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Groß-Talker Frank Plasberg: Ein Kellerkind boxt sich hoch

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Frank Plasberg im Interview "Jauch wird uns nicht das Wasser abgraben"

Harte Kante im Kampf für die Quote: "Hart aber fair"-Moderator Frank Plasberg, 54, spricht im Interview über Fluch und Segen seines neuen Programmplatzes, den ewigen Konkurrenten Günther Jauch - und erklärt, warum auch der härteste Polit-Talk manchmal B-Prominente erfordert.

SPIEGEL ONLINE: Herr Plasberg, am Montag starten Sie mit "Hart aber fair" auf einem neuen Programmplatz - mit einer Diskussion über Patchworkfamilien. Wir haben darauf gewettet, dass Sie zum Auftakt thematisch ein Fanal setzen würden.

Plasberg: Dann haben Sie die Wette verloren. Aber ganz ehrlich: Wie soll denn so ein Fanal aussehen? Sie meinen, das Thema Patchworkfamilie sorgt nicht für genug Aufmerksamkeit? Als ich vorletzte Woche in einem Artikel auf das Buch "Die Patchwork-Lüge" von der "FAZ"-Kollegin Melanie Mühl stieß, sprang mich das sofort an. All die Lügen und Verletzungen, wenn Familien zerbrechen und neue Partnerschaften entstehen, darüber lässt sich hervorragend sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Sicher, aber wir hätten mit einem harten politischen Thema gerechnet - um klarzustellen, dass Sie sich nicht das Wasser abgraben lassen von Günther Jauch, der ab nächster Woche sonntags vor Ihnen talkt.

Plasberg: Machen Sie sich keine Sorgen, der geschätzte Kollege Jauch wird uns nicht das Wasser abgraben, auch wenn er die Konkurrenzsituation in der ARD noch mal befeuert. Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft.

SPIEGEL ONLINE: Aber ist der Montag nicht ein scheußlicher Tag aus Sicht des Polit-Talkers?

Plasberg: Scheußlich haben Sie gesagt. In der Tat stellt uns der Montag vor neue Herausforderungen. Über das Wochenende die Sendung fertig zu recherchieren - und das in einer gewissen Konkurrenz zu Jauch, das ist schon eine Aufgabe. Wir sind da quasi Opfer unseres eigenen Erfolgs: Als wir vor vier Jahren aus der Primetime des WDR auf den Mittwoch um 21.45 Uhr ins Erste gingen, glaubten die Wenigsten an uns. Das sei doch ein Sendeplatz zum Sterben. Ich weiß noch, dass der damalige ARD-Programmdirektor Günter Struve uns hinter vorgehaltener Hand kein halbes Jahr gegeben hat. Die Sendung war immer ein Kellerkind. Über Quote und Auszeichnungen haben wir uns hochgeboxt. Wir haben am Mittwoch im letzten Jahr durchschnittlich bemerkenswerte 12,9 Prozent eingefahren - und das trotz der regelmäßigen Fußballkonkurrenz.

SPIEGEL ONLINE: Und zum Dank verschiebt man Sie nun auf den schwierigen Montag, wo die Quote momentan bei bitteren acht Prozent liegt.

Plasberg: Na, jetzt sind Sie unfair gegenüber dem ARD-Boss Volker Herres. Der hat uns dabei immerhin auf 21 Uhr vorverlegt. Was ich nicht wollte - und zwar an keinem Wochentag - war der 22.45-Uhr-Sendeplatz, weil ich glaube, dass man da keine harten Inhalte mehr verhandeln kann. Bei uns soll man nicht in den Kissen wegdämmern, bei uns soll man gespannt auf der Sesselkante sitzen. In diesem Punkt sind wir mit dem 21-Uhr-Sendeplatz bestens bedient. Damit sind wir übrigens das erste öffentlich-rechtliche Talkmagazin, das in der originären Primetime anfängt...

SPIEGEL ONLINE: ...aber auch das erste, das im Anschluss an Natur-Dokus läuft. In der ARD wird montags um viertel nach acht in Tier- und Landschaftspanoramen geschwelgt. Der richtige Anheizer für einen knallharten Talk?

