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Boshaftes über Juristen "Bratenwender der Gesetze"

Die Geschichte der Juristerei ist voller Gehässigkeiten. Kaum eine Zunft muss sich derart fieser Anwürfe erwehren. Am härtesten urteilen Juristen über ihresgleichen. Ein Ausritt in eine Welt voller "Spitzbuben", "Blutsauger", gar "Prostituierten".
Von Christian Lauenstein und Jochen Leffers
Justitia: Blind, schon klar - aber auch "eine Prostituierte"?

Justitia: Blind, schon klar - aber auch "eine Prostituierte"?

Foto: Corbis

Der Unmut über die Zunft der Juristen hält sich schon seit Jahrhunderten. So spottete einst der niederländische Humanist Erasmus von Rotterdam im Jahr 1515:

"Von den Akademikern beanspruchen die Juristen den ersten Rang, und niemand ist so eingebildet wie sie. Aber in Wirklichkeit wälzen sie nur den Stein des Sisyphos, verbinden hundert Paragraphen zu einer Phrase und erreichen es, indem sie Auslegung an Auslegung, Erläuterung an Erläuterung reihen, dass ihr Beruf als der schwierigste von allen angesehen wird."

In Erfurt begann Martin Luther 1501 ein Jurastudium und brach es 1505 ab, um Mönch zu werden und später Theologie zu studieren. Als einmal für den kommenden Tag die Promotion eines Doctor juris bekanntgegeben wurde, soll er bei einem seiner Tischgespräche gepoltert haben:

"Morgen wird eine neue Schlange gegen die Theologen zur Welt gebracht. Das Studium der Rechte ist eine ganz niederträchtige Kunst; wenn es nicht den Geldbeutel füllte, würde sich niemand darum bemühen."

Bekannt wurde auch sein Urteil:

"Denn ein Jurist / der nicht mehr denn ein Jurist ist / ist ein arm Ding."

Um stets zu wissen, mit wem er es zu tun hat, erteilte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1726 folgende Anweisung:

"Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt."

Denkt man an einen Lehrmeister guter Manieren, dann zuerst an Adolph Freiherr von Knigge, von Hause aus Jurist. Doch mit dem eigenen Berufstand ging er wenig zimperlich ins Gericht:

"Da widmen sich denn die schiefsten Köpfe dem Studium der Rechtsgelehrsamkeit, womit sie keine andren feinen Kenntnisse verbinden, aber dennoch so stolz auf diesen Wust von alten, auf unsre Zeiten wenig passende Gesetze sind. Ein steifer Civilist ist wahrlich im gesellschaftlichen Leben das langweiligste Geschöpf, das man sich denken mag. In allen übrigen menschlichen Dingen, in allen anderen den Geist aufklärenden, das Herz bildenden Kenntnissen unerfahren, treten sie dann in öffentliche Ämter. Ihr barbarischer Stil, ihre bogenlangen Perioden, ihre Gabe, die einfachste, deutliche Sache weitschweifig und unverständlich zu machen, erfüllt jeden, der Geschmack und Gefühl für Klarheit hat, mit Ekel und Ungeduld."

Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe haderte zunächst mit dem Studium der Rechte, in das ihn sein Vater gedrängt hatte. Er arrangierte sich jedoch zwischenzeitlich und schwärmte 1771 in seiner Disputation sogar: "Das Studium der Rechtswissenschaft ist das herrlichste." Zuvor schrieb er 1770 er aus Straßburg an das Fräulein von Klettenberg:

"Die Jurisprudenz fängt an, mir sehr zu gefallen. So ist's doch mit allem, wie mit dem Merseburger Biere; das erste Mal schaudert man, und hat man's eine Woche getrunken, so kann man's nicht mehr lassen."

