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"Hart aber fair" zur EU-Postenverteilung "Das ist doch jetzt ein Poker, der beginnen könnte"

"Kungelei statt Wählerwille?": Frank Plasberg diskutierte mit seinen Gästen über den möglichen Wechsel Ursula von der Leyens an die Spitze der EU-Kommission. Los ging es erst mal mit kalkulierter Empörung.
Von Klaus Raab
Moderator Plasberg (r.) mit seinen Gästen: "EU-Postengeschacher: Kungelei statt Wählerwille?"

Moderator Plasberg (r.) mit seinen Gästen: "EU-Postengeschacher: Kungelei statt Wählerwille?"

Foto: WDR/Dirk Borm

Frank Plasberg ging wieder zurück zur Tagesordnung: Eine Woche nach der viel kritisierten "Hart aber fair"-Ausgabe über "rechten Hass", die auch den WDR-Rundfunkrat beschäftigt hat, ging es diesmal um die Europäische Union und die bevorstehende Abstimmung  über Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin. Der Sendungstitel lautete: "EU-Postengeschacher: Kungelei statt Wählerwille?"

Anders gesagt: Die Talkshowredaktion nahm sich des politischen Themas mit dem wohl größten Aufregerpotenzial der Woche an, packte einige Wutvokabeln in den Titel und täuschte eine Frage vor, wo Verdrossenheit war. Moderator Plasberg war sich auch nicht zu schade, in der Anmoderation noch die Formulierungen "ins Amt bugsiert" und "im Hinterzimmer ausgekungelt" obendrauf zu kalkulieren.

"Hart aber fair": Empörung statt Erkenntnisinteresse? Mehr als eine Viertelstunde lang sah es ganz danach aus, obwohl der Runde gar kein EU-Gegner angehörte.

Der Kabarettist Thomas Freitag war eingeladen, die Diskussion erstmal aufs entsprechende Gleis zu stellen (Plasberg: "Herr Freitag, Sie sind sauer"). Der sagte, erst seien ihm Spitzenkandidaten präsentiert worden, die er sich im deutschen Fernsehen habe anschauen können - und dann solle jemand Kommissionspräsidentin werden, die nicht dabei war?

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Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, nannte den Vorgang, wie der EVP-Spitzenkandidat - sein CSU-Kollege Manfred Weber - aussortiert worden sei, "infam" und "untragbar": ignoriert von den Staats- und Regierungschefs, namentlich etwa Emmanuel Macron und Viktor Orbán.

Michael Roth, SPD, der im Auswärtigen Amt für Europa zuständige Staatsminister, ärgerte sich ebenfalls - über den Grund, warum der Kandidat der europäischen Sozialdemokraten von den Visegrád-Staaten abgelehnt worden sei; er kritisierte aber auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen - bei ihr reihe sich ein Skandal an den nächsten.

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Ska Keller, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen in Europa, drückte ihre "große, große Skepsis" gegenüber von der Leyen aus; gab zu Protokoll, dass sie keine Gründe sehe, sie zu wählen; und verteidigte, wie Roth, immer wieder das Spitzenkandidatenprinzip. Verfahrensfragen wurden also munter mit Personalkritik vermischt.

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Dann aber kam der aus Brüssel berichtende "Zeit"-Journalist Matthias Krupa an die Reihe: Mit Begriffen wie "Hinterzimmer", "Postengeschacher" und "Deals" tue er sich schwer, sagte er. "Das Hinterzimmer, über das wir hier sprechen, ist eine der nobelsten Institutionen der Europäischen Union, nämlich das Gremium der 28 Staats- und Regierungschefs, die alle für sich demokratisch gewählt sind."

Das Spitzenkandidatenprinzip führe deshalb zu jener Enttäuschung, "die Herr Freitag hier im Namen vieler Bürgerinnen und Bürger formuliert hat", weil es die Voraussetzungen dafür in der EU gar nicht gebe, im Europaparlaments-Wahlkampf aber so getan worden sei. "Die europäischen Verträge sehen ausdrücklich vor, dass Staats- und Regierungschefs" - also der Europäische Rat - "und Europäisches Parlament sich verständigen müssen."

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Das war zum Teil Meinungsäußerung, vor allem aber auch Grundlagenwissen: Der Europäische Rat schlägt, das Ergebnis der Parlamentswahlen berücksichtigend, einen Kommissionspräsidenten vor, den das Europaparlament dann annehmen oder ablehnen kann. Der Vorschlag, von der Leyen zu wählen, folgt demnach dem vorgesehenen Prozedere. Mit einer solchen Einordnung hätte die Talkshow freilich einfach beginnen können.

Dann hätte man halt nur auf die anfängliche, auch etwa von Ska Keller bediente "Hinterzimmer"-Rhetorik verzichten und stattdessen zum Beispiel fragen müssen: Sollten die Verträge geändert werden?

Zu diskutieren gab es auch danach genug. Nur der Diskussionsrahmen war nun ein anderer: Wie kann die EU zu Entscheidungen kommen, etwa in Fragen der Seenotrettung? Wie kann sie demokratischer werden, wie es Michael Roth nannte? Indem die europäischen Parteien gestärkt werden? Mit einer "Koalition der Tempo- und Mutmacher", die andere mitziehen?

Roth drückte jedenfalls Bedauern aus, dass das Spitzenkandidatenprinzip "in die Tonne" gekloppt werde: "Die Personalisierung der Politik, die finde ich toll", sagte er. Und forderte Daniel Caspary auf, dem Vorschlag des Rats bei der Kommissionspräsidentenwahl nicht zu folgen, wenn ihn so ärgere, dass Manfred Weber aus dem Rennen genommen worden sei. Das sei doch nun "eine große Chance" für das Parlament. Worauf der freilich nicht einging: Als "Ersatzlösung" sei von der Leyen "hervorragend".

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Ska Keller sagte, wenn ihre Fraktion Ursula von der Leyen wählen solle, müssten sie und der Rat auf sie zugehen. Also wäre es doch möglich, dass die Grünen für sie stimmten - was womöglich die Voraussetzung wäre, damit sie überhaupt eine Chance hätte? Kabarettist Thomas Freitag befand, gar nicht unbegeistert: "Das ist doch jetzt ein Poker, der beginnen könnte."

Caspary: "Die Tür versucht Frau Keller gerade aufzumachen." Roch es da plötzlich nach Geschacher? Man könnte es unter Umständen auch Politik nennen.


Anmerkung: In einer vorangegangenen Version wurde der "Zeit"-Journalist Matthias Krupa mit falschem Vornamen genannt. Wir haben den Fehler korrigiert.