Plasberg: Bin ich Volker Herres? Mein Programmdirektor wird sich dabei schon etwas gedacht haben. Und ich will mich auch nicht mit Jammern aufhalten: Ich mag die Herausforderung. Günther Jauch hat neulich in einem Interview gesagt, der Sonntag sei ein ARD-Tag und der Montag ein RTL-Tag - und er wünsche sich, dass das so bleibt. Das sehe ich anders: Ich möchte dazu beitragen, dass auch der Montag ein ARD-Tag wird.

SPIEGEL ONLINE: Aber wären Sie nicht lieber gleich selbst auf den Sonntag gegangen?

Plasberg: Klar, daraus habe ich ja auch nie einen Hehl gemacht. Ich hätte es auch gerne mal bequem gehabt nach dem "Tatort"...

SPIEGEL ONLINE: ...und dann kommt Jauch und schnappt Ihnen diesen Platz weg. Unerträglich, oder?

Plasberg: Nein. Vollständigkeitshalber muss man sagen, dass wir ohne Jauch damals wahrscheinlich nicht vom Dritten ins Erste gerutscht wären. Das war ja nur eine Folge des diplomatischen Hickhacks, nachdem Jauch nach einem ersten Anwerbungsversuch vor vier Jahren abgesagt hatte. Jetzt sind wir nach einem weiteren Hickhack eben auf den Montag gerutscht.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem: Jetzt kommt Jauch doch - und greift sich das Filetstück. Dabei haben Sie doch selbst alles versucht, um ein zweiter Jauch zu werden.

Plasberg: Ich bin doch nicht so blöd, Günther Jauch kopieren zu wollen. Was meinen Sie?

SPIEGEL ONLINE: Neben Ihrem Talk haben Sie ja für die ARD ein Aufgabenspektrum übernommen, das in seiner Breite an Jauch erinnert: Jahresrückblick, Wissensquiz mit Kindern, große Samstagabendshow.

Plasberg: Darauf bin ich nicht selbst gekommen. Als ich vom NDR gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, "Die klügsten Kinder im Norden" zu moderieren, sagte ich: Nein, kann ich nicht. Es gibt Leute, die sehen besser aus, und mein Ranschmeißer-Talent ist durch meine Herkunft limitiert: Ich komme aus dem Bergischen Land, da ist das Charme-Gen eher rustikal ausgeprägt. Es herrscht das Prinzip der negativen Kontaktaufnahme. Der NDR wollte aber gerade eine gewisse Kante. Ich bat dann darum, Probeaufnahmen machen zu dürfen - und die habe ich mit Freunden und Kollegen bewertet. Man sah durchaus Entwicklungspotential, also habe ich es versucht. Das hat nichts damit zu tun, dass ich Jauch nacheifere. Wie denn auch? Wir sind viel zu unterschiedlich. Was uns allerdings eint, ist ein Interesse an sogenannten Boulevardthemen.

"Sorry, ich bin Wechselwähler"

SPIEGEL ONLINE: Inzwischen sind Sie selbst ein TV-Star, der als Gast in Promi-Quizshows auftritt - oder bei einer fürchterlichen Preisverleihung wie dem "Bambi"...

Plasberg: ...fürchterliche Preisverleihung? Ich bitte Sie! Ich bin gerne mal Voyeur, ich liebe es, mich unter all diese Berühmtheiten und Halbberühmtheiten zu schummeln. Was es da alles zu hören und zu sehen gibt! Als kleiner Junge habe ich bei meiner Oma in Wermelskirchen immer "Hörzu" gelesen. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, ich würde 40 Jahre später mit meiner Mutter zur "Bambi"-Verleihung gehen, hätte ich es nicht geglaubt. Meine Mutter war dann dabei und hat vom roten Teppich aus jede Reporteranfrage beantwortet. Kein Witz, das war einer der schönsten Momente in meinem Berufsleben.

SPIEGEL ONLINE: Entschuldigung, aber was ist denn das für ein Bild: Sie, der knallharte distanzierte Nachfrager, zwischen all den Promis. Fühlen Sie sich wirklich wohl als Boulevard-Onkel?

