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"Tatort"-Faktencheck Wie gefährlich sind Ebola-Infizierte für Europa?

Ebola-Alarm in der österreichischen Provinz: Im "Tatort" will ein infizierter Arzt einen verheerenden Ausbruch in Europa auslösen, um die Medikamentenforschung voranzutreiben. Der Faktencheck.
Die Leiche in der Gerichtsmedizin - vor der Ebola-Nachricht

Die Leiche in der Gerichtsmedizin - vor der Ebola-Nachricht

Foto: ARD/ Hubert Mican

Der "Tatort" aus Österreich schürt Ängste. Das Szenario: Ein Arzt infiziert sich im westafrikanischen Guinea mit Ebola. Verbittert, weil zu dem Virus viel zu wenig geforscht wird, fliegt er nach Österreich. Dort möchte er möglichst viele Menschen anstecken, er spricht von einem Ausbruch mit Tausenden, mit Hunderttausenden. So will er den Westen dazu zwingen, die Arbeit an Medikamenten und Impfstoffen voranzutreiben.

So weit kommt es nicht, in der Geschichte infiziert er nur einen Mann, bevor er bei einem Unfall stirbt. Die Polizei findet seine Leiche, der Gerichtsmediziner stellt schließlich die Infektion mit dem extrem gefährlichen Virus fest. Dann bricht Hektik aus. Soldaten rücken mit Maschinengewehren an, das Dorf wird abgeriegelt (Lesen Sie hier unsere ausführliche Kritik). Wie realistisch ist der Plot?

Ebola, wie war das noch mal?

Mediziner kennen das Ebola-Virus seit mehr als 40 Jahren, lange Zeit gab es jedoch nur sehr kleine Ausbrüche. Das änderte sich 2014. Von Guinea aus kam es zu einer verheerenden Epidemie. In dem westafrikanischen Land und seinen beiden Nachbarstaaten Liberia und Sierra Leone infizierten sich mehr als 28.000 Menschen, mehr als 11.000 starben.

Damals gingen Bilder überfüllter Behandlungszentren um die Welt, an denen sich die "Tatort"-Macher jetzt bei ihren Darstellungen aus Guinea orientierten. Die Situation vor Ort war tatsächlich mehrere Monate lang außer Kontrolle, Kliniken so überfüllt, dass Erkrankte abgelehnt werden mussten. Das führte dazu, dass sie weitere Menschen infizierten.

Anders als etwa die Grippe kann sich Ebola kaum über die Luft verbreiten. Um andere Menschen anzustecken, müssen diese direkt mit Körperflüssigkeiten wie Speichel, Schweiß oder Erbrochenem in Kontakt kommen. Viele Menschen in Afrika infizierten sich, als sie den Verstorbenen bei traditionellen Begräbnissen auf die Stirn küssten.

Besteht momentan eine Ebola-Gefahr durch Reisende aus Afrika?

Wer den "Tatort" guckt, bekommt den Eindruck, dass Ebola in Guinea dauerhaft kursiert. Tatsächlich ist aktuell kein Ebola-Ausbruch bekannt, Guinea gilt seit dem 1. Juni 2016 als Ebola-frei. Wildtiere wie Flughunde können das Virus jedoch jederzeit wieder auf Menschen übertragen und einen neuen Ausbruch auslösen.

Könnte ein einziger Ebola-Infizierter eine Epidemie mit Tausenden, vielleicht sogar Hunderttausenden Betroffenen provozieren?

"Das Szenario, einen Ebola-Patienten als Biowaffe einzusetzen, ist nicht völlig von der Hand zu weisen", sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Das Tückische: Die Viren können längere Zeit an Oberflächen überdauern. Hat ein Erkrankter etwa eine Türklinke berührt, könnte von dieser auch Stunden später noch eine Gefahr ausgehen.

Dass ein Erkrankter einen Ausbruch mit Tausenden Infizierten auslöst, hält Schmidt-Chanasit dennoch für unrealistisch. "Stark infektiös sind Ebola-Patienten nur, wenn sie schon sehr krank sind", sagt der Virologe. "Wer rumläuft und aktiv ist, ist meist noch nicht besonders ansteckend." Das trifft auch auf den afrikanischen Arzt im "Tatort" zu.

