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Aufgewärmte Klassiker: Das eigene Werk recyclet

Foto: Stephen Lovekin/ Getty Images

Aufgewärmte Klassiker Ray Davies schändet sich selbst

Über die Frage, ob es die definitive Version eines Liedes gibt, kann man ewig zanken. Der "Kinks"-Chef Ray Davies hat seinen Songs mit ihrer aktuellen Neueinspielung jedenfalls keinen Gefallen getan, gerade weil berühmte Kollegen mitgeholfen haben.

Wann fügen Coverversionen dem Original etwas hinzu, wann schänden sie die Vorlage? Ist es lustig, wenn die Schlagersängerin Celine Dion "You Shook Me all Night Long" von AC/DC nachleiert - oder ist es ein Verbrechen? Über solchen Fragen sind schon Freundschaften zerbrochen.

Besonders knifflig wird die Frage, wenn Künstler ihr eigenes Werk recyclen. So wie der Kinks-Chef Ray Davies, der seit geraumer Zeit seine Großtaten von einst neu interpretiert. Die grandiosen Lieder, die der heute 66-jährige Londoner in den sechziger und siebziger Jahren für seine Band The Kinks verfasste, gehören zu den Klassikern der britischen Popmusik. Davies' Songs wie "You Really Got Me", "Lola", "All Day and All of the Night" oder "Days" sind auf Augenhöhe mit den Kompositionen von Lennon & McCartney, Pete Townshend und Jagger & Richards.

Das Beste: Amy McDonald stört nicht weiter

Im vergangenen Jahr irritierte der streitbare Altrocker seine Fans mit "The Kinks Choral Collection", wo er Klassiker wie "Victoria" und "Waterloo Sunset" mit einem Londoner Chor radikal umarrangiert einspielte, was immerhin eine frische Idee war. Nun legt er das Album "See My Friends" nach, auf dem er viele dieser antiken Lieder noch mal neu in Duetten einspielte, mit einer Riege prominenter Gäste.

Weil Ray Davies noch immer zur A-Liga der britischen Musiker gehört, ist die Liste seiner Kollaborateure eindrucksvoll geraten: Bruce Springsteen ist an Bord, ebenso Metallica, Jon Bon Jovi, Jackson Browne oder Amy McDonald. Leider klingen die Resultate überwiegend gruselig: Wenn der Boss "Better Things" anstimmt, scheint das eher unnötig; auch wenn der Smashing-Pumpkins-Chef Billy Corgan "All Day and All of the Night" neu interpretiert, bleibt nichts hängen. Grotesk wird es, wenn Jon Bon Jovi und Richie Sambora sich über "Celluloid Heroes" hermachen oder Metallica "You Really Got Me" dröhnen. Amy McDonald ("Dead End Street") oder Jackson Browne ("Waterloo Sunset") stören nicht weiter, bleiben aber blass.

Am Ende stellt sich nur die große Frage, was Ray Davies da reitet. Was ihn treibt, all diese tollen Lieder zu verunstalten. Geldmangel dürfte es kaum sein. Verdient haben sollte er prächtig, und für Drogenexzesse, Scheidungen und ähnlich teure Dinge ist der vergleichsweise genügsame Künstler nicht bekannt. Aber vielleicht wurmt es den eitlen Barden, dass seine Werke nur selten in einem Atemzug mit denen seiner berühmten Kollegen aus den Sechzigern genannt werden. Eine naheliegende Vermutung, denn bei seinen Solo-Auftritten wird Davies oft nicht müde zu erwähnen, was für tolle Klassiker er doch zu verantworten hat. Der Arme scheint sich arg unterschätzt zu fühlen. Wahrscheinlich ist er das sogar, aber trotzdem sollte er seine Meisterwerke vielleicht lieber in Ruhe lassen, denn die Originale klingen heute so toll wie damals.