Plasberg: Kommt auf die Definition an. Boulevard heißt für mich nicht Titten, Körperflüssigkeiten und Skandalgeschichten von Promis. Boulevard heißt für mich, Menschliches zuzulassen, ohne den Kopf auszuschalten. In diesem Sinne bin ich gerne der Boulevard-Onkel. Es gab bei mir nie eine Brandmauer zwischen den vermeintlich leichten und den vermeintlich schweren Themen.

SPIEGEL ONLINE: Wenn es bei Ihnen um gesellschaftliche Stoffe geht, holen Sie sich gerne mal Leute dazu, die man eher im RTL-"Dschungelcamp" erwartet: Mariella Ahrens, Claude-Oliver Rudolph, Jürgen Drews. Unterwandern Sie damit nicht Ihr eigenes Niveau?

Plasberg: Ganz und gar nicht. Ich schätze an Menschen den Mut, auch mal das zu sagen, was nicht sozial erwünscht ist. Das sind oft sehr kluge Leute. Jürgen Drews ist ja von Beruf Jürgen Drews. Der eine ist Bäcker, der andere Polizist und wieder ein anderer ist eben "Der König von Mallorca". Es gibt Grenzübertritte bei ihm, die finde ich auch einfach nur peinlich. Aber jemand wie Drews bringt Statements, die sich andere nicht trauen, obwohl sie es in der Wirklichkeit außerhalb des Fernsehens auch so sagen würden. Nehmen Sie Claude-Oliver Rudolph, der bei uns in einer Sendung über Homophobie im Fußball war. Der sagt, was im Stadion gang und gäbe ist - was eine offizielle Person aber niemals vor einer Kamera aussprechen würde.

SPIEGEL ONLINE: Er nimmt also eine Art Stellvertreterrolle ein?

Plasberg: Genau. Miet-Mäuler, die alles plappern, nur um im Fernsehen zu sein, kommen mir nicht ins Studio. Jemand wie Claude-Oliver Rudolph spielt da nichts, der ist naturidentisch.

SPIEGEL ONLINE: Er beschwerte sich unlängst öffentlich, dass Sie ihm Freundschaft vorgespielt hätten, aber sich weigerten, einen Film von ihm zu finanzieren. Rudolph gilt ja als rabiat, gab es Handgreiflichkeiten?

Plasberg: Ach ja, er hat mal für einen Independentfilm Geld gesammelt und auch unsere Produktionsfirma angeschrieben. Aber obwohl ich 17 Semester ohne Abschluss Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften studiert habe und in diesem Bereich bei mir eine gewisse Wunde klafft - wir haben einfach nicht das Geld, um einen Kunstfilm zu finanzieren. Claude-Oliver Rudolph und ich sind uns inzwischen aber schon wieder begegnet. Wie Sie sehen: Ich bin körperlich noch intakt und würde ihn, wenn sich die Gelegenheit ergibt, immer wieder als Gast einladen.

SPIEGEL ONLINE: Bei fünf Talks in einer Woche könnte es demnächst ja auch tatsächlich eng mit den Gästen werden. Es soll deshalb von der ARD eine zentrale "Gästedatenbank" eingerichtet worden sein. Wie finden Sie das?

Plasberg: Als Vater erwarte ich von meinen Kindern, dass sie beim Essen zunächst probieren und dann erst sagen: Schmeckt nicht. So werde ich das auch machen und es mit der Datenbank probieren. Die gute Mutter ARD wird es dann hoffentlich genauso halten: Wenn's unbekömmlich wird oder man davon nicht satt wird, kann man es wieder sein lassen.

SPIEGEL ONLINE: Sie können die Gästefrage ja auch im direkten Gespräch mit den Kollegen Jauch, Maischberger, Will und Beckmann abklären, oder?

Plasberg: Nein, Sie überschätzen den Kontakt, den wir untereinander pflegen. Mit zwei der Kollegen sieze ich mich sogar. Wir haben ein professionelles, kein freundschaftliches Verhältnis. Immer wenn ich über solche Kuschelnummern lese, misstraue ich dem. Fernsehen ist ein Geistergewerbe, da wird viel rumgespukt, da muss man aufpassen. Es gibt Kollegialität, aber echte Freundschaft suche ich außerhalb meines Berufs.