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Jura? Ohne mich: Verkrachte Juristen und andere Studienabbrecher

Foto: Jörg_Carstensen/ picture-alliance / dpa

Niemand litt so laut- und wortstark unter dem Jurastudium wie einige Dichterjuristen, von Frank Wedekind bis Franz Kafka, von Georg Heym bis Peter Handke. Auch Gustave Flaubert konnte sich damit überhaupt nicht anfreunden und schrieb schon nach den ersten Studienmonaten 1842 in einem Brief:

"Die Rechtswissenschaften bringen mich um, verblöden und lähmen mich, es ist mir unmöglich, dafür zu arbeiten. Wenn ich drei Stunden meine Nase in das Gesetzbuch gesteckt habe, während derer ich nichts begriffen habe, ist es mir unmöglich, noch weiter fortzufahren: Ich würde sonst Selbstmord begehen (was sehr betrüblich wäre, denn ich berechtige zu den schönsten Hoffnungen). (...) Wie dem auch sei, ich scheiße auf die Rechtswissenschaften. Das ist mein 'Delenda Carthago'."

Ein Monat später folgte der nächste grimmige Brief:

"Das Studium der Rechte verbittert meinen Charakter in höchstem Maße: Ich knurre unaufhörlich, wettere, murre und brumme sogar gegen mich selbst und auch wenn ich ganz allein bin. Vorgesternabend hätte ich hundert Francs (die ich nicht besaß) darum gegeben, wenn ich irgend jemand eine Tracht Prügel hätte verabreichen können."

Dichter Heinrich Heine plante einst, sich in Hamburg als Rechtsanwalt niederzulassen. Doch vor allem das römische Recht ließ ihn in einen Abgrund der Verzweiflung blicken, während er von 1819 bis 1825 Jura studierte und in Göttingen promovierte. Als Jurist trat er später nie in Erscheinung:

"Ich brachte jenes gottverfluchte Studium zu Ende, aber ich konnte mich nimmer entschließen, von solcher Errungenschaft Gebrauch zu machen, und vielleicht auch, weil ich fühlte, daß andere mich in der Advokasserie und Rabulisterei leicht überflügeln würden, hing ich meinen juristischen Doktorhut an den Nagel. Meine Mutter machte eine noch ernstere Miene als gewöhnlich. Aber ich war ein sehr erwachsener Mensch geworden, der in dem Alter stand, wo er der mütterlichen Obhut entbehren muß."

In den "Memoiren des Herren von Schnabelewopski" spottete Heine:

"Die Advokaten, die Bratenwender der Gesetze, die so lange die Gesetze wenden und anwenden bis ein Braten für sie dabei abfällt (...)"

Wo wir uns gerade in der Küche befinden - Otto von Bismarck, eiserner Kanzler und studierter Jurist, wird häufig mit folgendem Bonmot zitiert:

"Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden."

Unklar ist allerdings, ob dieser Satz tatsächlich von ihm ist. Ein Forscher der Universität Yale will herausgefunden haben, dass der Satz erst seit den dreißiger Jahren Bismarck zugeschrieben wird und im Original von einem amerikanischen Dichter stammt .

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Erde an Anwalt: Beispiele für gescheiterte Mandantengespräche

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Regelrecht zum Kulturgut wurde der erste Satz der Erzählung "Der Vertrag" des Dichters Ludwig Thoma, wenn auch oft verkürzt wiedergegeben:

"Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande."

Der Dramatiker Friedrich Hebbel besuchte im Jahr 1836 juristische Vorlesungen an der Universität Heidelberg und schrieb in einem Briefwechsel:

"Die Jurisprudenz ist freilich nicht meine Braut. Sie ist in meinen Augen eine feile Maitresse (...), die sich in in sehr vielen Stücken der Macht und Gewalt willig ergeben und in ehrlosem Beischlaf manchen Gesetz-Bankert erzeugt hat."

Einen ähnlichen Gedanken formulierte Alfred Nobel etwas schnörkelloser. Der Chemiker und Erfinder gehörte zu den größten Juristenhassern und zürnte einst, wenig nobel:

"Die beste Entschuldigung für Prostituierte ist, dass Frau Justitia eine der Ihren ist."

Sein "tiefer Ekel" gegenüber dieser Zunft mag damit zusammenhängen, dass der Pulverfabrikant jahrelang in Patentstreitigkeiten verstrickt war und vor Gericht verlor - kein Wunder, dass es keinen Nobelpreis für Juristen gibt. An anderer Stelle sagte Nobel:

"Juristen sind Blutsauger, die sich am Geld mästen, wenn sie ein paar kurzsichtige Erklärungen über ein paar kurzlebige Vorschriften abgegeben haben, die so obskur sind, dass die Dunkelheit durch sie noch dunkler wird."

