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Frauengehälter Abgespeist und unterbezahlt

Gleiche Qualifikation, gleiche Berufserfahrung, gleiche Verantwortung - und trotzdem weniger Gehalt: Woran liegt es, dass Frauen oft weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen? Die überraschende Erkenntnis: Viele halten ein geringeres Einkommen sogar für gerecht.
Von Marike Frick
Noch immer typisch: Er heimst Erfolge ein, sie verzichtet auf Vorankommen und Gehalt

Noch immer typisch: Er heimst Erfolge ein, sie verzichtet auf Vorankommen und Gehalt

Foto: Corbis

Sie ist live dabei gewesen - sagen aber durfte sie nichts. Wenn Marion West wieder einmal als Gleichstellungsbeauftragte in einem Bewerbungsgespräch dabeisaß, sollte sie zuschauen, das war ihre Aufgabe. Aufpassen, dass keine falschen Fragen gestellt werden, nach einer möglichen Schwangerschaft etwa. Sie schaute auch zu, wenn einer jungen Bewerberin völlig selbstverständlich ein geringeres Gehalt angeboten wurde, als es für männliche Bewerber üblich war.

Sie selbst hat einmal mit einem Kollegen zusammengearbeitet, der exakt die gleichen Aufgaben erledigte wie sie. Eines Tages sollten beide wegen einer Umstrukturierung ihres Arbeitgebers, ein großer IT-Konzern, eine Arbeitsbeschreibung abliefern. Weil sie ja das Gleiche machten, kopierte der Kollege seine Beschreibung einfach für Marion West und reichte dann beide ein.

Etwas später bekam er einen neuen Arbeitsvertrag, inklusive einer höheren tariflichen Einstufung. Marion West dagegen blieb dort, wo sie war. "Damit waren für ihn die Tore zu anspruchsvolleren Aufgaben geöffnet und damit auch zu einem höheren Gehalt. Er hat sich mittlerweile vorangearbeitet."

Marion West dagegen, die vor Jahren immerhin schon einmal Bereichsleiterin war, arbeitet jetzt im Prozess- und Qualitätsmanagement. Eine Aufgabe, die sie nicht sehr fordert. "Mit 47 Jahren sitze ich auf einer Stelle, auf der man mir nichts Größeres zutraut."

Manchmal sind es eben nur Kleinigkeiten, die Frauen am Weiterkommen hindern - und damit auch daran, mehr Geld zu verdienen. Eine tarifliche Einstufung etwa. Ein zu schnelles "Ja", wenn ein wenig prestigeträchtiges Projekt angeboten wird.

Oder Bescheidenheit. Frauen fragen oftmals in Gehaltsverhandlungen, was man denn anbieten könne, und akzeptieren dann die genannte Summe. Männer nennen einen konkreten Betrag - und kommen damit durch.

Frauen schätzen den Wert ihrer Arbeit ganz anders ein

Auch schätzen Frauen den Wert ihrer Arbeit ganz anders ein. So wurden in einer Studie Studentinnen gefragt, mit welchem Gehalt sie in ihrem ersten Vollzeitjob rechneten. Sie nannten die durchschnittliche Summe von 2877 Euro. Männliche Studenten dagegen gingen im Durchschnitt von 579 Euro mehr aus.

In einer anderen Umfrage wurden 10.000 Erwerbstätige gefragt, welchen Betrag sie für ihre Arbeit angemessen fänden. Auch hierbei nannten die Frauen geringere Summen. Damit nicht genug: Befragte, die ein gerechtes Gehalt für einen 55-jährigen Arzt mit überdurchschnittlichem Engagement nennen sollten, kamen auf 7750 Euro - sollten sie das Gehalt für eine Ärztin mit den gleichen Eigenschaften angeben, empfanden sie nur 7300 Euro als gerecht. Dabei spielte es keine Rolle, ob eine Frau oder ein Mann befragt wurde.

Was absurd klingt, ist Folge unzähliger Faktoren. So sind Frauen auch deshalb an geringere Verdienste gewöhnt, weil sie häufiger schlecht bezahlte Berufe im sozialen Bereich wählen.

Hinzu kommt, dass viele in ihren Dreißigern für mehrere Jahre aus dem Arbeitsleben aussteigen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Sie werden in der Zwischenzeit von ihren männlichen Kollegen überholt und arbeiten danach oft nur in Teilzeit weiter. Aus dieser Position noch mit anspruchsvolleren Aufgaben und einer Beförderung bedacht zu werden, ist in den meisten Firmen so gut wie ausgeschlossen.

Lohnlücken von bis zu 25 Prozent

Das erklärt, warum das Statistische Bundesamt immer wieder Lohnlücken von bis zu 25 Prozent feststellt. Aber selbst wenn man - wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln - Männer und Frauen mit gleicher Qualifikation, gleicher Berufserfahrung und gleichem beruflichen Status vergleicht, kommt man noch auf einen Gehaltsunterschied von knapp 13 Prozent. Was machen die Frauen nur falsch?

Marion West hat beobachtet: "In Unternehmen werden Frauen vor allem diejenigen Aufgaben angeboten, die sehr zeitaufwendig und nervenaufreibend sind. Aufgaben, mit denen man keinen Blumentopf gewinnen kann." Im Glauben, harte Arbeit bringe sie voran, ließen sich viele mit solchen Projekten abspeisen, anstatt sich um prestigeträchtigere Herausforderungen zu bemühen. "Wenn ein Projekt Ruhm abwirft, dann wird es meist von einem Mann geleitet", sagt Marion West. "Wird die Verantwortung geteilt, dann macht die Frau die Drecksarbeit."

West sagt, Frauen müssten endlich begreifen, dass ein Vorankommen vor allem durch Prestige, Beziehungen und gutes Auftreten ermöglicht werde. Und wer vorankomme, steigere sein Gehalt, ganz einfach.

"Deutschland liegt im europäischen Vergleich im hinteren Viertel bei der Lohngerechtigkeit", sagt Henrike von Platen vom Verband Business and Professional Women. "Dabei gibt es schon seit zehn Jahren eine Selbstverpflichtung der Unternehmen, die Ungleichheiten abzubauen." Die Unterschiede lägen aber oft auch darin, dass Frauen andere Prioritäten setzten: "Sie akzeptieren eher Teilzeitarbeit, weil ihnen andere Dinge neben der Arbeit wichtig sind."

Dass Frauen dadurch oft die Aufgaben abbekommen, die weit unter ihrer Qualifikation liegen, hat auch Marion West beobachtet. Sie scheint nach vielen Jahren in einem männergeprägten Umfeld ernüchtert. "Mittlerweile passe ich meine Leistung meiner Einstufung an", sagt sie. "Wenn die mehr von mir wollen, müssen sie mir auch mehr bieten."