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Bestsellerverfilmung »Generation Beziehungsunfähig« Liebe ist was für Luschen

Zwei Beziehungsunfähige verlieben sich. Klingt nach Matthias-Schweighöfer-Komödie – und ist es auch. Zumindest von seiner Produktionsfirma. Doch die Regisseurin hat aus dem Buch einen überraschenden Film gemacht.
Schauspieler Lau, Heyer: Manchmal ist der Sex schön – und manchmal zum Fremdschämen

Schauspieler Lau, Heyer: Manchmal ist der Sex schön – und manchmal zum Fremdschämen

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dpa/Warner Bros. Germany

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Als sich Tim, gespielt von Frederick Lau, auf einer Party das Konfetti genauer anguckt, ist er baff: Es handelt sich um seinen Roman, den er vor drei Jahren geschrieben hat. »Ich habe die Restbestände aus dem Verlag mitgenommen und zerschreddert – wegen der Umwelt und so«, erklärt ihm seine Agentin. Der angetrunkene und leicht bekiffte Tim beginnt, sein Werk zu verteidigen, wird aber schnell ausgebremst: »Dein Sujet ist hart veraltet. Frauen haben kein Interesse mehr daran, Männer zu verstehen«, sagt sie nüchtern.

Sie könnte auch über Michael Nasts Buch »Generation Beziehungsunfähig«  sprechen. Dessen schon im Titel formulierte Grundthese mag ja richtig sein, aber mit Geschlechterklischees wie »Männer sind Jäger, Frauen lieben Sauberkeit« und verallgemeinernden Behauptungen über Beziehungen war der Berliner Autor schon im Erscheinungsjahr 2016 nicht mehr ganz up to date. Wie aktuell ist der Film zum Buch?

Matthias Schweighöfers Produktionsfirma sicherte sich die Verfilmungsrechte am Buch, die Regie übernahm die 33-jährige Helena Hufnagel. Aus dem Sachbuch hat sie ein Drehbuch gemacht, bei dem nur das übergreifende Thema das gleiche ist: Beziehungsunfähigkeit. Die Geschichte wird also von einer Frau erzählt, die selbst Teil dieser Generation ist: »Um unsere Gesellschaft wirklich abzubilden, braucht es auch einen weiblichen Blick in der Fiktion. In dem Film durfte ich meine eigene Sicht auf die Welt zeigen«, sagt sie.

Regisseurin Hufnagel (M.), Hauptdarsteller Lau, Heyer: »Meine eigene Sicht auf die Welt zeigen«

Regisseurin Hufnagel (M.), Hauptdarsteller Lau, Heyer: »Meine eigene Sicht auf die Welt zeigen«

Foto: Steffi Adam / imago images/Future Image

Sie erzählt von dem Schriftsteller Tim, der um die 30 ist und noch nie richtig verliebt war. Er swipt sich durch Tinder, hat unverbindlichen Sex und meldet sich dann nicht mehr. »Liebe tut eben weh – also den anderen, den Luschen«, findet er. Dann lernt er in einer Tankstelle Ghost (Luise Heyer) kennen. Sie ist genau wie er, beziehungsunfähig, unverbindlich, unromantisch. Die beiden verabreden sich zum Sex, mehr als einmal. Als sie einen Sonntag zusammen verbringen, merkt Tim, dass er sich verliebt hat. Ghost begeistert ihn, weil sie nicht so fühlt wie er. Und zum ersten Mal spürt Tim, wie sich das anfühlt, auf der Seite der unerwiderten Liebe.

Ein paar Klischees haben es schon in den Film geschafft. Tim ist zum Beispiel so ein Mann, der Frauen anstrengend findet. Er kommt manchmal etwas platt daher, wenn er Sätze wie »Wenn man jung ist, dann ist das mit der Liebe noch so einfach, aber wenn man älter wird, wird alles komplizierter« in seinen Laptop tippt. Das klingt dann fast so wie in der Buchvorlage. Auch das Narrativ, dass sich zwei Beziehungsunfähige einfach nur verlieben müssen, um beziehungsfähig zu sein, ist nicht neu.

Doch die Geschichte entfaltet sich so natürlich, dass diese Schwächen kaum auffallen. Das liegt vor allem an den Hauptdarstellern. »Luise und ich sind nicht immer die Textsichersten und haben oft improvisiert«, sagte Lau über die Dreharbeiten – dem Film kam das zugute.

Als Ghost beim Sex in Tims Ohr leckt, dreht er angewidert seinen Kopf weg und fragt sie, was das soll. »Oh sorry, da habe ich dich verwechselt«, sagt sie. Diese Art von Situationskomik funktioniert, weil sie nicht einstudiert wirkt. Aber nicht nur deswegen wirkt der Film so realistisch: statt im hippen Berlin spielt er in Köln, Tim wohnt noch in einer WG, Ghost fährt Fahrrad statt Auto, der Sex ist so, wie Sex nun mal eben ist – manchmal schön und manchmal zum Fremdschämen.

»Ich spiele gerne mit Klischees, um sie dann zu brechen«, sagt Hufnagel. »Auf den ersten Blick hat der Film die klassische Struktur einer Romantic Comedy.« Doch sie nutzt das Genre geschickt, um ihre eigenen Beobachtungen und Lebenserfahrungen einzubringen. »Es ist viel schwieriger, sich an einem Sonntagnachmittag zu verabreden und herumzuhängen – weil man dann nicht weiß, was ›die Verabredung‹ ist –, als sich mit jemand Fremdem einfach nur zum Vögeln zu treffen«, sagt sie.

Die Zahlen geben ihr recht: Tinder hat so viele Nutzer wie nie zuvor, Dating-Apps erlebten während der Pandemie einen Boom. Der Anteil der über 30-jährigen Nutzer liegt nur knapp unter dem der 20-jährigen. Das Thema ist also noch lange nicht durch.

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