Der britische Dichter Lord Byron hatte durchaus konkrete Vorstellungen für die Berufswahl seiner Nachkommen:

"Sollte ich einmal einen Sohn haben, soll er etwas Prosaisches werden: Jurist oder Seeräuber."

Ganz anders der deutsche Schriftsteller Timm Kröger. Selbst Jurist, wollte er für seinen Sohn das Schlimmste verhindern. Per Brief riet er ihm (vergebens):

"Hast Du Lust, Dein ganzes Leben leeres Stroh zu dreschen? Diese ewigen Alimenteprozesse, diese Eheprozesse, dieser ganze Schmutz. All diese Quisquilien! Diese ewigen Plackereien mit den Klienten! Überleg es Dir!"

Über einen besonderen Schlag der Juristen äußerte sich Karl Kraus. Der überaus scharfzüngige Schriftsteller hatte 1892 ein Jurastudium in Wien begonnen, aber alsbald abgebrochen und zu Philosophie und Germanistik gewechselt, ebenfalls ohne Abschluss. Eine Notiz über Notare:

"Die Funktion der Milz muß ähnlich sein wie die der Notare im Staate: notwendig, aber überflüssig."

Zum Handwerkszeug eines guten Juristen gehören seine Auslegungsmethoden. Darüber spottete einst der französische Dramatiker Jean Giraudoux in einem Theaterstück:

"Die Phantasie trainiert man am besten durch juristische Studien. Nie hat ein Dichter die Natur so frei ausgelegt wie ein Jurist die Wirklichkeit ."

Selbst deutsche Gerichte sind sich bewusst, was man über den Stand der Juristen so denkt. In einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg von 2007 steht zu lesen:

"Jedenfalls ist es uns Juristen im Allgemeinen bekannt, dass wir ob unseres gewählten Berufes und einer damit verbundenen geistigen Prägung gelegentlich als Objekt des Spottes herhalten müssen."

Am schönsten streiten sich Juristen untereinander - und nennen einen Kontrahenten zum Beispiel "Winkeladvokat". Ist das schon beleidigende Schmähkritik, oder fällt es noch unter das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung? Das Landgericht Köln definierte Winkeladvokat zunächst als...

"...Person, die ohne Ausbildung zum Rechtsanwalt Rechtsrat erteilt. Heute wird darunter eine Person verstanden, die entweder intellektuell unfähig ist, ihren Beruf zuverlässig und den Regeln des juristischen Handwerks entsprechend auszuüben, oder die diesen in einer Art und Weise ausführt, die mit Moral und Gesetz in Konflikt steht."

Nach jahrelangen Verfahren musste sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage der Anwalts-Ehre befassen und entschied: Das böse Wort kann von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.

Doch nicht alle bösen Zitate, die über Juristen im Umlauf sind, sollten tatsächlich auch Juristen treffen. Mancher Anwalt etwa will Mandanten auf der Kanzleihomepage mit folgendem Spruch beeindrucken, der von Wilhelm Busch stammen soll:

"Der Rechtsanwalt ist hochverehrlich, obwohl die Kosten oft beschwerlich."

Doch der launige Reim trifft im Original einen anderen Beruf - die Architekten. So heißt es im "Maler Klecksel" (1884):

"Der Architekt ist hoch verehrlich,
(Obschon die Kosten oft beschwerlich),
Weil er uns unsre Erdenkruste,
Die alte, rauhe und berußte,
Mit saubern Baulichkeiten schmückt,
Mit Türmen und Kasernen spickt."

Immer gern zitiert wird auch ein Bonmot des früheren französischen Staatsmannes Charles de Gaulle:

"Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustande gekommen sind."

Der genaue Wortlaut ist allerdings strittig - tatsächlich soll de Gaulle von Expertenkommissionen gesprochen haben, nicht von Juristen. Was freilich oft aufs Gleiche hinausläuft.

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