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"Die Verlegerin": Erschreckend, weil wahr

Foto: Universal Pictures

Spielberg-Drama "Die Verlegerin" Ansteckende Krawall-Lust

In Rekordzeit drehte Steven Spielberg seinen neuen Film "Die Verlegerin" mit Meryl Streep und Tom Hanks. Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs zeigt der Oscar-Anwärter, wie unverzichtbar eine freie Presse ist.

Noch vor Beginn der Hamburger Pressevorführung von "Die Verlegerin" urteilte ein Anwesender unerkannt, aber hörbar in den abgedunkelten Kinosaal hinein, es handele sich um "einen typischen Ami-Film". Nun war diese voreilige und ohnehin nicht sonderlich helle Äußerung offenkundig nicht als Kompliment gemeint.

Aber im besten Sinne ist Steven Spielbergs Tatsachendrama über die "Washington Post"-Verlegerin Katherine "Kay" Graham und ihre entscheidende Rolle in einem historischen Schicksalsmoment des investigativen Journalismus - genauer die Veröffentlichung der "Pentagon Papers" im Jahr 1971, die zu einem Showdown zwischen der Presse und der Nixon-Regierung vor dem Obersten Gerichtshof führte - tatsächlich ein sehr amerikanischer Film. Noch dazu ein sehr guter, der die Nominierung für den Oscar als Bester Film wirklich verdient hat: Spielberg wirft hier die ganze ästhetische und narrative Wirkungsmacht seines Kinos in die Waagschale, um eine inspirierende Geschichtsstunde von aktueller Dringlichkeit abzuhalten.

Denn im mitreißenden Plädoyer für eine freie Presse als Garant der Demokratie transzendiert "Die Verlegerin" (Originaltitel "The Post") immer wieder den eigenen Handlungshintergrund der Vietnamkriegsära, um auf die unmittelbare Gegenwart Amerikas unter der Trump-Administration zu verweisen. Das macht Spielberg mit einer kämpferischen, unverhohlen politischen Haltung, und wie ernst ihm das Anliegen des Films ist, verdeutlicht bereits die Produktionsdauer: Von der Ankündigung des Drehbeginns bis zur Premiere vergingen lediglich atemberaubend knappe acht Monate, was für Spielbergs Verhältnisse schon Filmemachen im Guerilla-Stil ist. Also alles mitnichten gewöhnlich, aber bitteschön: Wenn das ein typischer Ami-Film sein soll, dann kann es davon gerne mehr geben.

Geheime Papiere, konkurrierende Blätter

Das ursprüngliche Drehbuch von Debütautorin Liz Hannah ließ Spielberg durch Josh Singer überarbeiten, der spätestens seit seinem Oscar für "Spotlight" als Spezialist für die spielfilmtaugliche Dramatisierung journalistischer Arbeit gilt. Protagonisten des elegant geradeaus surrenden, aber nicht simplifizierenden Plots sind die von Meryl Streep verkörperte Zeitungserbin Graham und ihr von Tom Hanks gespielter Chefredakteur Ben Bradlee.

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"Die Verlegerin": Erschreckend, weil wahr

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Zu Beginn der Siebzigerjahre stehen beide zusammen mit der "Washington Post" am Scheideweg: Graham, die lächelnd und still erträgt, dass ihre durchweg männlichen Vorstandskollegen sie nicht für voll nehmen, soll das familieneigene Verlagsunternehmen an die Börse bringen. Bradlee wiederum leidet unter dem Umstand, dass die "Post" nur als ambitionierte Regionalzeitung gilt, die nicht im Konzert der meinungsbildenden Blätter mitspielen kann.

Seine Frustration wächst, als die publizistisch überlegene "New York Times" einen spektakulären Coup landet und Passagen aus geheimen Dossiers über den Vietnamkrieg veröffentlicht. Die im Auftrag des Verteidigungsministeriums erstellten Studien offenbaren, dass seit Kennedys Amtszeit alle US-Regierungen den verlustreichen Konflikt weiter eskalieren ließen, wohlwissend, dass es keine Aussicht auf einen militärischen Sieg gibt.