SPIEGEL ONLINE: Macht Fernsehen einsam?

Plasberg: Bitte nicht so theatralisch. Nein, Fernsehen macht nicht einsam. Im Gegenteil, ich zum Beispiel habe das Glück gehabt, in unserer Produktionsfirma Ansager & Schnipselmann ein Team aufbauen zu können, dem ich 100 Prozent vertraue. Ich genieße den Luxus, die anderen erst mal vorarbeiten zu lassen und kann auch mal Kritik einstecken, wenn die etwas vorbereitet haben, dem ich nicht folgen kann. Neulich hatten wir so ein Thema, das mir gar nicht lag. Da sagte einer meiner Redakteure: "Halten wir fest, der Moderator fühlt sich der Aufgabe nicht gewachsen."

SPIEGEL ONLINE: Wahrscheinlich ist es sogar ganz gut, wenn man nicht glaubt, alle Themen und Gäste souverän abarbeiten zu können. Es gab ja auch grenzwertige Gäste bei "Hart aber fair".

Plasberg: Zum Beispiel?

SPIEGEL ONLINE: Roger Kusch, der seinen Sterbehilfeverein bei Ihnen vorstellen durfte und dem Sie wenig entgegenzusetzen hatten. Eine hübsche Promo-Show für den Todesengel.

Plasberg: Das lässt sich von heute aus betrachtet leicht sagen. Ich bin erst mal dankbar, wenn jemand so ein Thema auf die Tagesordnung bringt. Dass wir scheitern können, ist klar. Als wir "Hart aber fair" 2001 entwickelt haben, hatte ich die "Talk in Berlin"-Ausgabe aus dem Jahr zuvor im Hinterkopf, wo sich der große Erich Böhme vom Rechtspopulisten Jörg Haider vorführen lassen musste. Haider brach mit einer Grundregel menschlichen Zusammenlebens, nicht dreist zu lügen! Er hat das einfach getan und Böhme hatte nichts entgegenzusetzen. Deshalb haben wir gesagt: Lasst uns die Möglichkeiten des Fernsehens besser ausschöpfen, lasst uns Dokumente, Zitate, gut recherchierte Fakten in die Diskussion einbringen. So sind unsere Einspieler entstanden. Und später dann der "Faktencheck", um Falschbehauptungen wenigstens am nächsten Tag entlarven zu können. Ich freu mich übrigens immer, wenn Politiker jetzt schon selbst und auch in anderen Sendungen den "Faktencheck" fordern.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie sich eigentlich eine Bullshit-Sensorik antrainiert, die Ihnen schon während der Äußerung eines Politikers sagt, wie diese endet?

Plasberg: Die besitze ich wohl. Aber leider hilft sie einem gar nicht so sehr. Denn man muss immer im Tempo des Zuschauers bleiben. Gehe ich zu schnell dazwischen, egal wie berechtigt mein Einschreiten ist, schlägt der Zuschauer sich bald auf die Seite des Politikers, auch wenn er ausweicht. Fernsehen ist erst mal Emotion, nicht Analyse. Wer das nicht akzeptieren will, darf sich nicht vor die Kamera stellen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Plasberg, für welche Partei brennen Sie eigentlich? Egal, wie Sie an Politiker austeilen, eine politische Vorliebe lässt sich nicht erkennen. Reiner Professionalismus - oder sind Sie tatsächlich ein parteipolitisches Neutrum?

Plasberg: Ja, bin ich. Und das ist jetzt keine Schutzbehauptung. Mir fehlt die große ideologische Sozialisation. Ich habe mich mit 16 dem Journalismus verschrieben, ich habe Positionen miteinander verglichen, ohne ganz in einer aufzugehen, vielleicht verstecke ich mich auch hinter meinem Beruf. Möglicherweise fehlt mir die Erfahrung, mit 18 Plakate geklebt zu haben für eine Partei, für die ich wirklich brenne. Sorry, ich bin Wechselwähler. Das mag langweilig erscheinen, vereinfacht meinen Job als Moderator eines Polit-Talks aber ungemein.

Das Interview führte Christian Buß


"Hart aber fair", montags 21.00 Uhr, ARD