Leiden Betroffene hingegen bereits unter Durchfall oder Erbrechen, können sie das Virus theoretisch stark verbreiten - etwa indem sie an einem Bahnhof viele Gegenstände mit ihren Körperflüssigkeiten kontaminieren. "Menschen mit ausgeprägten Ebola-Symptomen sind aber sehr schwach. Da ist es nicht realistisch, weit zu kommen", sagt Schmidt-Chanasit.

Im "Tatort" bricht Chaos aus, nachdem die Infektion des Toten festgestellt wird. Das Militär rückt an, ein Ort wird abgeriegelt. Entspricht das einer realistischen Reaktion?

Tatsächlich ist das Wichtigste bei einem Ebola-Fall, alle möglichen Kontaktpersonen ausfindig zu machen. Die reale Reaktion wäre aber wahrscheinlich deutlich besonnener als im "Tatort" dargestellt, wie ein echter Fall aus den USA zeigt. Während der Ebola-Epidemie in Westafrika reiste ein 42-jähriger Liberianer von Monrovia nach Dallas, um seinen Sohn und seine Tochter zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt trug er das Virus bereits in sich, hatte aber keine Beschwerden und war somit auch noch nicht ansteckend.

Foto: SPIEGEL ONLINE (deutsche Übersetzung)

Nach seiner Ankunft in den USA entwickelte der Mann Fieber, erst vier Tage später wurde er in ein Krankenhaus aufgenommen und unter Quarantäne gestellt. Epidemiologen machten daraufhin alle Personen ausfindig, die während der vier Tage Kontakt zu ihm hatten sowie deren Kontaktpersonen. Insgesamt kamen sie auf 120 Menschen, darunter fünf Schulkinder. Bei ihnen desinfizierten sie vorsorglich das Klassenzimmer. Ansonsten wurden die 120 Menschen 21 Tage lang beobachtet - so lange dauert es, bis Ebola spätestens ausbricht. Alle direkten Kontaktpersonen des erkrankten Mediziners mussten während der Zeit zusätzlich in Quarantäne bleiben.

Nach 21 Tagen gab es Entwarnung für alle Angehörigen, darunter seine Verlobte und deren 13-jähriger Sohn. Der Ebola-Patient infizierte jedoch zwei Krankenschwestern, die beide überlebten. Er selbst starb. Ein großer Ausbruch konnte jedoch verhindert werden - ohne Soldaten, die einen Stadtteil abriegelten, und Schutzanzugträger, die ganze Straßenzüge verstopften. Auch diese intensive Nachverfolgung aller Kontakte macht eine Ebola-Epidemie in Europa sehr unwahrscheinlich. In den ländlichen und extrem armen Gegenden Westafrikas war eine so intensive Betreuung nicht möglich.

Mit einem Ausbruch in Europa will der afrikanische Arzt dafür sorgen, dass die Forschung an Medikamenten vorangetrieben wird. Wird Ebola tatsächlich so vernachlässigt?

Die Forschung zu Krankheiten, mit denen sich nur Menschen in armen Ländern infizieren, ist für Pharmafirmen tatsächlich wenig lukrativ. "Wenn es HIV/Aids nicht in Industrieländern geben würde, hätten wir heute keine so guten Medikamente dagegen", sagt Marco Alves, der in Berlin die Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen koordiniert.

Bei Ebola kommt hinzu, dass die Krankheit vor dem Ausbruch in Westafrika sehr selten war. "Wenn ich keine Patienten habe, kann ich keine klinischen Studie machen", sagt Schmidt-Chanasit. Mittlerweile aber könne man nicht mehr sagen, dass die Ebola-Forschung vernachlässigt werde: Nach dem Ausbruch in Westafrika und dem damit verbundenen Bedrohungsszenario investierte die Weltgemeinschaft Millionen.

Bei den Impfstoffen haben sich die Bemühungen bereits ausgezahlt. Bei ersten Tests mit einem neuen Mittel erkrankte in Guinea keiner der Behandelten. Der Stoff könnte 2018 auf den Markt kommen. Ein Medikament hingegen fehlt weiterhin, wie im "Tatort" richtig dargestellt wird. Hat sich jemand mit Ebola infiziert, bleibt den Ärzten aktuell nur, den Körper beim Kampf gegen das Virus so gut wie möglich zu unterstützen - etwa durch die Gabe von Flüssigkeit.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Herkunft des Ebola-Infizierten, der in den USA gestorben ist, korrigiert.