Erschreckend, weil wahr

Fieberhaft versucht die "Washington Post" daraufhin, ebenfalls Zugriff auf die "Pentagon Papers" zu bekommen. Tatsächlich findet Redakteur Ben Bagdikian (ein wunderbar verknitterter Bob Odenkirk) eine Spur zur Quelle der brisanten Dokumente. Doch die spannende Schnitzeljagd der Journalisten stellt sich bald als das kleinere Problem heraus, denn Nixons Generalstaatsanwalt erwirkt derweil ein Gerichtsurteil, das jeden weiteren Abdruck aufgrund vermeintlicher Gefährdung der nationalen Sicherheit untersagt. Selbst wenn die "Post" in den Besitz der Papiere gelangen würde, so könnte eine Publikation das Ende für die Zeitung bedeuten.

Vor dieser erschreckenden, weil wahren Drohkulisse müssen Katherine Graham und Ben Bradlee nicht nur ihr Arbeitsverhältnis und den Auftrag ihres Blattes überdenken, sondern auch ihr Selbstverständnis als Verlegerin und Journalist hinterfragen. Schließlich waren sie selbst Dauergäste im inneren Zirkel der Macht, und verkehrten jahrelang freundschaftlich mit Entscheidungsträgern des Landes.


Die Verlegerin
Originaltitel:
"The Post"
USA 2017
Regie:
Steven Spielberg
Drehbuch: Liz Hannah, Josh Singer
Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Alison Brie, Carrie Coon, David Cross, Bruce Greenwood, Tracy Letts, Bob Odenkirk, Sarah Paulson
Produktion: 20th Century Fox, Amblin Entertainment
Verleih: Universal Pictures Germany
FSK: ab 6 Jahren
Länge: 117 Minuten
Start: 22. Februar 2018


In ihrem ersten gemeinsamen Film setzen sich Meryl Streep und Tom Hanks dabei gegenseitig ebenso großartig wie -zügig in Szene. Hanks geht seine Rolle mit ansteckender Krawalllust an, und klugerweise versucht er erst gar nicht, Jason Robards' gravitätische Darstellung Bradlees in "All the President's Men" (1976) zum Vorbild zu nehmen. Erfrischend unleidig und laut liefert er die perfekte Kontrastfolie für Streeps Oscar-nominierte, ungleich subtilere und in minimalen Gesten gestaltete Transformation der Figur Katherine Graham. Die zieht ausgerechnet aus der existenziellen Krise die Kraft, sich von den tradierten Verhältnissen und Geschlechterrollen zu emanzipieren.

Eigentlicher Star des Films aber ist der Newsroom, den Spielberg in seiner schwung- und stilvollen Agitprop mit aller angemessenen Begeisterung für kettenrauchende Reporter, schrillende Telefone und klackernde Schreibmaschinen zeichnet. Sicher schwebt die Gefahr nostalgischer Verklärung über solchen Szenen, aber Spielberg gelingt es dank der unmissverständlich klaren Gegenwärtigkeit der Erzählung, aus der wohligen Echokammer eines liberalen Erbauungskinos auszubrechen. Was nicht heißt, dass es keine klassischen Spielberg-Momente in diesem Film gäbe, im Gegenteil: Ein Pappkarton mit lange gesuchten Unterlagen wird da ehrfurchtsvoll bestaunt wie die Bundeslade in "Jäger des verlorenen Schatzes", und das machtvolle Anrollen der Zeitungsdruckerei lässt die Schreibtische erbeben wie weiland die herannahenden Saurier in "Jurassic Park".

Die Pressefreiheit, das macht Spielberg in diesen visuellen Zitaten mit lässiger Selbstironie deutlich, ist viel mächtiger und größer als ein T-Rex. Aber sie ist im Zeitalter alternativer Fakten, willkürlicher Ignoranz gegenüber der Wahrheit und "Fake News"-Diffamierungen vom Aussterben bedroht. Darum gilt es, die freie Presse mit allen demokratischen Mitteln der Demokratie zu verteidigen. Bevor ihr Tod die letzte Schlagzeile liefert.