Entfernen des Tumors leider nicht angeraten. Die Mediziner führen aber eine Biopsie durch, bei der sie eine Gewebeprobe entnehmen und diese für weitere Untersuchungen ins Labor schicken.

Eine mögliche Maßnahme ist nun die Bestrahlung. Sie steigere die Überlebensdauer bei Patienten mit solch einer schlechten Prognose im Schnitt von einem Monat auf sieben bis zehn Monate, berichtet das Ärzteteam im Fachblatt "Interdisciplinary Neurosurgery" .

In den folgenden Tagen geht es der Frau zunehmend schlechter, sodass die Ärzte erwägen, schnell mit der Bestrahlung zu beginnen. Sie warten jedoch auf die letzten Befunde der Biopsie - zum Glück der Patientin. Denn in der Gewebeprobe entdecken die Mediziner Parasiten der Art Toxoplasma gondii. Sie lösen beim Menschen die Krankheit Toxoplasmose aus.

Die Frau hält drei Katzen

Diese Parasiten, die den Erregern der Malaria ähneln, befallen eine Reihe von Tieren, darunter Geflügel, Schweine und Katzen. Menschen können sich durch den Verzehr von rohen oder nicht ausreichend durchgebratenem Fleisch infizieren. Ebenso ist eine Ansteckung über Katzenkot, also beim Reinigen von Katzenklos, möglich. Die Patientin hält in ihrer Wohnung drei Katzen.

Bei Menschen mit intaktem Immunsystem verläuft die Infektion meist so leicht, dass Betroffene sie überhaupt nicht bemerken. Ist das Immunsystem aber unterdrückt, wie bei der Patientin, können die Erreger ins Gehirn wandern oder ein Multiorganversagen auslösen.

Die 72-Jährige bekommt nun mehrere Medikamente, die die Parasiten bekämpfen. Nach und nach erlangt sie ihr Sprechvermögen wieder und die Lähmungen verschwinden. In Nachhinein sind die Ärzte froh, dass sie noch keine Bestrahlung angesetzt hatten. Denn diese hätte wohl den Verlauf der Toxoplasmose verschlechtert.